Jahn-Trainer im Interview

Mersad Selimbegovic: "Würde uns eine gute Drei geben"


Trainer Mersad Selimbegovic hat den SSV Jahn erneut zum Klassenerhalt in der 2. Bundesliga geführt.

Trainer Mersad Selimbegovic hat den SSV Jahn erneut zum Klassenerhalt in der 2. Bundesliga geführt.

Mersad Selimbegovic blickt im idowa-Interview auf sein erstes Cheftrainer-Jahr beim SSV Jahn Regensburg zurück.

Hinter Mersad Selimbegovic liegt seine erste Saison als Cheftrainer der Profis des SSV Jahn Regensburg. Im vergangenen Sommer vom Assistent zum Chef befördert, führte der Nachfolger von Achim Beierlorzer den Jahn zum dritten Klassenerhalt in der 2. Liga in Folge. Der 38-jährige Bosnier entwickelte die Mannschaft weiter, machte sie flexibler und meisterte die vielen Spielerwechsel. Neben dem Platz überzeugte Selimbegovic mit seiner ruhigen und unaufgeregten Art. Im idowa-Interview spricht er nun über die zurückliegende Spielzeit, das Gerüst der Jahn-Mannschaft in der kommenden Saison und die Kapitänsfrage nach dem Abgang von Marco Grüttner.

Herr Selimbegovic, seit einigen Tagen ist die Saison vorbei. Wie läuft die Nachbereitung derzeit?
Mersad Selimbegovic: Ich kann Ihnen ein Beispiel geben: Am Dienstag saßen wir im Trainerteam mit Christian Keller elf Stunden zusammen. Wie jedes Jahr besprechen wir nach dem Saisonende, was gut war und was zu optimieren ist. Es ist immer ein Schlüssel für Erfolg, dass man selbstkritisch ist.

Was war das Ergebnis der Analyse, was hat zum erneuten Klassenerhalt geführt?
Selimbegovic: Entscheidend war unsere klare Spielidee, die wir auch mit einer fast runderneuerten Mannschaft relativ schnell gut umgesetzt haben und dass wir zuhause schwer zu besiegen waren. Zudem haben wir ein Wir-Gefühl entwickelt und haben uns auch in Phasen, als es mal nicht so lief, intern nie aus der Ruhe bringen lassen. Das, glaube ich, hat der Mannschaft Sicherheit gegeben und wir waren immer da, wenn es drauf an kam.

Wie haben Sie es geschafft, immer die Ruhe zu bewahren, auch wenn das Umfeld vielleicht mal unruhiger oder ungeduldiger war?
Selimbegovic: Das hat viel mit Haltung zu tun. Wir haben das ganze Jahr über Haltung gezeigt. In Tiefphasen genauso wie in Erfolgsserien oder im vergangenen Sommer, als wir uns von den vielen Spielerabgängen nicht irritieren ließen, oder in der schwierigen Corona-Unterbrechung. Wir haben immer das Beste daraus gemacht, waren zum Beispiel nach der Unterbrechung konditionell eine der stärksten Mannschaften.

Welche Note würden Sie dem Jahn für die abgelaufene Saison geben?
Selimbegovic: (überlegt) Darin bin ich ganz schlecht, zumal in Bosnien die Noten in anderer Reihenfolge vergeben werden, da ist eine Eins ganz schlecht. Ich glaube, ich würde uns insgesamt eine gute Drei geben, das ist in beiden Ländern ganz okay (lacht).

Wo haben Sie in der Arbeit mit der Mannschaft im vergangenen Sommer angesetzt?
Selimbegovic: Ich wollte der Mannschaft, speziell natürlich den Neuzugängen, möglichst schnell unsere Idee des Fußballs vermitteln. Daran haben wir das ganze Jahr über brutal viel arbeiten müssen, noch mehr als sonst. Pressen, Jagen, Umschalten. Wir haben viele Gespräche mit den Spielern geführt und wahrscheinlich so viele Einzelvideos erstellt wie noch nie beim Jahn, um die Spieler individuell im Sinne unserer Spielidee weiterzuentwickeln. Da muss ich auch meinem Trainerteam ganz viel Respekt zollen.

War es einfach, den Spielern die Jahn-Spielidee zu vermitteln?
Selimbegovic: Es ist für fast alle im ersten Moment ungewohnt. Ich kann mich an ein Gespräch mit einem Neuzugang über eines unserer wichtigsten Spielprinzipien erinnern. Der hat gesagt: Ich spiele eigentlich in der Viererkette, da kann ich doch nicht da vorne attackieren, da ist die ganze Seite offen. Ich habe ihm gesagt, dass er wenn es die Situation hergibt an der gegnerischen Eckfahne und eben nicht erst an der eigenen Eckfahne attackieren muss und dass, wenn er das tut, ein anderer Spieler die Seite zumacht, in dem Fall ein Innenverteidiger. Der Spieler kannte das so nicht. Als er dann aber in den Testspielen gesehen hat, dass das wirklich passiert, hat er sich mehr getraut. Hier haben uns auch klare Prinzipien geholfen, das heißt zum Beispiel: Was vor mir ist, gehört zu mir.

Mersad Selimbegovic über Sebastian Stolze, Verantwortung und die Kapitänsfrage

Welcher Spieler, egal ob Neuzugang oder nicht, hat Sie in seiner Entwicklung besonders überrascht?
Selimbegovic: Da könnte ich einige nennen und eigentlich rede ich sehr ungern über einzelne Spieler. Nehmen wir vielleicht den, bei dem es auch für viele Betrachter von Außen am offensichtlichsten ist, weil das Beispiel zeigt, wie sich ein Spieler individuell Schritt für Schritt weiter entwickeln kann. Nicht überrascht, aber sehr positiv angetan war ich von dem, was Sebastian Stolze gemacht hat. Wir wussten, dass er noch mehr drauf hat. Er gehörte in den vergangenen Jahren nicht immer zum Stammpersonal. Jetzt war er Stamm- und sehr oft auch Schlüsselspieler. Jetzt muss noch der dritte Schritt folgen, dass er diese Leistungen konstant über eine komplette Saison abruft.

Macht er diesen dritten Schritt denn beim Jahn?
Selimbegovic: (lacht) Ich gehe fest davon aus, oder habe ich etwas verpasst?

Verlassen werden den Jahn mit Marco Grüttner und Andi Geipl zwei Leitwölfe, die schwer zu ersetzen sein werden. Wer kann in diese Rolle des Mentalitätsspielers, der vorangeht, schlüpfen?
Selimbegovic: Viele sind dazu in der Lage. Wir haben Sebastian Stolze, Benedikt Gimber, Benedikt Saller, Max Besuschkow, Alex Meyer, Oli Hein, Wastl Nachreiner und weitere. Die haben in dem Geschäft alle schon was gesehen und erreicht. Wichtig ist, dass jetzt alle ein bisschen mehr machen. Spieler entwickeln sich auch, wenn man ihnen mehr Verantwortung gibt.

Braucht es einen klaren Leader oder verteilen Sie die Verantwortung auf mehrere Schultern?
Selimbegovic: Es braucht schon immer eine klare Hierarchie und Struktur. Dass alle gleich sind, das ist im Mannschaftssport nicht möglich. Es werden schwierige Situationen kommen, dann brauchst du Spieler, die aufstehen und sagen, wo es langgeht. Wir müssen abwarten, wie die Strukturen sind, wenn wir wieder auf dem Platz sind. Ich mag es ganz gerne, Sachen einzuleiten und dann zu schauen, wie sie sich entwickeln.

In den Spielen, als Marco Grüttner nicht von Beginn an gespielt hat, war Wastl Nachreiner der erste Nachrücker, der die Binde trug. Wird er der neue Kapitän?
Selimbegovic: Das ist eine Option. Aber wir haben noch ein paar Wochen ohne Training, um die Gedanken zu sortieren. Wenn die Vorbereitung läuft, werden wir sehen, wie es sich entwickelt.

Wie werden Sie den Kapitän bestimmen?
Selimbegovic: Ich muss das fühlen. Wenn ich mich jetzt festlegen würde und während der Vorbereitung merke, dass es nicht funktioniert wie gedacht, muss ich es wieder ändern. Ich mag es, wenn die Mannschaft denjenigen langsam nach oben bringt. Du merkst als Trainer, auf wen die Spieler hören und wem sie vertrauen.

Mersad Selimbegovic: Hier kann sich der Jahn noch verbessern

Was muss sich sportlich beim Jahn noch verbessern?
Selimbegovic: Wir sind vergangene Saison schon variabler geworden, das müssen wir fortsetzen. Jetzt geht es zum Beispiel darum, in den Pressinghöhen noch flexibler zu werden - dass wir mal am Fünfer und mal am Mittelkreis pressen, je nachdem, was der Gegner macht. Da ist es die große Kunst, dennoch immer die Aggressivität beizubehalten und permanent Druck auszuüben, auch wenn du es ein bisschen tiefer machst. Denn da tendierst du eher dazu, etwas abwartend zu agieren. Es reicht aber nicht, als Trainer zu sagen, wir machen jetzt das oder das. Es muss dann auch funktionieren.

Gibt es weitere Punkte, wo sich die Mannschaft verbessern kann?
Selimbegovic: Ja, das Spiel mit dem Ball. Wir haben eine Spielidee, in der wir möglichst schnell nach vorne kommen wollen, es gibt nur die Richtung nach vorne. Wir haben noch viel zu oft nach hinten gespielt, was auch an den noch fehlenden Automatismen in unserer neu zusammengestellten Mannschaft lag. Ballbesitz zwischen Torwart und den Innenverteidigern ist für mich kein Ballbesitz. Ein weiterer Punkt sind die Standards. Man sieht an vielen Mannschaften in der Liga, wie wichtig Standards sind. Wir haben insgesamt nur fünf Tore daraus erzielt, auch wenn wir zum Ende der Saison immer gefährlicher wurden. Standards sind die einfachste Situation im Fußball, um Tore zu erzielen.

Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial im Kader?
Selimbegovic: Man kann sich immer überall verstärken. Die Frage ist nur: Wo müssen wir das? Ich sehe uns auf vielen Positionen schon richtig gut aufgestellt. Zudem bleibt uns unsere Achse erhalten von hinten bis vorne, wenn ich zum Beispiel an Meyer, Saller, Nachreiner, Gimber, Besuschkow, Stolze und Albers denke. Das ist schon ein gutes Fundament, zu dem noch mehr gehören. Corona macht die ganze Suche nach Verstärkungen ja auch nicht leichter, wenn man nur bedenkt, dass beispielsweise in den Regionalligen, einem unserer Scoutinggebiete, seit Monaten nicht mehr gespielt wird.

Es gibt junge Spieler in Ihrem Kader wie Tom Baack und Nicolas Wähling, die bislang wenig gespielt haben. Trauen Sie es ihnen in der kommenden Saison zu, den Durchbruch zu schaffen?
Selimbegovic: Es sind oft nur Kleinigkeiten, die gerade bei jungen Spielern den Ausschlag geben. Mal fehlt die Cleverness, mal das Durchsetzungsvermögen. Beide haben ihre Stärken und Punkte, in denen sie sich noch entwickeln müssen. Wichtig ist, dass sie bald mit dem Spielen beginnen. Wenn du mit 22, 23 Jahren nicht regelmäßig spielst, kann es passieren, dass du nur ein Talent bleibst. Schauen wir mal in der Vorbereitung, ob sie näher an die erste Elf heranrücken können. Das Zeug dafür haben sie, jetzt müssen sie es umsetzen. Jedes Training, jeder Tag ist dafür eine neue Chance.

Mit Marc Lais spielte ein Akteur fast keine Rolle, der lange zum Stammpersonal gezählt hat. Hat er noch eine Zukunft beim Jahn?
Selimbegovic: Von unserer Seite ist es klar: Jeder, der hier unsere Werte lebt und alles für den Jahn gibt, wird nie gesagt bekommen, dass er gehen muss. Sollte vorherzusehen sein, dass die persönliche Situation des Spielers nochmal so sein könnte, muss er für sich beantworten, ob es Sinn macht oder ob es keinen Sinn macht. Das gilt für Marc, genauso wie für andere. Ich kann keinem einzigen Spieler etwas versprechen, erwarte aber, dass unsere beiden Anforderungen von allen erfüllt werden. Im Fußball gibt es einfach einen Konkurrenzkampf. Die Spieler, die sich durchgesetzt haben, die haben sich auch zurecht durchgesetzt. Wenn man sieht, wie wir vergangene Saison unterwegs waren und welche Ergebnisse wir geholt haben, dann haben es diejenigen, die viel gespielt haben, auch wirklich gut gemacht. Gerade auf der Sechs war die Konkurrenzsituation enorm. Am Ende können nur zwei spielen. Das ist auch eine Position, auf der du nicht ständig wechselst.