AZ-Interview

Chef der HWK über Bon-Pflicht: "Übers Ziel hinaus"


Noch mehr Zettelwirtschaft? Ab Neujahr gilt die Bon-Pflicht.

Noch mehr Zettelwirtschaft? Ab Neujahr gilt die Bon-Pflicht.

Von Sven Geißelhardt

Ab Januar gilt die Bon-Pflicht für jede Breze, jeden Cappuccino. Was halten die Handwerksbetriebe davon? "Bürokratie sorgt für Verdruss", sagt der Chef der HWK für München und Oberbayern zur AZ.

Sie sind oft lang, oft lästig, selten schaut sie einer daheim nochmal an - freilich gibt es auch Leute, die sie dort feinsäuberlich sortieren und abheften: Kassenzettel.

Ab Januar 2020, spätestens aber im Herbst kommenden Jahres, müssen Händler zu jeder Ware einen Bon aushändigen. Belegausgabepflicht heißt diese Neuerung, die Teil der Kassensicherungsverordnung ist, die Steuerbetrug an der Ladenkasse verhindern soll.

Viele Kunden regen sich über die Bon-Pflicht auf

Zu jeder Breze, jedem Espresso und jedem noch so kleinen Einkauf ein eigener Kassenbon?

Das regt viele auf: "Im Einzelhandel in Deutschland rechnen wir mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr", sagt etwa der Steuerexperte des Handelsverband Deutschland (HDE), Ralph Brügelmann. Wie sieht Frank Hüpers von der Handwerkskammer (HWK) die Belegausgabepflicht? Die AZ hat nachgefragt.

AZ: Herr Hüpers, ab 1. Januar 2020 gilt die Bon-Pflicht. Welche Art von Betrieb ist davon betroffen und wen trifft diese "Kassensicherungsverordnung" besonders hart?
Frank Hüpers: Die Kassensicherungsverordnung betrifft alle Geschäfte mit einem elektronischen oder computergestützten Kassensystem sowie Registrierkassen, wie etwa das Lebensmittelhandwerk, aber beispielsweise auch Friseure.

Wie hoch schätzen Sie die Mehrkosten ein, die vor allem auch kleineren Betrieben durch die Umrüstung auf Kassen mit technischer Sicherheitseinrichtung (TSE) und den Mehrbedarf an Bon-Papier und Tinte entstehen?
Die gesamten Mehrkosten sind schwer zu schätzen. Bei einem großen Bäcker oder Metzger mit vielen Filialen können aber alleine die Kosten für die Umrüstung der Kassen im sechsstelligen Bereich liegen.

"Der Staat schießt hier weit übers Ziel hinaus"

Ziel dieser Verordnung ist ja, Steuerbetrug einzudämmen. Denken Sie, die Bon-Pflicht ist dafür eine wirksame, sinnvolle Maßnahme? Reicht es nicht, wenn Umsätze in die Kasse eingetippt werden?
Ich denke, der Staat schießt hier weit übers Ziel hinaus. Der verpflichtende Einsatz einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung wäre meines Erachtens ausreichend, da der Geschäftsvorfall bereits durch die erste Eingabe in das Kassensystem unveränderbar gesichert ist. Mich stört vor allem, dass man den Unternehmern automatisch Unredlichkeit unterstellt und deswegen glaubt, ihnen permanent auf die Finger schauen zu müssen.

Was wäre Ihr Alternativvorschlag und warum?
Die Umrüstung der Kassen ist für die Handwerksunternehmen teuer genug. Hierbei sollte man es belassen und auf die Belegausgabepflicht ganz verzichten. Zwar besteht laut Gesetz die Möglichkeit, sich in gewissen Fällen davon befreien zu lassen, aber eine Befreiung durch die Finanzbehörden scheint in der Praxis noch nicht zu funktionieren.

"Die Bon-Pflicht wirkt kontraproduktiv"

Es ist paradox, auf der einen Seite will man umweltfreundlicher werden, soll Papier sparen, zahlt immer öfter bargeldlos, auf der anderen bedeutet doch diese Bon-Pflicht eine viel größere Zettelwirtschaft.
Sie sagen es! Außerdem: Was machen die Kunden mit dem Kassenbon für eine Breze oder zwei Paar Wiener? Der wandert doch sofort in den Müll. Es gibt zwar auch die Möglichkeit, die Kassenbons per E-Mail oder aufs Handy zu schicken, aber das ist ja noch komplizierter.

Wie reagieren die Mitglieder der Handwerkskammer für München und Oberbayern auf diese Neuerung?
Nicht nur auf diese Neuerung reagieren unsere Handwerkerinnen und Handwerker mit Verärgerung. Ihnen wird immer mehr Bürokratie aufgebürdet. Das sorgt gerade in kleinen und mittleren Unternehmen für Verdruss. Unsere Handwerker verbringen mittlerweile mehr Zeit mit dem Ausfüllen von Statistiken und der Dokumentation von Arbeitszeiten als mit ihrer eigentlichen Arbeit in der Werkstatt oder beim Kunden.

Was fordern Sie von der Politik?
Die Politik muss zusehen, dass sie jungen Leute die Selbstständigkeit schmackhaft macht und beispielsweise Bürokratie reduziert. Die Pflicht zur Bon-Ausgabe wirkt da natürlich kontraproduktiv. Vom Umweltaspekt ganz abgesehen.

Liebe Leserinnen und Leser, was halten Sie von der Bon-Pflicht? Schreiben Sie an leserforum@az-muenchen.de.

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