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Didi Hamann: "Nagelsmann hat Paris St.-Germain ohne Grund Futter gegeben"

Die Partie gegen die Franzosen wirft ihre Schatten voraus: In der AZ Spricht Ex-Bayer Didi Hamann über die Chancen gegen PSG, die Causa Neuer - und das spannende Meisterrennen in der Bundesliga.


Didi Hamann spielte früher unter anderem auch für den FC Bayern.

Didi Hamann spielte früher unter anderem auch für den FC Bayern.

Von Maximilian Koch

München - AZ-Interview mit Didi Hamann: Der 49-Jährige spielte von 1989 bis 1998 beim FC Bayern. Heute ist er als Sky-Experte tätig.

AZ: Herr Hamann, nach drei Remis in der Liga hat der FC Bayern im DFB-Pokal in Mainz und nun in Wolfsburg zwei wichtige Siege gelandet. Wie stabil ist das Team zum Jahresbeginn?

DIDI HAMANN: Das ist eine gute Frage. Gegen Mainz hat Bayern es gut gemacht, die Mainzer hatten allerdings auch keinen guten Tag. In Wolfsburg hat Bayern viele Chancen zugelassen. Das wird Paris Saint-Germain nächste Woche in der Champions League ganz anders ausnutzen. Daher erwarte ich, dass Julian Nagelsmann mit drei Innenverteidigern spielen wird: Matthijs de Ligt, Dayot Upamecano und Benjamin Pavard. Auf den Außen João Cancelo rechts und Alphonso Davies oder Kingsley Coman links. Es ist ein zartes Pflänzchen Selbstvertrauen, das jetzt wieder gewachsen ist bei Bayern. Aber wirklich gefallen hat mir die Mannschaft in diesem Jahr noch nicht - außer in Mainz.

Liegt es auch an der Unruhe im Umfeld, dass Bayern nicht konstant spielt?

Vielleicht war es nach dem schwachen Start gar nicht schlecht, dass es Unruhe gab. So lag der Fokus plötzlich nicht mehr auf der sportlichen Leistung der Mannschaft, sondern auf den Dingen neben dem Platz. Die Ergebnisse stimmen jetzt auf jeden Fall.

Wie schätzen Sie die Situation rund um Manuel Neuer ein: Wird er nach seinen kritischen Interviews Kapitän bleiben?

Das kann ich mir kaum vorstellen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob er noch mal zurückkommt und sein altes Niveau erreicht. Wenn sich Yann Sommer in dieser Rückrunde nichts zu Schulden kommen lässt, wird er als Nummer eins in die neue Saison gehen. Neuer muss erst einmal wieder gesund und fit werden. Nur wenn er dann besser sein sollte als Sommer, hat er noch eine Chance, seine alte Position zurückzubekommen.

Und was ist mit Alexander Nübel, der noch bis Sommer an die AS Monaco ausgeliehen ist?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Nübel noch mal das Bayern-Trikot tragen wird. Dafür ist einfach zu viel passiert. Selbst wenn Bayern ihm sagen würde, dass er ab dem Sommer gleichberechtigt wäre mit den anderen Torhütern Sommer und womöglich Neuer, würde Nübel das wohl nicht machen. Er will die Garantie haben, die Nummer eins zu sein.

Gibt es sonst einen Keeper in der Bundesliga, der Neuer beerben könnte? Zuletzt wurde Dortmunds Gregor Kobel gehandelt.

Mir gefällt der Freiburger Mark Flekken sehr gut. Er macht kaum Fehler, strahlt Sicherheit aus. Und auch Florian Müller, früher bei Mainz, jetzt beim VfB Stuttgart, ist ein starker Keeper. Generell ist Deutschland bei den Torwart-Talenten aber nicht mehr führend, da sind andere Nationen wie die Engländer vorbeigezogen.

Wie sehen Sie die Entwicklung von Trainer Julian Nagelsmann, der an der Freistellung von Neuers Torwarttrainer Toni Tapalovic beteiligt war?

Nagelsmann hat es zuletzt ordentlich gemacht - auch in Sachen Kommunikation. Er hat seine Position sicher nicht geschwächt mit der Tapalovic-Geschichte, insgesamt verkauft er sich positiv. Nur die Aussagen über Paris Saint-Germain hätten nicht sein müssen.

Als er öffentlich in Frage gestellt hat, ob PSG-Star Kylian Mbappé tatsächlich verletzt für den Königsklassen-Kracher ausfällt oder ob es sich nicht doch eher um einen Bluff handelt. Paris-Trainer Christophe Galtier wies Nagelsmanns Aussagen zurück.

Genau. Das war wieder ein kleiner Ausrutscher von ihm. Nagelsmann hat PSG ohne Grund Futter gegeben.

Wie schätzen Sie denn die Chancen in diesem Champions-League-Achtelfinale ein?

PSG ist leichter Favorit. Die Mannschaft wird da sein, wenn es darauf ankommt, auch wenn es in der Liga zuletzt nicht optimal lief. Paris hat das verlorene Finale 2020 gegen die Münchner noch in Erinnerung. Das wird ein Brett für Bayern.

Wer ist Ihr Favorit auf den Champions-League-Sieg?

Ich lege mich fest: Eine englische Mannschaft schafft es in dieser Saison nicht, den Titel zu holen. Bayern hätte gute Chancen, wenn man Paris ausschalten könnte. Aber ich habe da so meine Zweifel.

Und wie sieht es in der Bundesliga aus: Werden wir nach zehn Bayern-Titeln in Serie einen neuen Meister erleben?

Das ist schon möglich. Borussia Dortmund hat einen Schub bekommen - auch durch das emotionale Comeback von Sebastien Haller. Der Franzose hat zuvor überall seine Tore gemacht, in Frankfurt, auch bei Ajax. Er kann die Bälle halten und sie an seine Mitspieler verteilen. Ich schätze Dortmund am gefährlichsten für Bayern ein, alle sind fit, da herrscht jetzt richtig Konkurrenzkampf. Doch es gibt auch noch andere Mannschaften, die in diesem Jahr Punkte gutgemacht haben. RB Leipzig ist ebenfalls stark und seit 18 Spielen ungeschlagen.

Bei Ihrem Ex-Klub FC Liverpool läuft es in dieser Saison überhaupt nicht gut. Ist eine Trennung von Trainer Jürgen Klopp im Sommer vorstellbar?

Liverpool wird Klopp nicht rauswerfen, dafür ist die Dankbarkeit ihm gegenüber nach all den Erfolgen zu groß. Es wird die Frage sein, ob Klopp von sich aus geht oder nicht - wie einst in Dortmund. Liverpool braucht im Sommer bestimmt fünf, sechs, sieben neue Spieler, um wieder konkurrenzfähig zu sein. Ich weiß nicht, ob die Klubführung Klopp diese Einkäufe gestattet. Es ist ein aufreibender, anstrengender Job, wieder eine neue Mannschaft aufzubauen. Ich weiß nicht, ob Klopp bereit dazu ist.

In England sind zudem die vermeintlichen Financial-Fairplay-Verstöße von Manchester City ein großes Thema, es könnte sogar einen Punktverlust geben.

Ich sage schon länger, dass etwas passieren muss. Es wird mit ungleichen Mitteln gekämpft, in der Premier League geht es ja zu wie im Wilden Westen. Da werden Milliarden an TV-Geldern gezahlt und trotzdem sind die Vereine defizitär. So kann es nicht weitergehen.

Sportlich läuft es für City auch nicht brilliant - trotz Tormaschine Erling Haaland. Warum?

Aus meiner Sicht hat Haaland ManCity nicht verbessert. Die Mannschaft hat einige Punkte und Tore weniger auf dem Konto als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison. Ich habe viele Spiele gesehen, in denen Haaland gar nicht richtig teilnimmt. Er braucht Raum, aber den hat City einfach nicht. Ich bin gespannt, wie das Champions-League-Achtelfinale gegen RB Leipzig ausgeht, das wird schwierig für City. Da brauchst du Spieler in Form, die Selbstvertrauen haben. Das ist aktuell nicht gegeben.

Und mit João Cancelo fehlt ein Weltklasse-Außenverteidiger, der nun für den FC Bayern spielt. . .

Ich habe es nicht verstanden, dass City Cancelo an einen direkten Champions-League-Rivalen abgegeben hat. Das hat mich sehr überrascht - und war zugleich ein toller Zug von Bayern.