AZ-Interview

Hannes Ringlstetter über den TSV 1860: "Löwen-Fan muss den Frust wegtrinken"


Kabarettist und Fußballfan: Hannes Ringlstetter.

Kabarettist und Fußballfan: Hannes Ringlstetter.

Von Bernhard Lackner

Hannes Ringlstetter spricht in der AZ über die Lage beim TSV 1860, die Leidensfähigkeit der Anhänger und seinen Lieblingsklub und Bayern-Erzfeind Nürnberg: "Rivalität braucht es im Fußball".

Hannes Ringlstätter ist gebürtiger Münchner und tätig als Kabarettist, Musiker, Schauspieler, TV Moderator und Buchautor. Im AZ-Interview erklärt der Nürnberg-Fan, weshalb er Geduld für Daniel Bierofka fordert, was ihn an den Löwen-Fans faziniert und warum Rivalität im Fußball wichtig ist.

AZ: Herr Ringlstetter, wo ist er?
HANNES RINGLSTETTER: Wo ist er denn?

Der Brasilianer?
Der Brasilianer? Vermutlich in Brasilien.

Ihr Spruch "Dann kaff' ma' an Brasilianer" aus einer Löwen-Comedy hat bis heute Kultstatus.
Dazu gibt es eine lustige Geschichte. Zwei, drei Jahre nach dieser Nummer haben mich die Löwen zu einem Zweitligaspiel gegen den FSV Frankfurt eingeladen. Ich habe aber in Braunau oder Simbach gespielt und musste abgeholt werden. Als wir zurückgefahren sind, habe ich zum Fahrer gesagt: "Für die Zweite Liga habt ihr aber ganz schön schicke Autos." Sagt er zu mir: "Ja, das ist das Auto von dem Brasilianer, aber der ist schon wieder weg." Welcher das war, weiß ich nicht mehr. (lacht)

Hannes Ringlstetter (li.) im Gespräch mit AZ-Reporter Patrick Mayer.

Hannes Ringlstetter (li.) im Gespräch mit AZ-Reporter Patrick Mayer.

Ringlstetter: Sechzig-Fans brauchen einen Typen wie Mölders

Mittlerweile geht es wieder bayerischer zu beim TSV.
Ich finde, dass das so richtig ist. Außer, dass die Frage ungeklärt ist, was dieser Investor da noch macht. Das weiß keiner. Ich finde richtig, dass sie den Daniel Bierofka zum Trainer gemacht haben. Und der Sascha Mölders ist zwar kein moderner Fußballer, hat aber eine Energie und Bock drauf, eine Mannschaft zu führen. Der hält seinen Steinschädel hin und dann knallt es mal.

Sie sind Kabarettist, denken sich in Charaktere hinein. Ist Mölders einer, den das Fußballvolk liebt?
Du brauchst in diesem sauber professionalisierten Sport Fußballer, denen man die Leidenschaft ansieht. Typen, die wie Mölders sagen, dass sie sich "zerreißen". Sechzger-Fans brauchen genau das, keine Schönspiel-Fußballer, das interessiert sie nicht. Sie sind Löwen. Arbeiterverein. Maloche.

Charakterkopf bei den Löwen: Sascha Mölders

Charakterkopf bei den Löwen: Sascha Mölders

Und Sie sind Fan des 1. FC Nürnberg. Wie tickt ein Clubberer?
Der Club hat nach den letzten zehn, 15 Jahren andere Möglichkeiten als Sechzig, das hauptsächlich ein Stadtteilverein ist. Im Umkreis von 50 Kilometer rund um Nürnberg hat in Franken jeder Sympathien für den Club, selbst dann, wenn er oder sie eigentlich Bayern-Fan ist.

Ringlstetter über 1860-Fans: "Diese Treue gibt es bei ganz wenigen Vereinen"

Sowohl Fans des 1. FCN als auch des TSV 1860 haben eine Abneigung gegen einen anderen Münchner Fußballverein.
Beim Club ist das nicht mehr so ausgeprägt, weil der Verein jahrelang vom FC Bayern profitiert hat, als dieser Spieler nach Nürnberg ausgeliehen hat (Mehmet Ekici, Breno, Andreas Ottl, Samuel Kuffour, d. Red.). Es gibt aber dieses Fankurven-Lied: "Uli (Hoeneß, d. Red.), wir essen deine Würstchen nicht." Rivalität braucht es im Fußball.

Bei Sechzig wird Rivalität immer ernst genommen. In der vergangenen Saison sind 14.000 Löwen zum Auswärtsspiel bei der zweiten Mannschaft des Clubs angereist.
Die Fanbase hat mich an den Sechzgern schon immer fasziniert. Was da alles passiert ist, könnte man schon meinen, dass die Fans irgendwann sagen: "Nein, ich hab' die Schnauze voll!" Diese Treue gibt es bei ganz wenigen Vereinen.

In der Vorsaison begleiteten 14.000 Löwen-Fans ihr Team zum Auswärtsspiel in Nürnberg.

In der Vorsaison begleiteten 14.000 Löwen-Fans ihr Team zum Auswärtsspiel in Nürnberg.

Bei Ihrem legendären Auftritt haben Sie einen Löwen-Fan nachgeahmt - den Sie verallgemeinert wie beschreiben würden?
Löwen-Fans haben eine Romantik des Underdogs. Sie wollen das gar nicht anders haben. Sie wollen nicht, dass zwei Saisons hintereinander alles gewonnen wird. Es gehört zum Wesen des Sechzgerfans, dass er sich immer wieder in Tälern des Schmerzes ergehen kann, den Frust wegtrinken muss. Wenn ein Sechzger und ein Bayern-Fan diskutieren, geht es immer darum, dass ein Bayern-Fan nicht weiß, was Leidenschaft ist, weil er nie gelitten hat.

Beim Löwen hat man den Eindruck, dass es um mehr geht: Giesing, Münchner Lebensgefühl, Heimat, Gentrifizierung, Stadtpolitik.
Es braucht so eine Stimme. Und die soll ruhig laut sein. Dass man mit seiner Stadt nicht alles machen lässt und sich dagegen wehrt. München tut es total gut, dass es diese Stimme gibt. Wenn man über den Giesinger Berg runter in die Stadt fährt, denkt man sich, dass es mal überall so ausgesehen hat. Außer vielleicht in Schwabing oder Bogenhausen. Ich verstehe, dass die Fans das konservieren wollen. Man kann nicht alles verhökern.

Ringlstetter: Der TSV 1860 muss sich regional aufstellen

Heimat ist für viele Löwen-Fans das Grünwalder Stadion.
Ich war bei mehreren Heimspielen der Sechzger in der Allianz Arena und habe mich jedes Mal gefragt: "Warum?" Das war ein Kas'. Erstens war es immer halbleer oder nur ein Drittel voll. Zweitens weiß man von Haus aus, dass es in der Arena schwierig ist, dass sich überhaupt was rührt. Du hattest bei den Löwen immer das Gefühl: Wir fahren da raus und wollen dort eigentlich nicht hin. Erste Liga wirst du aber im Grünwalder Stadion nicht spielen. Das ist aber auch okay so. Wenn du jede Woche eine Watschn bekommst, wäre das auch nichts.

Sie haben das Investorenthema angesprochen. Und einmal gemeint, dass, wenn ein Geldgeber beim Club kommen sollte, dann nur ein regional verwurzelter Investor.
Der Club und Sechzig täten beide gut daran, sich regional aufzustellen. Dann hättest du zwar zum Beispiel vier Sponsoren statt einem, aber wenigstens eine Bindung. Jahn Regensburg macht das nicht blöd. Der Jahn hat zwei Hauptsponsoren, die beide in Regensburg sitzen.

Abschließend: Was wünschen Sie als Clubberer dem TSV?
Dass der Bierofka bleibt und ein bisschen Zeit bekommt, etwas zu entwickeln. Dass sie in die Zweite Liga kommen, weil ich Bock auf die Derbys habe, auch gegen den Club (lacht). Und ich wünsche ihnen Spiele gegen Klubs, die aus ihrer Welt kommen: Gegen St. Pauli oder Darmstadt, gegen Klubs, die für was stehen. Mehr als die Zweite Liga würde ich ihnen gar nicht empfehlen. Ansonsten musst du viel Geld von zweifelhaften Menschen nehmen. Und wenn du das nicht tust, sitzt du vor demselben Scherbenhaufen wie vor acht Jahren.

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