Gericht

Frau S. will Justizgeschichte schreiben


Seit Jahren kämpft Angeklagte für ihr, ja was eigentlich, für ihr Recht? Selbst Entlastungszeuge wird zur Belastung.

Seit Jahren kämpft Angeklagte für ihr, ja was eigentlich, für ihr Recht? Selbst Entlastungszeuge wird zur Belastung.

Von Monika Müller

Berufungsprozess: Ehemalige Steuerberaterin stellt Befangenheitsantrag gegen Richter.

Roswitha S. wird viel nachgesagt. Eines ist die ehemalige Steuerberaterin, die sich seit September vergangenen Jahres wegen Untreue vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts verantworten muss, aber definitiv: antragswütig. Seit geraumer Zeit ist die Berufungskammer mit Vorsitzendem Richter Robert Mader damit beschäftigt, die Beweisanträge der 53-Jährigen abzuarbeiten. In ihrem Eifer, ihre Unschuld zu beweisen, lässt sich S. auch nicht durch Rückschläge bremsen wie etwa der Tatsache, dass ein von ihr benannter, vermeintlicher Entlastungszeuge ihr eine weitere Veruntreuung vorwarf - der die Staatsanwaltschaft nun nachgehen wird. Gestern kam es dann zum vorläufigen Höhepunkt: Roswitha S. lehnte Richter Mader wegen Befangenheit ab.

Am achten Verhandlungstag Ende Dezember hatte sich die ehemalige Steuerberaterin dann doch genötigt gesehen, ihr Schweigen zu brechen und "die Wahrheit" zu sagen. Es folgte "eine weitschweifige Einlassung", in der die 53-Jährige wie erwartet sämtliche Vorwürfe von sich wies und ihre Version der Dinge kundtat - die Richter Mader zufolge allerdings "nichts mit dem Sachverhalt zu tun hatte". Auch Staatsanwalt Dr. Alexander Ecker hatte knapp drei Stunden später genug gehabt und S. gebeten, damit aufzuhören, "solche Storys" zu erzählen. Seit dem stellte S. eine Reihe von Beweisanträgen. Diverse von ihr benannte Zeugen sollten sie entlasten.

Bereits 2013 verurteilte sie das Amtsgericht wegen Untreue in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sie hatte sowie Banken als auch Bau- und Grundstückinteressenten um insgesamt 320.000 Euro gebracht. Daraufhin legten Staatsanwaltschaft und Verteidigung Berufung ein. Seit September 2015 folgt nun die Neuauflage vor der Berufungskammer mit zunächst drei Verteidigern, von denen mittlerweile zwei das Handtuch geworfen haben, und zahlreichen Zuschauern, die nichts Gutes über die 53-Jährige zu berichten wissen. Die ehemalige Steuerberaterin sitzt seit 2012 in U-Haft wegen Verdachts auf weitere Vermögensdelikte.

Entlastungszeuge wird zur Belastung

Im Fall eines Immobilienmaklers, der 2011 gemeinsam mit S. an einem Bauvorhaben bei Rosenheim involviert war, ging der Schuss aber nach hinten los. Die 53-Jährige hatte in ihrem Beweisantrag die Behauptung aufgestellt, der 49-jährige Erdinger, dessen Steuerberaterin sie damals war, habe für die Zusammenarbeit mit ihr bei dem Bauvorhaben eine Provision von 10 000 Euro bekommen. Der Immobilienmakler wies dies empört von sich. "Die saubere Frau S". habe im Gegenteil ihn mit einer Rechnung über 29 000 Euro übers Ohr gehauen. Den Betrag hätte S. weiterleiten sollen, was aber nie passiert sei. Es sei überhaupt unvorstellbar, was da alles gelaufen ist. S. habe Leute manipuliert und durcheinandergebracht. "Da hat sich ja keiner mehr ausgekannt." Richter Mader bemerkte dazu, als der Zeuge den Sitzungssaal verlassen hatte, in Richtung der Angeklagten, dass sich ihre Situation im Prozessverlauf alles andere als verbessere. Am Donnerstag kam der Befangenheitsantrag gegen ihn.

Der Prozess wird am 29. Januar fortgesetzt. Ein Ende ist Mader zufolge derzeit nicht in Sicht. Roswitha S. ist mittlerweile auf dem besten Weg, in die Annalen der Justizgeschichte einzugehen.

Banken, Grundstückinteressenten, Immobilienmakler: S. soll sie alle um den Finger gewickelt haben

Wie berichtet war das Amtsgericht 2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass Roswitha S. Bekannten oder Mandanten, die sich mit Bauvorhaben trugen oder ein Grundstück verkaufen wollten, unentgeltlich ihre Dienste bei der Abwicklung der Geschäfte anbot und durch geschickte Täuschung auch der Banken nicht unerhebliche Geldsummen für sich behielt. Insgesamt soll sie sich rund 320 000 Euro unter den Nagel gerissen haben. S. ist Mutter von fünf Kindern, angeblich Besitzerin von 16 Pferden und lebt eigenen Angaben zufolge derzeit von Zuwendungen von Freunden.

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