Landkreis Regensburg

Bernauer-Festspiele: Zu Gast bei den Proben

Eindrücke aus der neuen "Kerker-Szene"


Schmerzen der Gefangenen, der hin- und hergerissene Herzog, ein sentimentaler Kerkermeister - die Szene 26 ist geprägt von großen Gefühlen.

Schmerzen der Gefangenen, der hin- und hergerissene Herzog, ein sentimentaler Kerkermeister - die Szene 26 ist geprägt von großen Gefühlen.

Von Marion Bremm

Noch zwei Wochen, dann beginnen die Agnes-Bernauer-Festspiele. Es wird bereits fleißig geprobt. Gäuboden aktuell war bei der völlig neu konzipierten "Kerker-Szene" dabei.

Andreas Wiedermann schreit. Er geht leicht ins Hohlkreuz und brüllt den strahlend blauen Himmel an. Wenige Sekunden später zieht er sein schwarzes T-Shirt zurecht und blickt vor sich auf die Bühne. Er trägt ein Pflaster auf dem Nasenrücken. Bei einer vorherigen Szene wurde Wiedermann von einem Schwert getroffen. "So schreie ich, wenn ich Schmerzen habe. Eure sind aber in der Szene noch viel stärker. Das müsst ihr zeigen", sagt der neue Regisseur der diesjährigen Agnes-Bernauer-Festspiele.

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Der Kerkermeistergehilfe peitscht den Gefangenen-Darsteller Rupert Kohlhäufl aus.

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Es kommt zum Eklat: Herzog Ernst fällt über die Bernauerin her.

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Florian Schmiegelt als gehandicapter, "grottenolmartiger" Kerkermeister.

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Regisseur Andreas Wiedermann gibt dem Kerkermeister Anweisungen.

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Nachdem Agnes Bernauer Herzog Ernst in die Hand gebissen hat, bleibt er fassungslos ob ihrer Frechheit am Boden liegen. Die Kerkermeister und -gehilfen sind ebenfalls geschockt.

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In den "Zellen" wird kräftig gepeitscht.

Seit einer knappen halben Stunde wird die Szene "Kerker" geprobt, diese gab es noch nie. Die Wehlaute der Gefolterten sind laut Wiedermann ausbaufähig. Die fünf Darsteller auf der Bühne gehen zurück auf Position, konzentrieren sich.

Zombies bei den Festspielen ...

Das Wort "Kerker" löst Assoziationen aus: schmutzig, bedrohlich, weit unter der Erde. Genau diese Gefühle sollen auch während Szene 26 entstehen. Deshalb wird der "Kerkersound", wie ihn Wiedermann nennt, in den folgenden zwei Stunden eine zentrale Rolle spielen. Die Schauspieler müssen und werden sich vollkommen verausgaben.

Wiedermann klatscht in die Hände. "Stellt euch jetzt Eingangsmusik vor - und dann möchte ich wirkliche Schreie hören!" Was man hört, ist klägliches Wimmern. Wiedermann grinst, er wirkt entspannt, obwohl die Zeit eigentlich drängt. In zwei Wochen ist Premiere. "Ok Leute, Plan B, das spielen wir ein. Das klingt immer noch wie lustvolles Gestöhne", gibt Wiedermann als Marschroute vor. Sichtlich angetan ist der Regisseur aber von der nonverbalen Darbietung. Die Foltereinlagen sähen bereits wunderbar aus. Etwas Sadismus muss sein. Denn die Festspiele, die dieses Jahr vom 21. Juni bis 21. Juli stattfinden, warten auf mit neuen Szenen und Rollen. Wiedermann ist jemand, der sich traut, Bekanntes umzuwerfen - alles getreu seinem Motto "Sex, Crime und Rock'n'Roll".

Die Statisterie steht, es geht weiter mit dem ersten Textbeitrag. Herzog Ernst (verkörpert von Franz Aichinger): "Ich wollte ihr nicht noch einmal in die Augen blicken ..." Andreas Wiedermann zupft an seiner Sonnenbrille, stoppt. Was ihm fehlt, ist ein Gefangener. Aufgefallen, als Ernst die Bühne betreten hat. Der Regisseur sucht einen, der Schmerzen ertragen kann. Zufällig läuft Schriftführer Rupert "Rupi" Kohlhäufl am Regietisch vorbei. Er hat heute eigentlich keinen Auftritt. "Rupi, häng dich bitte mal andreaskreuzartig in die Ecke!" Dieser zögert nicht lange, springt auf die Bühne und reißt sich sein Hemd vom Leib. Ein solcher Einsatz gefällt dem Regisseur, er verschränkt die Arme, lächelt.

Szenen entwickeln sich allerdings erst im Spiel. Es sieht zwar bereits authentisch aus, wie "Rupi" im Torbogen den Gefangenen mimt und von Kerkermeistergehilfe Wolfgang Wagner "richtig schön ausgepeitscht" wird. Aber Wiedermann winkt immer wieder ab. "Du bist The Living Dead, Rupi, du kannst das noch intensiver." Und er ist auch jemand, der den Kerkersound bringt. Ein Schrei, der den schmalen Regisseur zusammenzucken lässt: "Habt ihr das gehört?"

… und auch ein Grottenolm ist dabei

Bis die Schlüsselszene des Kerkers kommt, muss man sich in einer ersten Probe wie dieser wahrlich gedulden. Immer wieder werden kleine Einheiten wiederholt. Was dem Zuschauer möglicherweise gar nicht auffällt, rückt der Regisseur in den Mittelpunkt. Allein der Aufgang des Kerkermeisters, dargestellt von Florian Schmiegelt, wird fünfmal geprobt. Für Wiedermann muss dieser "grottenolmartig" sein. Ein Grottenolm hat einen aalähnlichen, fast farblosen Körper. Soll Schmiegelt also schlingernd und unauffällig auf die Bühne kommen? Genau so: Hinter dem rechten Baum ist der neue Aufgang des körperlich gehandicapten Kerkermeisters, sodass ihn der Zuschauer nicht direkt sieht.

Er holt anschließend Agnes Bernauer (von Kristina Kohlhäufl gespielt) aus ihrer Zelle. Passend dazu ziehen Wolken auf, Donnern ist zu hören. Agnes trägt ein weißes Büßerkleid, die langen blonden Locken sind noch zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie wird von den "Gehilfen" auf die Bühne geworfen. Herzog Ernst brüllt auf sie ein, versucht, ihr seinen Sohn Herzog Albrecht auszureden und sie damit vor dem Tod zu retten. Andreas Wiedermann fährt sich wortlos durch das Haar.

Brutal und noch nie dagewesen

In diesem Jahr ist Agnes Bernauer äußerst selbstbewusst angelegt. Deshalb ist auch die einzige Rettung, der Gang in ein Kloster, keine Option für sie. Sie weiß, was sie will und sie "werde morgen als Albrechts Frau in den Tod gehen. Erhobenen Hauptes." Und dann unterbricht Wiedermann doch. Es geht allerdings um das Thema des Tages:"Stopp, stopp, stopp. Auf den letzten Satz möchte ich die Gefangenen aufheulen hören. Ihr müsst mitspielen, dabei sein!" Agnes wiederholt den Satz, die Darsteller schreien. "Jap," sagt Wiedermann lapidar. Er scheint bereits gedanklich bei dem nun folgenden Höhepunkt der Szene zu sein.

Agnes Bernauer kniet. Hinter ihr steht Herzog Ernst. Bedrohlich, im königsblauen Mantel mit weißem Pelzbesatz, gierigen Blickes. Dieser wirkt menschlich - anders als in den Jahren zuvor, als er gottgleich verkörpert wurde. Er streicht der Baderstochter mit dem Zeigefinger über das mittlerweile offene Haar. Legt seine Hand auf ihre Schulter. Agnes rückt angewidert ab, kommt aber nicht weit. Herzog Ernst packt sie grob an den Schultern. Eine Hand fährt an ihren Oberschenkel. Seine Wange berührt ihren Mund. "Und jetzt: laut, laut, explodieren" - Andreas Wiedermann springt vor der Bühne auf und ab, feuert die beiden an, möchte fast selbst eingreifen. Agnes beißt Ernst in die Hand, er stürzt und jault auf vor Schmerz. Stille. Sie blicken sich an. "Dein Herzog hat sich vor dir erniedrigt, wie noch vor niemandem sonst!" Ernst verharrt apathisch auf der linken Seite. Der Regisseur bleibt stehen, legt einen Finger an den Mund, nickt dreimal.

So etwas gab es bei den Agnes-Bernauer-Festspielen noch nie, möchte man rufen. Oder passenderweise schreien. Denn über dem Innenhof des Herzogsschlosses herrscht nach dieser Szenerie eine gebannte Stille.

Regisseur: Ein kraftraubender Beruf

Der Rest von Szene 26 läuft ruhig ab, der Himmel hat sich auch wieder beruhigt. Die Sonne scheint. Wiedermanns Kommentare werden weniger. Eine Unterbrechung hier, ein "ja, gut!" da. Bis er beschließt: "Wir haben es geschafft - vergesst eure Hackebeilchen nicht auf der Bühne." Regisseur Andreas Wiedermann ist sichtlich erschöpft, das Gesicht gerötet. Morgen wird Agnes Bernauer vor das Gericht geführt. Und der Regisseur ist sicher wieder mit Herzblut und Körpereinsatz dabei.

Die Agnes-Bernauer-Festspiele finden vom 21. Juni bis 21. Juli im Innenhof des Herzogsschlosses statt. Karten gibt es im Leserservice des Straubinger Tagblatts, Ludwigsplatz 32, Tel. 09421/940-6700 und online unter www.ok-ticket.de.