Darts-WM

Kein "Dessert zu Neujahr": Van Gerwen scheitert wieder

Er diskreditiert seine Gegner und hält sich für den Größten: Michael van Gerwen polarisiert in der Darts-Szene. Sportlich hat er seinen einstigen Status längst eingebüßt.


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Michael van Gerwen bei seinem letzten Einzug der Darts-WM 2024.

Von dpa

Diesmal wurde Michael van Gerwen von seinen großspurigen Ansagen brutal eingeholt. Von einem "Dessert zu Neujahr" hatte der Darts-Star vor dem Jahreswechsel bei seinem WM-Viertelfinalgegner Scott Williams noch gesprochen. Nach der heftigen 3:5-Pleite samt eigener miserabler Leistung war van Gerwen gar nicht mehr zum Scherzen zumute. Das fünfte Jahr in Serie ohne WM-Titel setzt dem einstigen Dominator schwer zu.

Mighty Mike verließ die größte Bühne der Welt nicht nur mit gequälter Miene, sondern offensichtlich auch geschwächt. Van Gerwens Management bestätigte niederländischen Medien, dass der dreimalige Weltmeister die Partie in London mit Magenproblemen und Übelkeit bestritten hatte. "Unglaublich. Das ist nicht der Weg, wie ich in 2024 starten wollte. Ich habe mein A-Game nicht erreicht, diese Niederlage trifft mich hart", schrieb der 34 Jahre alte van Gerwen auf X, vormals Twitter.

Van Gerwen wirkte abwesend

Auf körperliche Schwächen verwies van Gerwen, der den Alexandra Palace unmittelbar nach Spielende auf schnellstem Wege verließ, nicht. Sein indisponierter Auftritt mit miserabler Doppelquote und zahlreichen ungewohnten Fehlern irritierte aber die Experten, die Fans - und sogar seinen Gegner. "Das war nicht der Michael van Gerwen, den wir die vergangenen drei Spiele gesehen haben. Ich kann sagen, dass er nicht auf der Höhe war heute", sagte Williams am Montagabend.

Schon beim Aufwärmen habe van Gerwen abwesend gewirkt. Dieses Bild war dann auch auf der Bühne zu beobachten. Nach drei dominanten Siegen zum WM-Start war van Gerwen diesmal mit einem 3:5 gegen den krassen Außenseiter noch gut bedient. "Michael ist der beste Spieler unserer Generation. Ihn auf dieser Bühne besiegt zu haben, ist verrückt", sagte Williams, der nach Siegen über Danny Noppert, Martin Schindler und Damon Heta die vierte Überraschung bei dieser WM schaffte.

Nimbus immer mehr verloren

Van Gerwen wirkte nach seinen WM-Titeln 2014, 2017 und 2019 einst so, als könne er Darts-Legende Phil Taylor mit 16 WM-Titeln nacheifern. Doch in der Folge verlor der gelernte Fliesenleger Stück für Stück den Nimbus der Unbesiegbarkeit. Bei der WM gewannen plötzlich seine Rivalen wie Peter Wright (Schottland), Gerwyn Price (Wales) oder Michael Smith (England). 

Van Gerwen verlor beim größten Turnier des Jahres in denkwürdigen Endspielen (gegen Wright 2020 und Smith 2023) oder wurde anderweitig gestoppt. Bei der WM 2021 musste van Gerwen kampflos aufgeben, weil er kurz nach Weihnachten positiv auf Corona getestet wurde. Dass er bei der WM einen Auftritt hinlegt wie nun gegen Williams, hat man bei van Gerwen lange nicht mehr gesehen.

Verbale Attacke auf deutsche Spieler

Dabei wirkte der Mann mit dem grellgrünen Shirt wieder auf seinem absoluten Toplevel. Nicht nur sportlich, sondern auch am Mikrofon. Dem deutschen Profi Ricardo Pietreczko hatte er jüngst vorgehalten, dieser habe "überhaupt keine Eier". Ein Lieblingsthema für van Gerwen, schließlich hatte er schon vor der WM der "Sport Bild" gesagt, Deutschlands Nummer zwei Schindler habe "nicht die Eier wie Gabriel Clemens". 

Clemens selbst, im Vorjahr WM-Halbfinalist im Alexandra Palace, sei allerdings auch nur ein "Semi-Top-Spieler", wie van Gerwen anfügte. "Wenn er ein Top-Spieler wäre, würde er in der Premier League spielen. Oder hätte Major Turniere gewonnen", sagte van Gerwen. 2023 sieht es da auch für van Gerwen düster aus: Der einstige Dominator konnte kein einziges Ranglisten-Major für sich entscheiden.