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Warum Moralapostel nerven


Annalena Leitermann mag keine Moralapostel.

Annalena Leitermann mag keine Moralapostel.

Von Annalena Leitermann

Sie wissen ständig alles besser, müssen überall ihre Meinung äußern und denken, sie könnten mit ihren Ratschlägen die Welt verbessern: Moralapostel. Annalena Leitermann aus Eschlkam im Landkreis Cham hat die Schnauze voll: Sie rechnet mit den Besserwissern ab.

Ausgeglichenheit, Nächstenliebe und Toleranz sind die drei Kernsubstanzen einer harmonischen Gemeinschaft. Nur zu gut wissen wir, dass das selige Glück leicht zu zerstören ist. Besonders eine spezielle Gruppe bringt die Gesellschaft durcheinander: die sogenannten Besserwisser.

Oft predigen sie einem Tag und Nacht über Entscheidungen vor, die man selbst falsch getroffen hat. Aber auch die stetig wachsende Gruppe an Moralaposteln weiß es selbst nicht besser, sondern muss einfach ihren Senf dazu geben, obwohl sie keine Lösung für das Problem liefert. Stellen wir uns eine Situation vor, in der sich ein Junge von seiner Freundin getrennt hat und deshalb am Boden zerstört ist: Was würde der Besserwisser dazu sagen? Mit einem Heiligenschein um den Kopf und einem ausgestreckten, belehrenden Zeigefinger würde er sagen, dass der Junge selbst Schuld sei. Weiß der Besserwisser den Grund für die Trennung? Nein, er weiß ihn nicht. Trotzdem beharren die Redebedürftigen auf die Richtigkeit ihrer Worte und lassen keine andere Meinung zu. Mal davon abgesehen, dass sie sich selbst immer wieder in Schwierigkeiten bringen, die ohne ihre heraus posaunte Meinung erst gar nicht zustande gekommen wäre, zerren sie am letzten Nerv des Gesprächspartners.

Sich selbst überlegen fühlen

Oft jedoch steckt hinter der Persönlichkeit eines eitlen Pfaus nicht selten ein intelligenter Mensch mit einem starken Drang, seine Redebedürftigkeit unter Kontrolle zu bringen. Leider weiß die Person mit der Diagnose Moralapostolitis nichts von ihrer Krankheit oder ignoriert diese strikt, wenn andere auf die Beschränktheit der sozialen Entwicklung hinweisen. Ein Hauch von Autismus, keine Toleranz gegenüber anderen Meinungen und der pure Egoismus gelten als Symptome dieser Volkskrankheit. Die Abwertung des anderen nutzt dem Betroffenen insofern, sich selbst besser und überlegener zu fühlen, um das eigene Selbstbewusstsein zu verteidigen. Bereits Rousseau meinte, dass "die Beleidigungen die Argumente jener sind, die über keine Argumente verfügen", wodurch man behaupten kann, dass die Gruppe der Besserwisser schon seit Jahrhunderten existiert und auch noch in der unkontrollierbaren Zukunft existieren wird.

Gottähnliches Gefühl

Egoismus wird dennoch für die an Moralapostolitis leidenden Menschen ein großes Hindernis darstellen, das ihnen die Chance auf ein echtes Leben nimmt. Selbstverliebte Personen tun sich schwer mit gesellschaftlicher Akzeptanz und fördern diese erst recht nicht durch ihre teils unterirdischen Kommentare. Das gottähnliche Gefühl, das besonders bei starker Moralapostolitis erscheint, gibt den Patienten die Berechtigung, so zu handeln, dass sie auf die umstehenden Personen keine Acht geben müssen. Das gottähnliche Gefühl beeinflusst zudem das Selbstbewusstsein der Personen so stark, dass sie ohne die Predigten Minderwertigkeitskomplexe entwickeln würden. Somit hat der Egoismus nicht nur einen negativen Einfluss, sondern auch einen positiven Effekt, ohne den manche an ihrer Existenz zweifeln würden. Ob Journalist, Moderator oder Priester - man muss einen gewissen Grad an Besserwisserei an den Tag legen, um seiner Arbeit nachzukommen. Was würden jene Berufsgruppen ohne ihr zum Teil freches, falsches oder biblisches Hintergrundwissen tun? Nichts. Ohne ihre besserwisserischen Fragen wären sie arbeitslos und berühmte Persönlichkeiten wären um viel Aufmerksamkeit ärmer. Diese Wirkung bekommt beiden Gruppen nicht gut, oder?

Alte sowie neue Medien zielen nur darauf ab, die neuesten Neuigkeiten so zu formulieren, dass sie zum Redethema Nummer eins werden und somit die Aufmerksamkeit des Lesers an sich binden. Anstatt jedoch oftmals den Fokus auf die wirklich hochwertigen und richtigen Informationen zu legen, werden die Erstbesten genommen und dem Leser zum Klatsch des Tages vorgeworfen. Besserwisserei ist also die essenzielle Grundlage der meisten Journalisten und Reporter, wenn es darum geht, im Gespräch zu bleiben. Arbeit bleibt Arbeit.

Menschen, die es immer besser wissen, hat es in der Vergangenheit gegeben, gibt es noch heute und wird es auch noch in Zukunft geben. Wie kann man mit solchen Moralaposteln am besten umgehen? In dem Fall sind Ignoranz und Akzeptanz die einzig effektiven Mittel, da man mit Konfrontation nicht weit kommt. Trotzdem sind diese Menschen auch nur Persönlichkeiten mit Herz und Verstand, die sehen, hören und fühlen können.