Die kämpferischen Igel

Club-Mate statt Stricknadeln: Die Grüne Jugend heute


Will Stacheln setzen: Matthias Ernst (19 Jahre) von der Grünen Jugend. (Foto: sos)

Will Stacheln setzen: Matthias Ernst (19 Jahre) von der Grünen Jugend. (Foto: sos)

Latzhosen, Strickpullis und Vollbärte - so zogen die Grünen vor 30 Jahren, im März 1983, erstmals in den Bundestag ein. Heute ist die einstige Chaostruppe, die aus der Friedens- und Antiatomkraftbewegung entstanden ist, längst etabliert und liegt in Umfragen bundesweit bei stabilen 15 Prozent. Anlässlich des runden Geburtstages wollten wir von Matthias Ernst (19) von der Grünen Jugend in Straubing wissen, wie viel von dem damaligen Zeitgeist in den Grünen von heute noch steckt. Die Grüne Jugend ist die Jugendorganisation der Grünen.

Herr Ernst, das Logo der Grünen Jugend ist ein wütender Igel. Wie viel Wut steckt in der Grünen Jugend?
Matthias Ernst: Der Igel ist unser Maskottchen. Es ist ja einerseits ein Tier, das ein bisschen verschlafen ist. Andererseits ist der Igel immer dann, wenn es darauf ankommt, mit seinen Stacheln da. Die Grüne Jugend sieht sich als eigenständiger, kritischer, unabhängiger Verband, der die Stacheln in die Partei setzt. Ich würde aber nicht von Wut sprechen, eher von freundlich kämpferischer Laune. Der Igel zeigt sich kämpferisch.

Sie sind 19 Jahre alt. Wann und wie haben Sie zum ersten Mal von den Grünen gehört?
Ich bin ein Kind der rot-grünen Regierung und habe mich schon immer für gesellschaftliche Themen interessiert. Im Wahlkampf 2009 habe ich mich über die verschiedenen Parteiinhalte informiert und für mich haben sich die Grünen herauskristallisiert. Überzeugt haben mich vor allem der Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekt. Außerdem ist der Vorteil einer kleineren Partei wie den Grünen, dass man da von Anfang an mitmachen und etwas bewirken kann. Ich bin gleich stellvertretender Kreisverbandsvorsitzender geworden und wurde jetzt als Direktkandidat für die Landtagswahl aufgestellt.

Was denken Sie, wenn Sie heute Bilder von den ersten Bundestagsabgeordneten in Latzhosen, Strickpullis und mit langen Haaren sehen?
Ich finde die Bilder sympathisch. Ich würde mir mehr von dieser Unangepasstheit in der heutigen Zeit wünschen. Die Grünen haben nachhaltig sehr viel bewirkt und mit der verkrusteten Männerdomäne aufgeräumt.

Gibt es bei der Grünen Jugend heute auch einen Dress- und Lebensstilcode?
Die Grüne Jugend ist ein alternativer Jugendverband. Die Mitglieder sind höchstens 28 Jahre alt. Anzug und Hemd findet man quasi gar nicht, die Mehrheit tritt als Berliner Hippie in knallbunten Klamotten auf. Wenn ich zu einem Bundeskongress fahre, drucke ich mir gar nicht erst die Anfahrtsbeschreibung aus. Am Bahnhof erkenne ich sofort, wer auch dorthin will.

Was ist sonst noch typisch?
Auf Kongressen ist das Essen komplett vegan. Das hat den Effekt, dass sich manche erst mal eine Wurst kaufen, wenn die Veranstaltung zu Ende ist. Ein weiteres Kennzeichen ist Club-Mate, dieses Getränk gibt's immer bei der Grünen Jugend.

Worin unterscheiden sich die Grünen von vor 30 Jahren mit den Grünen heute?
Das kann man so pauschal nicht beantworten. Was die Grüne Jugend betrifft, ist es so, dass sie in ihren Forderungen meistens radikaler als die Partei ist. Wichtige Themen sind beispielsweise Gleichberechtigung, bedingungsloses Grundeinkommen und eine liberalere Drogenpolitik. Der Jugendverband wird oft als das Gewissen der Partei bezeichnet, der die Älteren an ihre Wurzeln und Positionen erinnert. Die Grüne Jugend arbeitet dabei viel mit Visionen. Das wird bisweilen kritisiert. Vor lauter Visionen vergisst sie die einzelnen Schritte dorthin.

Welche Themen liegen Ihnen als Niederbayer besonders am Herzen?
Mich beschäftigt vor allem das Thema Landwirtschaft. Ich setze mich dafür ein, Massentierhaltung zurückzufahren und Bio-Landwirtschaft auszubauen. Außerdem liegen mir die Themen Flüchtlings- und Bildungspolitik am Herzen.