Eriksen, Regenbogenverbot, Zuschauermassen

Der tiefe Fall der UEFA


Trotz der angespannten Corona-Lage in Großbritannien drängt die UEFA auf Zuschauermassen im Wembley Stadion.

Trotz der angespannten Corona-Lage in Großbritannien drängt die UEFA auf Zuschauermassen im Wembley Stadion.

Von sid

Der Fall Christian Eriksen, das Regenbogenverbot, das Drängen auf Zuschauermassen in den Stadien - die UEFA tut gerade sehr viel dafür, um ihren Ruf zu ramponieren.

Eigentlich galt die Europäische Fußball-Union (UEFA) immer als der "bessere" Verband. Während bei der großen Schwester FIFA nebenan in Zürich ein Skandal den nächsten jagte, schien in der Zentrale der Europäer in Nyon die Welt wenigstens halbwegs in Ordnung zu sein. Doch mit dieser Wahrnehmung ist es nicht erst seit der heftig kritisierten EM-Entscheidung in der Regenbogen-Frage vorbei.

Der UEFA wird aktuell unter anderem vorgeworfen, dass sie "jegliche Glaubwürdigkeit verloren" hat (Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth), ein "beschämendes" Verhalten an den Tag legt (Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter), einen "befremdlichen Umgang mit Werten" pflegt (Lesben- und Schwulenverband in Deutschland) und ein "falsches Signal" sendet (Außenminister Heiko Maas).

Imageverlust schon vor EM

Doch der Verlust des öffentlichen Ansehens begann schon weit vor der EM. Es ging damit los, dass die UEFA mit ihrem Präsidenten Aleksander Ceferin an der Spitze im Frühjahr den vorgesehenen Gastgebern die Pistole auf die Brust setzte. Mitten in der Corona-Pandemie forderte der Verband auf einmal Zuschauer-Garantien von den Spielstätten. Wer die nicht liefern wolle, sei raus.

Das dreiste Vorgehen wurde von vielen Kritikern als Erpressung gesehen. Da sich die Münchner nicht zur UEFA-Marionette machen lassen wollten, stand der deutsche Standort lange auf der Kippe. Am Ende rettete die Bayern wohl nur, dass es sich Ceferin und Co. nicht mit dem Gastgeber der nächsten EURO verscherzen wollten. Dublin und Bilbao dagegen, die das UEFA-Spielchen nicht mitmachen wollten, sehen die Endrunde nun aus der Ferne.

Das obskure Vorgehen hat dafür gesorgt, dass die UEFA stärker unter die Lupe genommen wurde. Nun wurde hinterfragt, warum sich die Autokraten-Regime in Aserbaidschan und Russland mit EM-Partien schmücken dürfen. Auch die Nähe des Verbandes zur rechtsnationalen ungarischen Regierung um Viktor Orban und Sponsorenverträge mit zwielichtigen Geldgebern gerieten in den Blickpunkt.

Die Kritik im Vorfeld der EM war allerdings nur ein laues Lüftchen im Vergleich zu dem, was seit dem Turnierstart über die UEFA hereingebrochen ist. Die Vorgehensweise im Fall des kollabierten Dänen Christian Eriksen, das Drängen auf einer erhöhte Zuschauerkapazität bei den Finalspielen in London trotz der Bedrohung in Großbritannien durch die Delta-Variante sowie das Verbot für die Regenbogen-Beleuchtung der Münchner EM-Arena hat massive Proteste ausgelöst.

UEFA von Kritik unbeeindruckt

Doch die harsche Kritik aus den Reihen der Politik, von verschiedenen Menschenrechtsgruppen, der Weltgesundheitsorganisation WHO und anderen Teilen der Gesellschaft ficht die UEFA offenbar nicht an. Von Präsident Aleksander Ceferin ist seit dem Beginn der Endrunde kein Ton zu hören, das deutsche Exekutivkomitee-Mitglied Rainer Koch macht wie schon zuvor national auch international keine gute Figur.

Die Wahrnehmung in weiten Teilen der Öffentlichkeit ist mittlerweile die, dass es der UEFA wie dem Weltverband FIFA in erster Linie um den Kommerz geht. Angesichts von erwarteten EM-Einnahmen in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro ist das auch nicht verwunderlich. Wenn es nach der UEFA geht, soll die Show einfach weitergehen - wenn möglich ohne störende Nebengeräusche. Doch das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen.