Vilsbiburger Zeitung

Rote Raben fliegen souverän zum deutschen Meistertitel


Von Redaktion idowa

Mit "99 Luftballons" ist Rockröhre Nena dereinst über Nacht in den siebten (Hitparaden-)Himmel abgedüst. Ein ähnliches Kunststück haben die Roten Raben Vilsbiburg am Samstag vollbracht: Sie sind mit der Schubkraft von fast genauso vielen Punkten in exakt 99 Minuten auf den nationalen Volleyball-Olymp geflogen. Das Team von Coach Guillermo Gallardo servierte Aurubis Hamburg vor 1450 begeisterten Zuschauern in der rappelvollen Vilstalhalle souverän mit 3:1 (25:19, 25:20, 22:25, 25:10) ab und sicherte sich zum Abschluss einer prickelnden Bundesligasaison in einem Herzschlagfinale den deutschen Meistertitel vor dem punktgleichen VC Wiesbaden und dem entthronten Schweriner SC.

Das Publikum verwandelte die altehrwürdige Vilstalhalle schon vor dem ersten Aufschlag in ein Tollhaus. In dieser Atmosphäre fühlten sich die Mädels von Guillermo Gallardo pudelwohl, sie stürmten bestens gelaunt aufs Parkett, aus ihren funkelnden Augen blitzte wilde Entschlossenheit. Ein bisserl aufgeregt und nervös waren sie freilich schon. Und deshalb war der Start in den ersten Satz auch etwas holprig. Hier ein Aufschlagfehler, dort eine verhaute Annahme, hier ein unpräzises Zuspiel, dort ein löchriger Block. Dennoch führte Vilsbiburg zur ersten Technischen Auszeit mit 8:6, geriet zwischendurch zwar mal ins Hintertreffen, verfiel aber nicht in Panik. Spätestens beim 20:18 war Schluss mit lustig: ein Schmetterball und zwei Blocks von Sarah Petrausch, ein Schnitzer von Saskia Radzuweit und ein Block von Daniela Lanner Mapeli - und ratzfatz war die erste Runde (25:19) eingetütet.

Das hatte befreiende Wirkung. Im zweiten Durchgang kontrollierten die Niederbayern das Geschehen, hielten den Ranglistensiebten dank der von Lena Möllers klug inszenierten Offensivaktionen sicher auf Distanz (8:5, 16:12, 19:14). Und als es auf der Zielgeraden eng zu werden drohte, war einmal mehr Verlass auf "Miss Zuverlässig": Katja Wühler peitschte die Raben förmlich zum 25:20. Der Widerstand der Hanseatinnen war damit nicht gebrochen. Die "Deerns" aus dem Norden der Republik präsentierten sich weiterhin recht aufmüpfig und schlichen sich - auch begünstigt von ein paar Nachlässigkeiten des Spitzenreiters - von 10:11 über 16:13 und 22:19 auf 25:19 davon und auf 2:1 heran.

Wie sich die Gastgeberinnen aus dieser durchaus misslichen Lage herauszogen, war schon aller Ehren wert. Mit Wut im Bauch und ohne Scheu vor dem ganz großen Wurf brannten sie - mittlerweile mit Nadja Jenzewski für Lena Möllers als Zuspielerin - ein wahres Feuerwerk ab. "Das war sensationell gut, wie die Mädels gespielt haben", staunte Raben-Manager Klaus-Peter Jung-Kronseder schier Bauklötze. Den Hamburgerinnen sausten die Bälle nur so um die Ohren - ob schnell durch die Mitte über Sheila Shaw und Daniela Lanner Mapeli oder wuchtig über die Außenangreiferinnen Sarah Petrausch und Ioana Nemtanu. In der Defensive hechtete Libera Lenka Dürr wie ein Irrwisch übers Parkett. Das erfüllte Gold-Schmied Guillermo Gallardo, der am Spielfeldrand wie Rumpelstilzchen hin- und herhüpfte, mit Stolz. "Das war phänomenal, wie gut die Mädels mit dem Druck zurechtgekommen sind", sagte der 39-jährige Argentinier und löste sogleich das Rätsel um das Erfolgsgeheimnis auf: "Die Kombination macht's, wir haben eine homogene, geschlossene Truppe mit vielen jungen und einigen erfahrenen Spielerinnen."

Und Katja Wühler. Die 31-Jährige packte bei ihrer Abschiedsvorstellung nochmal ihr ganzes Repertoire aus: Hammer-Aufschläge von 8:4 bis 11:4, ein beherzter Schmetterball aus dem Hinterfeld (14:7), ein gefühlvoller Lob (17:8) oder ein Angriff von der Diagonalposition zum 20:8 ließen Volleyball-Herzen höher schlagen. Natürlich hätte sie auch liebend gerne den Meisterschaftsball verwandelt. So viel Ehre gönnten ihr jedoch die Damen aus der Elb-Metropole nicht. Sie beendeten die Partie mit einem Flüchtigkeitsfehler. Auch wurscht, "Wühli" hat's verschmerzt. Zumal die Stimmung sowieso schon den Siedepunkt erreicht hatte - und die Vilstalhalle bebte. Also sprudelte es aus der gefühlstechnisch überwältigten Katja Wühler nach ihrem zweiten deutschen Meistertitel mit Vilsbiburg mit steigendem Dezibel-Pegel nur so heraus. "Das ist wie Zucker, Sahne, Pudding oder so, einfach mega-geil", frohlockte sie und hatte bloß noch eins im Sinn: "Lasst uns Party machen!" Und 99 Luftballons steigen - zu den Roten Raben auf Wolke sieben.

Mehr dazu lesen Sie in der Vilsbiburger Zeitung vom 10. Mai 2010!