Aus Regensburger Gericht gesprungen

Verurteilter Mörder weiterhin auf der Flucht


Von Redaktion idowa

Der verurteilte Mörder Rachid Chouakri, der am Donnerstag aus dem Amtsgericht in Regensburg entkommen war, ist noch immer auf der Flucht. Der Täter sei europaweit in jeder Polizeistelle bekannt und mittlerweile werde international nach dem Mann gefahndet, so ein Polizeisprecher. Nun spricht auch der Anwalt des Flüchtigen.

Ob sich der 40-jährige Häftling noch in Regensburg befinde, sei völlig unklar. Weder der Einsatz von Polizeihubschraubern und Suchhunden noch die intensiven Ermittlungen im Umfeld des Gesuchten hatten bisher zum Erfolg geführt. Die Polizei ist im Regensburger Stadtgebiet weiterhin uniformiert und zivil präsent. Bis Montag gingen nach Angaben der Polizei über 151 Hinweise aus verschiedenen Teilen Deutschlands aus der Bevölkerung ein, die bereits abgearbeitet wurden oder noch werden.

Ein konkreter Hinweis auf den aktuellen Aufenthaltsort des Flüchtigen liege jedoch noch nicht vor. Im Lauf des Wochenendes waren in den sozialen Netzwerken Gerüchte kursiert, Rachid Chouakri würde sich in Schwandorf (Oberpfalz) aufhalten. "Es gingen diesbezüglich Hinweise ein", bestätigt ein Polizeisprecher auf Nachfrage unserer Mediengruppe. Doch hätten sich diese Hinweise nicht bestätigt. Ob der Mann bei seiner Flucht Helfer hatte oder sich etwa bereits ins Ausland abgesetzt habe, sei laut Polizei unklar.

Lesen Sie dazu auch: Bekannte Häftlinge: In Straubing sitzen die ganz schweren Jungs

Wie Polizeisprecher Florian Beck unserer Mediengruppe nach dem Vorfall am Donnerstag bestätigte, geschah die Flucht aus dem Amtsgerichtsgebäude in der Augustenstraße gegen 14 Uhr. Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in der Justizvollzugsanstalt Straubing musste Chouakri sich vor dem Amtsgericht verantworten. In einer Prozesspause am Donnerstag zog er sich nach Polizeiangaben mit seinem Verteidiger in ein Anwaltszimmer im Erdgeschoss des Gerichtsgebäudes zurück. Wie üblich seien der Jurist und sein Mandant alleine in dem Zimmer gewesen. Dem Angeklagten wurden für das Anwaltsgespräch laut einem Gerichtssprecher die Fesseln abgelegt. Diese Gelegenheit nutzte der 40-Jährige zur Flucht über ein Fenster in Richtung Dörnbergpark. Ob die spektakuläre Flucht geplant gewesen sein könnte oder der der verurteilte Mörder spontan handelte, ist ebenfalls völlig unklar. "Zu dieser Frage machen wir keine Angaben", so ein Polizeisprecher auf Nachfrage.

Gegenüber "Focus Online" äußerte sich nun Anwalt Moritz Schmitt-Fricke, der Strafverteidiger Chouakris, wie es genau zu der Flucht gekommen war. Da bei den vertraulichen Gesprächen zwischen Anwalt und Mandant in dem Zimmer im Erdgeschoss keine Justizbeamten oder Polizisten mit anwesend sein dürfen, sei der Raum inklusive des Fensters zuvor von einem Wachmann kontrolliert worden. Danach sei ein Beamter auf dem Weg vor das Fenster gewesen, um eine eventuelle Flucht zu verhindern. Ein weiterer Beamter wartete vor der Milchglastür des Besprechungsraums. Noch bevor der erste Beamte das Fenster erreicht habe, riss Chouakri plötzlich das Fenster auf und sprang aus dem Gebäude, so der Anwalt.

Anwalt Schmitt-Fricke habe sofort den zweiten Beamten vor der Tür informiert, der ebenfalls durch das Fenster sprang. Der Flüchtige war allerdings bereits verschwunden. Anwalt Schmitt-Fricke äußert in dem Artikel auch sein Unverständnis, warum ein Raum für derartige Gerspräche so ungesichert sein könne: "Einmal die fehlende Einsichtsmöglichkeit für das Wachpersonal wegen der Milchglasscheibe, andererseits die unverschlossenen Fenster."

Ein Sprecher des Amtsgerichts teilte am Montag auf Anfrage mit, die Richterin habe zuvor angeordnet, dem Angeklagten die Handfesseln abzunehmen, um ihm das Mitschreiben während der Verhandlung zu ermöglichen. Diese Anordnung sei nur für die Dauer der Hauptverhandlung erfolgt. Das Abnehmen von Fußfesseln sei durch die Richterin nicht angeordnet worden. Das Anwaltszimmer sei zudem nicht gesichert und für Besprechungen mit inhaftierten Angeklagten nicht konzipiert. Weshalb der Angeklagte das Anwaltszimmer ohne Fesselung betreten konnte, könne von hier nicht beantwortet werden, so der Sprecher. Das Zimmer werde bis auf weiteres nur für Rechtsanwälte und nichtinhaftierte Mandanten zugänglich sein.

Der flüchtige 40-jährige Chouakri gilt als gewalttätig und wurde unter anderem wegen Mordes und Raub mit Todesfolge rechtskräftig verurteilt. Einem Polizeisprecher zufolge hatte er bei einem Überfall auf ein Lottogeschäft in Nürnberg eine 76 Jahre alte Frau erwürgt.

Die Polizei fahndet seit der Flucht mit allen verfügbaren Kräften nach dem Flüchtigen: Zum Einsatz kamen und kommen Suchhunde sowie geschlossene Polizeieinheiten, auch ein Polizeihubschrauber kreiste über der Stadt. Nach Angaben eines Polizeisprechers hilft dieser dabei, den weiterhin eingehenden Hinweisen aus der Bevölkerung nachzugehen.

Detaillierte Angaben zu den Hinweisen sind aus ermittlungstaktischen Gründen nicht möglich. Die Polizeiinspektion Regenburg Süd hat ihre Kräfte erheblich verstärkt, die Suche nach dem Geflohenen wurde bereits am Donnerstag international ausgeweitet.

Nach Auskunft eines Sprechers des Polizeipräsidiums der Oberpfalz am Sonntagnachmittag wird weiterhin intensiv "mit allem was uns zur Verfügung steht" gesucht. Man könne aber nicht sagen, wo gesucht werde und welche Hinweise bisher eingegangen sind.

Polizei sucht weiterhin dringend Zeugen

Seit 2011 verbüßt Rachid Chouakri eine lebenslange Freiheitsstrafe. Nach Informationen der dpa soll er aktuell in der JVA Straubing inhaftiert sein. Am Donnerstag sollte er wegen einer Straftat in der Haftanstalt dem Amtsgericht Regensburg vorgeführt werden. Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in der Straubinger Justizvollzugsanstalt sollte der Mann am Donnerstag zu einer Verhandlung am Amtsgericht gebracht worden, sagte ein Gerichtssprecher.

Zeugen, die Hinweise zum Verbleib von Rachid Chouakri haben, sollen sich weiterhin unverzüglich über den Polizeinotruf 110 melden. Die Polizei warnt: "Sprechen Sie den Flüchtigen nicht an, sondern verständigen Sie die Polizei. Der Mann könnte gewalttätig reagieren."

Dieses Bild zeigt Chouakri am Tag seiner Flucht.

Dieses Bild zeigt Chouakri am Tag seiner Flucht.

Die Polizei nennt folgende Details zum Flüchtigen:

  • Name: Rachid Chouakri
  • 40 Jahre
  • Männlich
  • 1,76 Meter groß
  • Nationalität: algerisch
  • Braune Haut
  • Schlanke Figur, ca. 63 kg schwer
  • spricht Deutsch mit Akzent, Französisch, Englisch, Arabisch, Italienisch
  • schulter- bis ellenbogen lange, krause/wellige dunkle Haare
  • hohe Stirn
  • Vollbart
  • Brandnarbe Oberarm/Ellenbogen links
  • Schuhgröße 42
  • Bekleidung: kariertes Hemd mit roten Merkmalen, dunkle Hose, dunkle Sneaker mit weißer Sohle