Landtagswahl

So stimmte Ostbayern in den spannendsten Wahlduellen ab

Aiwangers historischer Angriff auf das Landshuter Direktmandat, kein grünes Politbeben in Regensburg und ein ausbleibender Tag der Abrechnung der Gäuboden-Bauern mit der CSU: Wie die Wähler in der Region entschieden.


sized

Was wurde aus Ostbayerns Wahlkrimis zur Landtagswahl 2023: Unsere Übersicht zeigt die Auflösungen.

Bayern hat gewählt. Die Stimmen sind ausgezählt. Die meisten Ergebnisse liegen vor. In Ostbayern stellte sich schon vor dem Wahltag bei fünf Entscheidungen heraus, dass sie besonders spannend werden könnten und der genaue Blick lohnt. Hauptsächlich natürlich das Duell um Landshuts Direktmandat: Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, getragen vom Stimmungshoch nach der Flugblatt-Affäre, gegen den bisherigen direktgewählten CSU-Abgeordneten Helmut Radlmeier. Nun herrscht nicht nur hier Klarheit. Ein Überblick auf die Ergebnisse in Ostbayerns Wahlkrimis.

Aiwanger gelingt der historische Wahlsieg

Harte Wochen liegen hinter Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Nach seiner Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus seiner Schülerzeit drohte ihm der Rauswurf aus dem Kabinett Söder. Doch es kam anders. Aiwanger blieb als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident im Amt - und errang nun in einem historischen Wahlerfolg das Direktmandat im Stimmkreis Landshut.

Damit stürzte Aiwanger mit einem Vorsprung von 12,4 Prozentpunkten den bisher direkt gewählten Landtagsabgeordneten Helmut Radlmeier von der CSU. Der hatte noch 2018 mit einem Vorsprung von 2,8 Prozentpunkten vor Aiwanger gewonnen. Nun holt der Freie-Wähler-Chef aus Rottenburg mit einem Erdrutschsieg das Direktmandat (37,2 Prozent, Radlmeier 24,8 Prozent). Damit ist nun aus der Stadt Landshut selbst kein direkt gewählter Abgeordneter mehr in Land- oder Bundestag vertreten. Bundestags-Erststimmengewinner Florian Oßner (CSU) ist aus Velden.

Aiwanger zeigte sich am Wahlabend hocherfreut und tief berührt vom Wählervotum: "Ich bedanke mich für die großartige Unterstützung aus meiner Heimat", sagte Aiwanger im Gespräch mit unserer Mediengruppe. "Das bestärkt mich weiter für die Region zu ackern. Es ist nicht selbstverständlich, dass man nach dieser Affäre so von der Bevölkerung getragen wird." Das Direktmandat Aiwangers ist auch eine Zäsur für die Freien Wähler selbst: Erstmals gelingt ihnen ein Erststimmensieg bei einer bayerischen Landtagswahl.

Regensburg lässt grünen Traum vom Direktmandat platzen

Auch wenn die Stadt Regensburg eine grüne Hochburg bleibt, zum Mistol-Beben kommt es bei der Landtagswahl 2023 nicht: CSU-Direktkandidat Jürgen Eberwein holt im ersten Anlauf den Erststimmen-Sieg (30,2 Prozent) und verweist MdL Jürgen Mistol von den Grünen mit 23,8 Prozent auf Platz zwei.

Letzterer hatte bei der Landtagswahl 2018 den damals schwer angeschlagenen CSU-Kandidaten Franz Rieger fast im Rennen um das Direktmandat geschlagen. Der trat 2022 nach einer rechtskräftigen Verurteilung unter anderem wegen Erpressung in der Regensburger Parteispendenaffäre aus der CSU-Landtagsfraktion aus und nun nicht mehr zur Wahl an. Doch auch gegen den Landtags-Neuling Eberwein gelingt Jürgen Mistol die Sensation nicht, ein Direktmandat für die Grünen zu holen. Mistol muss sogar Verluste um gut einen Prozentpunkt hinnehmen. Als Listenzweiter der Grünen in der Oberpfalz dürfte dem Wiedereinzug Mistols ins Maximilianeum über das Zweitstimmenergebnis nichts im Wege stehen.

FW-Stimmungshoch auch im Epizentrum des Flugblatt-Affäre

Die Flugblatt-Affäre um Bayerns Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) rückte Mallersdorf-Pfaffenberg Ende August ins Zentrum des Skandals des bayerischen Landtagswahlkampfs: Am dortigen Burkhart-Gymnasium wurde im Schuljahr 1987/88 beim damals 16-jährigen Aiwanger eine antisemitische Hetzschrift im Schulranzen gefunden. Doch auf den Skandal folgte nicht der Sturz des Freien-Wähler-Chefs, sondern ein Höhenflug seiner Partei, die sich einer „Schmutzkampagne“ ausgesetzt sah.

Und das schlägt sich nun in Mallersdorf-Pfaffenberg in konkreten Wahlerfolgen für die Freien Wähler und ihren Direktkandidaten für den Stimmkreis Straubing-Bogen, Tobias Beck, nieder: Mit 44,02 Prozent konnte keine Partei mehr Zweitstimmen verbuchen. Für die Freien Wähler ein satter Zuwachs um mehr als 17,5 Prozentpunkte. Die CSU wird mit einem Minus von 11,5 Prozent abgewatscht und landet mit 26,28 Prozent weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz.

Auch Beck kann vom Hoch seiner Partei profitieren. 33,33 Prozent bei den Erststimmen reichen zwar nicht ganz an das Ergebnis seiner Partei heran. Doch immerhin kann er sein Erststimmenergebnis in seiner Heimatkommune im Vergleich zu letzten Landtagswahl 2018 um fast sieben Prozentpunkte verbessern. Nur CSU-Kandidat Josef Zellmeier schneidet mit 36,14 Prozent besser ab. Der Schauplatz der Flugblatt-Affäre ist also klar eine Hochburg von Aiwangers Freien Wählern.

Straßkirchens BMW-Ansiedlungsgegner strafen CSU nicht ab

Strafen enttäuschte Straßkirchner BMW-Ansiedlungsgegner die CSU für deren klare Haltung für das Werk des bayerischen Autobauers auf dem Gäuboden-Acker ab? Lange wurde darüber gerätselt. Von „Verrat“ an den Landwirten war die Rede. Nun herrscht Klarheit: Und von einer Stunde der Abrechnung in Straßkirchen kann nicht die Rede sein.

Mit einem Gesamtergebnis von 39,63 Prozent verzeichnete die CSU im Vergleich zu 2018 zwar einen Verlust von minus 6,59 Prozentpunkten. Doch im Vergleich zum Gesamtergebnis der CSU im Stimmkreis Straubing (37,46 Prozent) schneiden die Christsozialen in Straßkirchen besser ab.
Auch herbeiorakelte Wahlerfolge der Ökoparteien Grüne und ÖDP bleiben aus. Trotz fundamentaler Ablehnung des BMW-Werks auf Gäuboden-Acker bleibt die ÖDP bei 4,43 Prozent (plus 0,79 Prozentpunkt zu 2018), die Grünen verlieren 2,17 Prozentpunkte und können nur 4,58 Prozent der Gesamtstimmen in Straßkirchen verbuchen.

Die klaren Profiteure der Landtagswahl sind auch in Straßkirchen Freie Wähler (22,92 Prozent, plus 7,11 Prozentpunkte) und AfD (20,61, plus 4,68 Prozentpunkte). Dass dies ein Resultat der hitzigen Debatte der letzten Monate um das BMW-Werk ist, davon ist nicht auszugehen. Deckt es sich doch auch mit den Gesamtergebnissen im Stimmkreis Straubing.

Dominanz-Votum statt Wahlpleite für Staatskanzleichef Herrmann

Stanzkanzleichef Florian Herrmann (CSU) dürfte aufatmen. Klar verteidigt er sein Direktmandat im Stimmkreis Freising. Der Wahlkrimi mit den Kandidaten von Freien Wählern, Benno Zierer, und Grünen, Johannes Becher, fällt aus. Zu deutlich ist der Abstand zum Sieger Herrmann.

31,4 Prozent erhält der am Ende, vier Prozentpunkte mehr als 2018. Da reicht auch der Aiwanger-Effekt für MdL Benno Zierer nicht, um Herrmann den Sieg streitig zu machen. Zwar verbessert Zierer das Erststimmenergebnis für einen Freie-Wähler-Kandidaten im Stimmkreis Freising um einen Prozentpunkt auf 22 Prozent, für den Direkteinzug reicht das freilich nicht.

Das Erstimmenergebnis des Grünen Johannes Becher fällt sogar um im Vergleich zu 2018 um 5,4 Prozentpunkte auf 18,6 Prozent. Vom knappen Sieg Herrmanns 2018 ist bei dieser Landtagswahl kein Reden mehr. Dieses Votum der Freisinger Wähler ist ein Dominanz-Beweis.