Nach Berufung
Verfahren im Campingplatz-Drama in Viechtach eingestellt
21. Februar 2024, 9:23 Uhr
Es geschah im Dezember 2021. Auf einem Campingplatz bei Viechtach verstarb ein 74-jähriger Mann. Todesursache: Kohlenmonoxidvergiftung.
Als die Flamme des Ofens entzündet wurde, befanden sich vier Personen im Wohnwagen. Was sie nicht wussten: Das geruchslose, giftige Gas, das durch die Verbrennung entstand, konnte nicht nach draußen entweichen. Ein Schornstein fehlte, die Dachöffnung war mit grauem Klebeband verklebt, darauf lag ein roter Ziegelstein.
Der Vorbesitzer des stationären Campingwagens, ein heute 62-Jähriger aus Kelheim, war im Dezember 2022 vom Amtsgericht Viechtach wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung in drei Fällen zu 3.200 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Er habe es versäumt, die Nachbesitzer über den Zustand des Kamins zu unterrichten. Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. So wurde der Fall am Mittwoch erneut verhandelt – diesmal vor dem Landgericht Deggendorf.
„Wer solls denn sonst gewesen sein“, hatte die Richterin Ingrid Götte bei der Verhandlung in Viechtach gesagt. Das überzeigte den Anwalt des Angeklagten nicht. „Es ist unklar, was man meinem Mandanten vorwirft“, sagte er bei der Verhandlung am Landgericht. „Tätigkeit? Untätigkeit? Falsches Verhalten?“ Es sei nicht bestätigt, wer das Klebeband auf dem Kamin angebracht habe, das sei nie ermittelt worden. Vielleicht sei das auch durch einen wohlmeinenden Campingplatzbewohner nach einem Sturm als Nachbarschaftshilfe geschehen, damit es nicht reinregnet.
„Halsbrecherische Selbstgefährdung“
Den Opfern, die den Ofen ohne vorherige Prüfung angemacht hätten, warf er „halsbrecherische Selbstgefährdung“ vor. Der Campingwagen sei erkennbar reparaturbedürftig gewesen – „gekauft wie gesehen“. Die Ermittlungsbehörden hätten des weiteren „nicht sauber gearbeitet“, so konnte auch nach DNA-Tests nicht nachgewiesen werden, wer nun das Klebeband auf die Öffnung geklebt hatte. Mit den Opfern sei kein Abgleich durchgeführt worden. „In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten“, das sei ein in der Verfassung tief verankerter Grundsatz.
Angeklagter habe noch gewarnt
Der Angeklagte selbst beteuerte, er habe dem Verstorbenen noch gesagt, dass die Gasdruckprüfung noch zu machen sei (die Pflicht dazu wurde ausgesetzt und war daher nicht Gegenstand der Verhandlung). Man hätte sich gut verstanden und der 74-Jährige hätte zugesagt, das mache er auf jeden Fall. Den ganzen Campingwagen wolle er renovieren.
Überdies habe er ihm erklärt, dass er die Klappen an der Türe und die Fenster immer geöffnet lassen soll. „Das habe ich auch immer gemacht, selbst im größten Winter. Auch wegen meiner Hunde.“
Dass er einige Monate vor dem Verkauf des Wohnwagens nach einem Sturm auf dem Dach war, um ein Fenster zu reparieren, das bestätigte er. Die Öffnung habe er dabei aber nicht verklebt und auch keinen roten Stein darauf gesehen. Ob er das Fenster mit einem Stein beschwert habe, wisse er nicht mehr. Der Staatsanwalt hielt ihm seine damaligen Angaben bei der Polizei vor: Es könne „schon sein“, dass er es verklebt hätte und auch über die Art der Fensterreparatur hätte er sich damals geäußert. Mit Klebenband, darauf eine Plastiktüte, mit einem der Steine beschwert, die unter dem Campingwagen lagen. „Genau auf dieselbe Weise“ wie bei der Kaminöffnung, so der Staatsanwalt. „Ich glaube ihnen nicht, dass sie keinen Ziegelstein gesehen haben, das war ja unmittelbar daneben“, so auch die Richterin Gisela Schwack, die Präsidentin des Landgerichts Deggendorf. Der Angeklagte beteuerte, dass es gestürmt und geregnet habe, da hätte er nicht aufgepasst. Er sei überzeugt: Wenn er die Öffnung verklebt hätte, hätte er sie später auch wieder geöffnet.
Unklar auch, ob der Angeklagte nach der Reparatur des Daches den Ofen noch einmal benutzt habe. Zunächst verneinte er das. Man sei in der Corona-Zeit kaum noch in Viechtach gewesen, hätte sich daher auch entschlossen, den Campingwagen zu verkaufen. Im Verlauf der Verhandlung aber sagte er aus, dass man noch öfter übernachtet hätte und da wohl auch der Ofen benutzt wurde.
Der Staantsanwalt sprach von einem „Mitverschulden mehrerer Personen“, eine Einstellung des Verfahrens nach 153a hielt er für möglich. In seinem Plädoyer betonte aber der Verteidiger erneut, dass es eine „Verkettung von Umständen“, war, die zu dem Unglück geführt haben, seinem Mandanten sei keine Schuld nachzuweisen. Es sei völlig unklar, wer den Kamin verklebt habe, zumal sich das Klebeband von dem der Fensterreparatur unterschieden habe. Der Anwalt der Nebenklägerin, die Witwe des Opfers, nannte eine Einstellung des Verfahrens ohne Schuldfeststellung des Täters „zu billig“, das würde seine Mandantin nicht verstehen. Ein 153a „wird auch nicht teurer“. Es gehe seiner Mandantin nicht ums Geld, einen Zivilprozess werde man ohnehin nicht führen.
Eine „monetäre Mitleidbekundung"
Letztlich einigte man sich aber auf eine Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153 – auch um das für alle psychisch sehr fordernde und nun weit über zwei Jahren laufende Verfahren zu beenden. Der Angeklagte leistet aber eine „monetäre Mitleidbekundung“ in ungenannter Höhe an die Witwe. Im Gegenzug erklärt sich diese bereit, auf einen Zivilprozess zu verzichten.
Auch wenn sie zugestimmt hatte, nahm die Nebenklägerin den Ausgang des Verfahrens nicht leicht. „Es muss doch wer gewesen sein, es muss doch einen Schuldigen geben“, beteuerte sie unter Tränen. „Man hat mir alles genommen, die Freude am Leben. Von einem Tag auf den anderen Witwe zu sein, das wünsche ich niemandem.“ Aber für ein weiteres Verfahren habe sie „die Kraft nicht mehr.“