Nationalspieler nur Reservist

FC Bayern: Goretzka wird für Flick zum Stimmungstest


Die Entscheidung gegen Augsburg ist unterwegs: Der eingewechselte Leon Goretzka (l.) erzielt den 2:0-Endstand.

Die Entscheidung gegen Augsburg ist unterwegs: Der eingewechselte Leon Goretzka (l.) erzielt den 2:0-Endstand.

Von Agnes Kohtz

Der Bayern-Profi sieht sich "in der besten Verfassung meiner Laufbahn", sitzt gegen Augsburg aber erneut auf der Ersatzbank. "Damit bin ich nicht glücklich. Da musst du die Faust in die Tasche stecken".

Leon Goretzka wirkte recht entspannt, als er in den Katakomben der Allianz Arena das 2:0 des FC Bayern gegen den FC Augsburg analysierte. Der Schein trog aber ziemlich. Denn innerlich brodelte es in dem Nationalspieler, der gegen den FCA zum wiederholten Mal nicht zur ersten Elf der Münchner gehört hatte.

Leon Goretzka sieht sich selber in Topform

"Ich bin wahrscheinlich in der besten Verfassung meiner gesamten Laufbahn", erklärte der 25-Jährige, der ja auch bei vermeintlich schwierigen gesellschaftlichen Themen klare Worte nicht scheut, dabei "offen und ehrlich" seine Sicht der Dinge benennt. Goretzka sprach in ruhigem Ton, trotzdem ließ er bemerkenswerte Sätze folgen.

In Anbetracht der persönlichen Topform, in der er sich wähnt, "bin ich natürlich nicht glücklich, wenn ich nicht von Anfang an spiele", sagte er - und formulierte gleich einen Ratschlag an sich selbst: "Im Endeffekt gilt es für mich, dies zu akzeptieren, das ist die Entscheidung des Trainers. Da musst du die Faust in die Tasche stecken, weiter an dir arbeiten und dich weiter anbieten." Als Goretzka das sagte, hatte er tatsächlich seine Hände zumindest in den Hosentaschen vergraben.

"Ich muss meine Leistung bringen, dann habe ich schon auch eine Berechtigung in der Startelf zu stehen", befand Goretzka. Dass sein Trainer Hansi Flick ihn aktuell nicht (mehr) zu seinem Stammpersonal zählt, "das wird man besprechen müssen", kündigte er an.

Momentan kein Stammspieler bei Bayern: Leon Goretzka.

Momentan kein Stammspieler bei Bayern: Leon Goretzka.

Intern, versteht sich. Auch Hasan Salihamidzic "ist das lieber unter vier oder sechs Augen". Der Fall Goretzka könnte schließlich zum ersten echten Stimmungstest für Flick, der ja eigentlich als Spielerflüsterer und -Versteher gilt, und das bislang so harmonische Binnenklima werden.

"Ich weiß, wie er das meint", sagte Sportdirektor Salihamidzic, "und ich weiß auch, dass er immer traurig ist, wenn er nicht spielt." Wenn Goretzka reinkomme, solle er es laut Brazzo "so machen wie heute: Gas geben und Tore schießen." Dann werde ihn der Trainer auch wieder aufstellen.

Gegen Augsburg war Goretzka nach seiner Einwechslung 20 Minuten vor dem Ende und schönem Zusammenspiel mit Serge Gnabry in der Nachspielzeit der Treffer zum 2:0 gelungen.

Schon beim 6:0 in Hoffenheim hatte er als Joker für den Endstand gesorgt. Bei seinem Startelfeinsatz im Pokalspiel dazwischen gegen seinen Ex-Klub Schalke (1:0) hatte er dagegen mehrere gute Möglichkeiten ausgelassen.

Leon Goretzka und Thomas Müller konkurrieren um Position

Wenn, dann ist Goretzka aktuell aber eher in offensiver Rolle im Mittelfeld gefragt. Nachdem das Experiment mit Thomas Müller als Stoßstürmer vor ihm gegen Schalke aber nicht wirklich gut funktionierte, konkurrieren die beiden nun wieder um die Position im offensiven Zentrum hinter der Spitze. Goretzkas Problem dabei: Der wiedererstarkte Müller hat seit Wochen zu seiner Bestform zurückgefunden und ist aktuell unverzichtbar. Und auch der Brasilianer Philippe Coutinho fühlt sich auf der Zehn eigentlich am wohlsten.

Unmittelbar nachdem Flick den Cheftrainerposten im November übernommen hatte, hatte der noch im defensiven Mittelfeld auf Goretzka vertraut. An der Seite von Joshua Kimmich verhalf der gebürtige Bochumer den Bayern dort zu Stabilität und verdrängte Thiago zwischenzeitlich auf die Ersatzbank. Auch der Spanier spielt nun allerdings wieder, "in bestechender Form", wie Flick kürzlich sagte. Genau wie Kimmich: "Die zwei machen das herausragend." Und sind ohne Wenn und Aber gesetzt.

Goretzkas Flexibilität ist aktuell mehr Fluch als Segen und wird ihm gewissermaßen zum Verhängnis. Er kann viele Positionen im Mittelfeld spielen, momentan ist aber weder offensiv noch defensiv eine feste für ihn frei. Die kommenden Wochen, speziell die nach der Länderspielpause, wenn Anfang April der Ligagipfel in Dortmund und die Viertelfinalspiele der Champions League sowie das Pokalhalbfinale anstehen, werden auch für Goretzka richtungsweisend.

"Das sind natürlich Spiele, warum du auch zu so einem Verein wechselst", sagte er auf AZ-Nachfrage, "da freut man sich extrem drauf." Wenn man dabei auch mitspielen darf.

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