Die Viererkette

Ein historisches Fußball-Team aus Pondorf: Vater, Tochter und Söhne Groß

Im 130-Seelen-Dorf Pondorf (Landkreis Straubing-Bogen) kommt es zu einer Fußball-Sensation: Hier werden vier Angehörige der Familie Groß - Vater, zwei Söhne und Tochter - bald zusammen in einem Punktspiel auflaufen.

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Bei einem Testspiel während des Trainingslagers der SpVgg Pondorf in Pilsen spielten Alex Groß ( r.) und drei seiner Kinder - Fabian (15), Magdalena (18) und Lukas (23, v. l.) - vor einigen Wochen schon mal zusammen.

Bei einem Testspiel während des Trainingslagers der SpVgg Pondorf in Pilsen spielten Alex Groß ( r.) und drei seiner Kinder - Fabian (15), Magdalena (18) und Lukas (23, v. l.) - vor einigen Wochen schon mal zusammen.

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Im Video erzählt Rainer Sobek aus der Straubinger Heimatsportredaktion, wie die Geschichte hinter diesem Türchen entstanden ist.

Der Ruhrpott-Kicker Reinhard "Stan" Libuda ist vor allem deshalb zur Legende geworden, weil er den berühmten Trick des englischen Rechtsaußen Sir Stanley Matthews ("links antäuschen, rechts vorbeigehen") so perfekt beherrschte, dass er nicht bloß Matthews' Vornamen sozusagen erbte, sondern sich Fans noch viele Jahre nach seinem Tod 1996 ehrfurchtsvoll zuraunten, wenn die Sprache auf ihn kam: "An Gott kommt keiner vorbei, außer Libuda." Von Libuda sind aber auch ein paar - teils unfreiwillig - lustige Anekdoten und Sprüche überliefert.

Eine davon: Borussia Dortmund lag in einem Freundschaftsspiel mit Libuda Ende der 1960er-Jahre in Moskau zur Halbzeit mit 0:3 zurück, was in kyrillischen Buchstaben auf der Anzeigetafel zu lesen war: 1:0 Mockba, 2:0 Mockba, 3:0 Mockba. Als Stan Libuda aus der Kabine zurück auf den Platz kam, machte er gegenüber dem Mitspieler Horst Trimhold seinem Ärger Luft: "Wenn den Mockba nicht bald einer deckt, dann haut er uns noch mehr rein!"

Das Groß-Aufgebot an der Seitenlinie. In Deutschland scheitert das Familientreffen auf dem Fußballplatz noch am strengen Reglement.

Das Groß-Aufgebot an der Seitenlinie. In Deutschland scheitert das Familientreffen auf dem Fußballplatz noch am strengen Reglement.

Ein solches Mockba-Erlebnis blüht in gar nicht allzu ferner Zukunft auch Gegnern der zweiten Mannschaft der SpVgg Pondorf-Oberzeitldorn (Landkreis Straubing-Bogen), wenn ihnen auf dem Platz auffällig viele Spieler und eine Spielerin mit dem Namen Groß auf dem Trikot begegnen. Vier Mitglieder dieser Familie - Vater Alexander, seine beiden Söhne Lukas und Fabian sowie Tochter Magdalena - werden demnächst gemeinsam bei einem Punktspiel auflaufen.

Ein paar Eventualitäten und Konjunktive enthält die Geschichte der fußballverrückten Groß-Familie zwar noch - hätte, hätte, Viererkette, sozusagen - , aber wenn es tatsächlich dazu kommt, wäre das etwas, das es zumindest in Deutschland so noch nicht gegeben hat.

Nach zweitem Spiel gleich in der "Elf der Woche"

Dass es die Großens und ihr Verein ernst meinen, daran bestehen jedenfalls keinerlei Zweifel. Seit dem Re-Start ihrer Klasse nach der Winterpause spielen Vater Alex und seine beiden älteren Kinder Lukas und Magdalena schon zusammen in der zweiten Mannschaft der SpVgg Pondorf. Und wer glaubt, die im Dezember 18 gewordene Magdalena sei nur die "Quotenfrau" bei den Pondorfern, sollte mal einen Blick auf die Ergebnisbögen riskieren: In den beiden Partien seither hat sie jeweils getroffen und wurde außerdem gleich in die "Elf der Woche" der Reserverunde gewählt.

Eine Exotin ist sie allerdings schon noch. Söhne, die in die Fußstapfen ihrer berühmten Väter treten, gibt es einige. Die Cruyffs, die Maldinis und die Lampards sind nur ein paar der berühmten Fußballfamilien, wobei es auch in den Kreisen praktisch nicht vorkommt, dass Vater und Sohn gleichzeitig spielten oder spielen. Anders im Amateurbereich, da kommen solche Familienkonstellationen ständig vor: Bruder mit Bruder, Bruder gegen Bruder oder Vater mit oder gegen Sohn - alles normal.

Als "ein Novum im Fußballkreis, wenn nicht in ganz Deutschland", bezeichnet das Portal fußball.de dagegen das, was sich vor einem Jahr, im April 2024, in Hessen, im Lokalderby der Friedberger Kreisliga C, Gruppe 1, zwischen der SG Oppershofen II und dem SVP Fauerbach II ereignete: Bei den Gästen aus dem Butzbacher Stadtteil lief mit Markus und Antonia Nickel vermutlich erstmals in Deutschland ein Vater-Tochter-Duo in einem Pflichtspiel auf. Augenzeugen berichten, dass die 23-Jährige und ihr 54-jähriger Papa gut harmonierten und auf der Doppelsechs vor der Dreierkette geschickt die Fäden zogen - die 1:2-Niederlage aber auch nicht verhindern konnten.

Möglich macht das Zusammenspiel von Vater und Tochter Nickel aus Hessen - genau wie das von Vater und Tochter Groß aus Niederbayern - ein im Juli 2023 vom DFB gestartetes Pilotprojekt, das noch bis 2026 laufen soll. Gut für Magdalena Groß, die der Unterschied, der im Fußball zwischen Männern und Frauen gemacht wird, schon immer störte und nur zu gern beweisen möchte, "dass wir Frauen trotz körperlicher Nachteile mit den Männern mithalten können".

Mit Sondergenehmigung ist Magdalena seit Anfang des Jahres in der ersten und zweiten Pondorfer Herrenmannschaft spielberechtigt - als erste Frau in der 58-jährigen Vereinsgeschichte, versteht sich.

In der Küche des Hauses der Familie Groß am Ortsrand von Oberzeitldorn, in der man sich trifft, um unter anderem darüber zu sprechen, geht es zu wie im Vereinsheim der SpVgg Pondorf nach einem Kreisklassenspiel. Im Minutentakt schwingt die Tür auf, herein kommen nach und nach: Lukas (23), sein Bruder Fabian (15), Schwester Magdalena (18) und - als Letzter, aber mit dem meisten Karacho - Nachzügler Jonas (11), fast alle, wie abgesprochen, im rot-weißen Pondorfer Vereinsoutfit. Alle setzen sich zu Papa Alex und Mama Sabrina an den Küchentisch. Außerdem haben dort bereits Platz genommen: Lukas' Freundin und Martin Bauer, einer von vier gleichberechtigten Vorsitzenden der SpVgg Pondorf - und ein bisschen die treibende Kraft hinter der fußballerischen Familienzusammenführung. Unter dem Tisch wuseln derweil die beiden Dackel Anika und Bailey zwischen den vielen Beinen herum. Die Katzen, lassen sich nicht blicken.

Lieblingsverein? FC Bayern, da sind sich alle einig

Wie im Vereinsheim bringen ein paar fußballspezifische Fragen das Gespräch schnell in Gang. Lieblingsverein? Ganz klar, der FC Bayern, da sind sich alle im Raum einig. Bester Spieler? Da gehen die Meinungen schon ein bisschen auseinander. Lukas und Magdalena sind für Lionel Messi, für Fabian ist es Joshua Kimmich, und Papa Alex fällt nach kurzem Überlegen Philipp Lahm ein. Das deckt sich alles übrigens grob mit den Positionen, die die vier selbst auf dem Fußballplatz bevorzugen: Lukas und Magdalena sehen ihre Stärken in der Offensive, Fabian spielt am liebsten rechter Verteidiger, und Alex Groß sieht sich am besten im rechten Mittelfeld aufgehoben. Und der beste Fußballer innerhalb der Familie Groß: "Das bin schon ich", sagt Lukas. Kein Widerspruch. Lukas ist der Einzige aus der Familien-Viererkette, für den das gemeinsame Spiel ein kleines Downgrade mit sich bringt: Der 23-Jährige ist Stammkraft in der ersten Pondorfer Mannschaft und sorgt mit seinen Toren dafür, dass die sich schon länger im gesicherten Mittelfeld der Kreisklassen-Tabelle hält. Zur SpVgg Pondorf ist er vor einigen Jahren nach einer kleinen Landkreistour mit Stationen in Parkstetten, Salching und Kirchroth zurückgekehrt - nicht zuletzt deshalb, um dort mit seinem Vater zusammen zu spielen.

Der, Vater Alex, spielt seit 1985, nur durch eine zweijährige Fußball-Auszeit unterbrochen, durchgehend in Pondorf. Mit seinen 46 Jahren kann er seine Stärken ("das Laufen") und Schwächen ("das Schießen") ganz gut einordnen. Die Fitness für seine regelmäßigen Einsätze in der SpVgg-"Zweiten" holt er sich auch dadurch, dass er jeden Tag mit dem Radl zur Arbeit nach Straubing fährt.

Durch Magdalena ist aus der "Groß-Achse", mit der Vater und Sohn schon eine Weile dem Pondorfer Spiel ihren Stempel aufdrücken, mittlerweile ein "Groß-Dreieck" geworden. Zum Fußball kam die einzige Tochter im Haus "so ungefähr mit acht", wie sie sagt - wenig überraschend durch den großen Bruder und den Papa. "Ich wollte schon damals immer mit den Buben spielen und beweisen, dass ich das kann." Beim FC Altrandsberg, dem SV Frauenbiburg und dem VfB Straubing musste die mittlerweile 18-Jährige diesen Wunsch aber erst mal hintenanstellen. Dass sich nun tatsächlich die Möglichkeit bietet, mit und gegen Männer zu spielen, und das auch noch bei ihrem Heimatverein und zusammen mit Vater und Bruder, findet sie "etwas Besonderes, das man wahrscheinlich nicht so oft erlebt".

Noch ein kleines bisschen besonderer wäre das Ganze, wenn auch noch der Vierte im Bunde, Magdalenas jüngerer Bruder Fabian, in die Mannschaft aufrücken dürfte. "Technisch hätte er das auf alle Fälle drauf", findet Lukas, der Fabian bei den B-Junioren des Vereins trainiert. Das Problem: Fabian wird im Sommer erst 16. Offiziell mitkicken bei den Großen darf er erst, wenn er volljährig ist - mit einer Ausnahmegenehmigung wahrscheinlich ein Jahr früher, also mit 17. "Da ist vorher leider nichts zu machen", schaltet sich Martin Bauer, der sich als SpVgg-Fußball-Boss in solchen Funktionärsdingen gut auskennt, in die Diskussion darüber ein: "Da würden wir eine fette Strafe durch den Verband riskieren."

Im Trainingslager in Pilsen haben sie's schon getan

Um als komplette Viererkette antreten zu können, müssen die Großens also noch ein Weilchen warten. Bis zu Fabians 17. Geburtstag im Juli 2026 - oder bis zum nächsten internationalen Einsatz der SpVgg Pondorf. Denn einmal hat das Quartett in einer offiziellen Partie tatsächlich schon zusammen gespielt, allerdings nicht auf DFB- oder BFV-Hoheitsgebiet, sondern in Tschechien, während des Wintertrainingslagers der SpVgg Pondorf vor ein paar Wochen in Pilsen. Lukas, der in einem Vorbereitungsspiel gegen den oberbayerischen SV Geroldshausen natürlich in der Startelf stand, ließ sich eigens auswechseln, um in der zweiten Halbzeit zusammen mit den drei anderen wieder eingewechselt zu werden.

Vater, Söhne und Tochter Groß in ihren strahlend weißen Trikots mit rotem Aufdruck, wie sie in der Abendsonne von Pilsen gemeinsam an der Seitenlinie stehen und auf ihre Einwechslung warten - das war schon ein ziemlich beeindruckendes Bild, das sich den Beteiligten an der Partie Anfang März bot. So beeindruckend, dass die Gegner in Ehrfurcht erstarrt wären, dann aber auch wieder nicht. Am Ende verloren die Pondorfer - trotz des Groß-Aufgebots. Wie hoch? Daran will sich keiner mehr so genau erinnern.

Mutter Sabrina hat - ganz mama-like - bisher vor allem die anderen reden lassen. Direkt angesprochen, sagt sie, dass sie selbstverständlich der allergrößte Fan ihrer Lieben sei. Obwohl sie, wie sie einräumt, von den Spielen gar nicht so viel mitbekommt, weil sie ja meistens am Kiosk steht und Wurstsemmeln und Getränke verkauft. "Aber wenn sie heimkommen, erzählen sie uns dann schon, wie es ausgegangen ist", fügt sie hinzu - und meint mit "uns" sich und Nesthäkchen Jonas. Der Elfjährige ist übrigens auch begeisterter Fußballer. Sprich: Aus der Familien-Viererkette könnte sogar eine -Fünferkette werden.

Irgendwann sind in der Groß'schen Küche alle Fragen beantwortet. Fast alle. "Du, Papa ...", druckst Magdalena verlegen herum. "Was soll ich eigentlich rufen, wenn ich auf dem Platz den Ball von dir haben will? Papa oder Alex?", rückt sie schließlich mit einer Frage raus, die sie offenbar schon länger mit sich rumträgt. "Auf dem Fußballplatz bin ich der Alex", antwortet er. Dann wäre das ja auch geklärt.

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