Aus dem LZ-Archiv

Mit Geothermie Geschichte schreiben


Das Großprojekt Geothermie ist auf einem guten Weg. Darüber freuen sich Martin Gierschek, Simon Berger, Prof. Johann Goldbrunner

Das Großprojekt Geothermie ist auf einem guten Weg. Darüber freuen sich Martin Gierschek, Simon Berger, Prof. Johann Goldbrunner, Bürgermeister Helmut Maier und Dr. Stephan Richter (v.l.).

Von Redaktion Landkreis Landshut

Aus der Landshuter Zeitung vom 15. September 2012:

Mit Geothermie Geschichte schreiben

Von Gabi Lössl

Das Großprojekt Geothermie in Altdorf geht in die heiße Phase. "Nirgendwo kann man so günstig Energie gewinnen wie in Altdorf." Diese Aussage von Prof. Dr. Johann Goldbrunner dürfte die Altdorfer freuen. Der Geologe ist mit den Ergebnissen der zweiten Probebohrung am Ziegeleigelände sehr zufrieden. Es wurde in 800 Metern Tiefe eine Temperatur von 64 Grad gemessen. Beim Pumpversuch ergab sich eine Förderrate von maximal 115 Litern pro Sekunde. Die Druckabsenkung ist minimal. Die erste Probebohrung im Jahr 2008 hatte nahezu identische Ergebnisse gebracht. Die Temperatur lag ebenfalls bei 64 Grad Celsius, die Förderrate war mit 98 Litern pro Sekunde etwas geringer.

Nach der ersten Bohrung am gemeindlichen Bauhof stand definitiv fest, dass die Verantwortlichen das Fernwärmeprojekt angehen werden. Mit der zweiten Bohrung wurde am 24. April begonnen, abgeschlossen wurde sie Mitte August. Normalerweise wäre man früher fertig gewesen, aber es habe mit der Lieferung notwendiger Materialien Probleme gegeben, führte Prof. Goldbrunner am Donnerstagabend bei einem Pressegespräch aus. Die geothermische Wärmeanomalie wirke sich positiv aus. Grund für dieses Phänomen ist die besondere Lage Altdorfs im süddeutschen Molassebecken. Der sogenannte Neuöttinger Abbruch hat bei Altdorf einen kleinen Graben.Die Erwartung, dass bei der zweiten Bohrung bis 70 Grad gemessen würden, hat sich nicht bewahrheitet. Doch damit hatte der Prof. Johann Goldbrunner auch nicht gerechnet. Aus der Sicht des Geologen sind jetzt keine Fragen mehr offen. Geologisch habe man alles ausgereizt. "Es ist ein sehr schönes Ergebnis", sagte Prof. Goldbrunner. Jetzt müssten die Techniker schauen, was sie daraus machen. Eine Fördermenge von 110 bis 115 Litern pro Sekunde ohne Druckabsenkung sei sehr gut. Im Raum München liege die Fördermenge im Vergleich zu Altdorf bei einem Zehntel.

Stadt meldet Interesse an

Mit dem Erlaubnisfeld "Römerfeld" hat die Gemeinde Altdorf nach dem Bergrecht die Befugnis, Wasser und Energie zu entnehmen. Dies sei ein Schutz nach außen, berichtete Prof. Goldbrunner. Damit könne im wahrsten Sinne des Wortes die Stadt Landshut den Altdorfern nicht das Wasser abgraben. Die Stadt Landshut zeige Interesse, sich an der Fernwärmenutzung zu beteiligen, berichtete Bürgermeister Helmut Maier.

Altdorf in der Pionierrolle

Eine Temperatur von 64 Grad ist nicht hoch genug, um wirtschaftlich Strom zu erzeugen, erläuterte Dr. Stephan Richter von der GEF-Ingenieur AG. Aber sie reiche aus, um Räume zu heizen und Warmwasser - hier müsse aus hygienischer Sicht die Legionellen-Prophylaxe beachtet werden - zur Verfügung zu haben. In der Regel würden Nah- und Fernwärmenetze bei Temperaturen über 70 Grad betrieben. In der Münchner Innenstadt sei die Fernwärme bei über 200 Grad genutzt worden. Das Heißwassernetz in der Landeshauptstadt funktioniere bei 120 Grad.

Dr. Stephan Richter bezeichnete es als ein Novum, dass in Altdorf mit niedrigeren Temperaturen gearbeitet werde. Man werde auch nicht zentral nachheizen "Dieser innovative Ansatz werde ein Leuchtturm für viele andere Netzbetreiber in ganz Europa sein", ist der Fachmann überzeugt. "Wir entziehen dem Wasser die Wärme", informierte Richter. Sie werde über Wärmetauscher ins Fernwärmenetzwasser übertragen. Danach müsse das abgekühlte Thermalwasser wieder zurück in die Tiefe, um sich erneut erwärmen zu können.

Welche der beiden Bohrungen (am Bauhof und am Ziegeleigelände) nun zur Förder- beziehungsweise zur Reinjektionsbohrung wird, ist noch offen. Beide sind nach Meinung der Experten gleichermaßen geeignet. Die Kosten dürften sich in etwa auch die Waage halten "Wir werden vermutlich in der kommenden Woche eine Entscheidung treffen", sagte Bürgermeister Helmut Maier gegenüber der.

Damit das Großprojekt Geothermie zur Altdorfer Erfolgsgeschichte wird, müssen sich möglichst viele Haushalte an das Fernwärmenetz anschließen. Ein gutes Zeichen ist, dass die Bevölkerung reges Interesse an der Fernwärmeversorgung zeigt. "Die Kundennachfrage ist sehr hoch", vermeldete Projektleiter und Ingenieur Simon Berger. Es seien bis zum jetzigen Zeitpunkt mehr als 600 Verträge unterzeichnet worden. Möglich wären maximal 2.700. Anfragen gebe es bereits von 1.400 Interessenten. Diese wollten allerdings noch abwarten, bis die Liefertemperatur feststeht. 1.200 hätten bereits einen Vertrag zu Hause liegen.

Vor der imposanten Bohrstelle: v. l. stellvertretende Landrätin Christel Engelhard, Diplom-Ingenieur Fleischmann, Professor Gold

Vor der imposanten Bohrstelle: v. l. stellvertretende Landrätin Christel Engelhard, Diplom-Ingenieur Fleischmann, Professor Goldbrunner, die Bürgermeister Maier und Wild, Claudia Hauser vom Bauamt und Bürgermeister Kainz.

Aus der Landshuter Zeitung vom 26. Juli 2008:

Bohren für die Zukunft

Geothermie-Nutzung einen Schritt näher - "Heißes Wasser ein Geschenk des Himmels"

Von Gudrun Schraml

Neun Jahre nach den ersten Probebohrungen am Ziegeleigelände konnte man nun mit den Bohrungen für die zukünftige Geothermie-Nutzung in Altdorf beginnen. Energie und deren Preis sind zunehmend in den Blickwinkel öffentlicher Betrachtungen und Diskussionen gerückt.
Als in den Jahren 1999 und 2000 in Altdorf im Auftrag des Bayerischen Geologischen Landesamtes und des Wasserwirtschaftsamtes Landshut eine Forschungsbohrung gemacht wurde, wurde eine geothermische Anomalie nachgewiesen, die den höchsten bisher in ganz Deutschland bekannten geothermischen Gradienten aufwies. "Ein Geschenk des Himmels" nannte nun Bürgermeister Franz Kainz bei seiner Festrede diesen Schatz an unterirdischem heißem Wasser. Im Fachjargon der Geologen klingt das so: "Der Malm auf dem Landshuter-Neuöttinger-Hoch bietet aufgrund vergleichsweise hoher Grundwassertemperaturen bei geringer Erschließungstiefe und hoher Ergiebigkeit beste geologische Voraussetzungen für eine energetische Nutzung der Tiefenwasser."

Der damalige Marktgemeinderat sah die Zeit noch nicht gekommen für eine balneologische Nutzung dieser Heißwasservorräte, eine geothermische Nutzung allerdings rückte immer weiter in den Vordergrund. Noch in der letzten Legislaturperiode unter Bürgermeister Josef Sehofer hatte der Marktgemeinderat die finanziellen Mittel bereitgestellt, um diese Bohrungen durchführen zu können.
Die Gemeinde bringe die Kosten alleine auf, und das eigene Kommunalunternehmen SBBA sei Auftraggeber, so Kainz. Dies hätte den großen Vorteil, dass die alleinigen Entscheidungen über Preisgestaltung und das weitere Vorgehen bei der Gemeinde selbst lägen. Mit dem Bohrbeginn, so der Rathauschef weiter, werde der erste Schritt für eine von fossilen Brennstoffen unabhängige und kostengünstige Energieversorgung getan.
Zum festlichen Bohrbeginn konnte er seine Stellvertreter Helmut Maier und Georg Wild, die Marktgemeinderäte, Regierungsdirektor Hans Gneipel, stellvertretende Landrätin Christel Engelhard, seinen Vorgänger Josef Sehofer, Vertreter der Verwaltung, hier insbesondere hervorzuheben Claudia Hauser vom Bauamt, den Geschäftsführer der Bohrfirma Geomechanik Wasser- und Umwelttechnik GmbH, Diplom-Ingenieur Frank Fleischmann, viele Bürger der Marktgemeinde Altdorf und nicht zuletzt Professor Johann Goldbrunner von der TU Graz begrüßen.

Dieser begleitet das Projekt geologisch von Anfang an. Goldbrunner kann einen reichen Erfahrungsschatz in Sachen Geothermie nachweisen, eines seiner großen Projekte liegt im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet Simbach-Braunau. Dort werden seit dem Jahre 2000 sechshundert Haushalte mit Fernwärme aus Geothermie beheizt.

Er bedankte sich insbesondere bei den Nachbarn des Projektes für deren Verständnis. Goldbrunner zeigte den Zuhörern einige Details des Projektes auf. Zuerst würde bis 70 Meter Tiefe gebohrt, dort sei Schotter dominierend. Dann würde verrohrt und weiter bis auf zirka 420 Meter weitergebohrt. Hier erreiche man die Oberkante des so genannten Malm mit viel Wasser und hohen Temperaturen. Dieser werde nach der folgenden Verrohrung durchbohrt in einer Höhe von 200 bis 300 Metern weiter in die Tiefe. "Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg", so Goldbrunner, und wünschte dem Projekt wie sein Vorredner Franz Kainz, "Glück auf".

Werden dann, wie erwartet und wie die Probebohrungen bereits erwiesen hatten, ausreichende Wassermengen gefunden, wird eine Fernwärmezentrale an die Bohrstelle angeschlossen. Anfangs ist die Versorgung öffentlicher Gebäude und Industriebetriebe in unmittelbarer Nähe vorgesehen, allerdings ist der Anschluss bis Pfettrach und Eugenbach geplant. Laut Professor Goldbrunner verliert man während der Strecke von Simbach nach Braunau, etwa sieben Kilometer, einen halben Grad Celsius an Wärme. Dort sprudelten 74 Liter Wasser pro Sekunde aus dem Boden, so der geologische Experte. Mittels einer "Re-Injektions-Bohrung" wir das gewonnene Wasser dem Untergrund wieder zugeführt. Als Sekundärenergie, also zur Deckung eines erhöhten Bedarfs gerade im Winter sei, so Kainz, eine Kombination mit einer Hackschnitzelheizanlage geplant.

Mutig, energisch, verantwortungsbewusst für die nachfolgende Generationen packt eine Marktgemeinde wie Altdorf in einer beispielhaften Vorreiterrolle die immer drängenderen Energieversorgungsprobleme der Zeit an.