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197 Tage später: Nach seiner Tor-Erlösung kämpft Bär um einen neuen Vertrag

Nach langer Tor-Flaute knipst Sechzigs Torjäger Marcel Bär wieder und erklärt: "Alle haben sich für mich gefreut". Lob von Sportchef Gorenzel.


Jubellauf über den halben Platz: Marcel Bär trifft nach langer Verletzungszeit und anschließender Sieben-Spiele-Flaute wieder.

Jubellauf über den halben Platz: Marcel Bär trifft nach langer Verletzungszeit und anschließender Sieben-Spiele-Flaute wieder.

Von Ruben Stark

Oldenburg/München - Marcel Bär war nicht mehr zu halten. Als seine Flaute endlich beendet war, raste der Torjäger der Löwen über den halben Platz - die Teamkollegen beim TSV 1860 hinter ihm her und von der Bank stürmten auch noch ein paar Entrückte in die Jubeltraube.

War das eine Befreiung für den 30-Jährigen, zumal er in dem Augenblick in der 83. Spielminute annehmen musste, dass sein Treffer zum 2:0 - Marke: Abstauber nach einem Lakenmacher-Abschluss - das Sechzig-Spiel in Oldenburg entschieden hatte. Aber es kam anders, und die Freude über das so ersehnte Erfolgserlebnis war nach dem 2:2 getrübt. "Momentan", sagte Bär unter dem Eindruck der enormen Enttäuschung, "ist es extrem bitter."

Mit ein paar Tagen Abstand wird für Bär dennoch bleiben, dass er diesen gordischen Tor-Knoten durchschlagen, dass er das Gefühl wieder erlebt hat, wie es ist, wenn sein Kerngeschäft funktioniert.

Am 27. Juli 2022 traf er im Auftaktspiel zur Drittligasaison gegen Dynamo Dresden zweimal - Ausdruck des Löwen-Traumstarts. Dann aber dauerte es 197 Tage oder sechs Monate und zwei Wochen, ehe auf den zweiten der dritte Saisontreffer folgen sollte - eine gefühlte Ewigkeit für einen Mittelstürmer.

Noch dazu, wenn man, wie bei Bär, wegen einer langwierigen Verletzung zum Zuschauen verdammt ist. Anders ausgedrückt standen zusätzlich zur ohnehin nervenden Zwangspause noch 414 Liga-Spielminuten ohne bäriges Tor. Eine quälende Zeit. "Für das Selbstverständnis ist es für jeden Offensivspieler wichtig, regelmäßig zu treffen. Von daher war es sicher sehr wichtig", sagte 1860-Sportchef und Interimstrainer Günther Gorenzel.

Im DFB-Pokalspiel gegen Borussia Dortmund hatte der gebürtige Niedersachse am 29. Juli 2022 einen Mittelfußbruch erlitten, bis zum Comeback in Bayreuth (0:1) vergingen exakt drei Monate Pause und Heranarbeiten an die Mannschaft.

Und statt das Gespür für Tore gleich wieder zu entdecken, begann beim oberfränkischen Aufsteiger ein zäher und steiniger Weg, auf dem Bär eine Menge investierte, um die Automatismen wiederzufinden, die ihm zum Drittliga-Torschützenkönig der zurückliegenden Saison werden ließen.

"Ich habe so hart gearbeitet wie noch nie zuvor in meinem Leben", sagte Bär im AZ-Interview vor dem Start ins neue Fußball-Jahr. Bär zeigte sich also da mit den Worten schon angriffslaunig.

Trotzdem dauerte es noch drei Spiele (einmal von Beginn an, zweimal eingewechselt) und 83 Spielminuten am vergangenen Sonntag, ehe der Lohn der Stürmer-Mühen kam. "Ich habe lange darauf gewartet, aber immer die vollste Unterstützung des Vereins und der Mannschaft gespürt", sagte Bär in den Katakomben des Marschwegstadions zu Löwen-TV und verwies auf den aus großer Erleichterung gespeisten Jubelorkan: "Alle haben sich für mich gefreut."

Und wer weiß, vielleicht kann Bär doch noch anschließen an die Rückrunde 2021/22, in der er traf, wie er wollte. 13 seiner 21 Tore fielen ab dem 22. Saisonspiel, allein sieben Treffer in den letzten fünf Begegnungen. Eine starke Quote, von der die Sechzger stark profitierten - und wieder profitieren würden.

Vielleicht sogar ausreichend, um den Rückstand auf die Aufstiegsplätze zu atomisieren: Sieben Punkte sind es auf den Zweiten SV Wehen-Wiesbaden, fünf auf den Relegationsplatz drei, den der nicht aufstiegsberechtigte SC Freiburg II innehat. Auf die direkten Rivalen 1. FC Saarbrücken und Waldhof Mannheim haben die Löwen zwei Punkte Rückstand.

Es ist also viel zu früh, eine abschließende Bewertung vorzunehmen, was die Saison des Stürmers betrifft. Und Gorenzel will Bär zudem nicht auf die Abschlusserfolge allein reduzieren. "Klar, misst die Öffentlichkeit die Stürmer primär an Toren. Aber ich bewerte den Stürmer nicht nur daran, er hat mehrere Positionsaufgaben, die wir ihm mitgeben", merkte der Österreicher an, um hernach ein Loblied auf Bärs Rückwärtsbewegung zu singen: "Wenn man sieht, wie ‚Cello' seine Aufgaben in der Defensive erfüllt hat, da kann ich nur meinen Hut davor ziehen."

Letztlich hat Bär bei allem Teamgedanken und Mannschaftsgeist aber auch ein ganz egoistisches Interesse, dass es wieder läuft. Wie bei zahlreichen Löwen-Profis läuft sein Vertrag im Sommer aus. Die Gespräche mit Sechzig laufen stetig, doch je besser der Gesamteindruck, desto üppiger das Angebot. So ist das Geschäft.

Irgendwann, das ist klar, sieht Bär seinen Lebensmittelpunkt in der alten Heimat. Bis dahin sind aber noch einige Löwen-Kapitel zu schreiben.