Glosse

Anmerkungen

Lieber eine Taube auf dem Dach

Ich habe es nie verstanden, dieses seltsame Sprichwort. "Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach."


Allmählich versteh' ich's. Schon mal eine dudelnde Taube auf dem Balkon gehabt, die tagtäglich ab Fünf eine - wortwörtlich - vogelwilde Mischung aus Op. 8 : No. 1.-Sopran und provokativen Kampfesschreien von sich gibt? Angenehm. Doch genau dann, als ich dachte, ich hätte meinen privat-persönlichen Antagonisten gefunden, da tauchten sie auf. Die beflügelten Reiter der textilen Apokalypse: Kleidermotten. Man kann die Szenerie in etwa so umschreiben: Motten im Schrank, Panik im Kopf. Spätestens, als ich entdeckte, dass sie mein dunkelblaues Puffärmel-Samtkleid, Vintage original aus den 80ern, angefressen hatten, versank ich pfeilwegs im Kamikaze-Modus. Und fand mich, kurze Zeit später, im leeren, dafür essig-triefenden Schrank wieder; Kleider(leichen)berge im Zimmer verteilt; in der Hand ein überhitzter Föhn; in den Ohren der tragische Klang des Frank Popp Ensembles, "Hip Teens Don't Wear Blue Jeans" - tja, wieso? Weil sich im Synthetik-Hoserl keine Motten einnisten. Stellen wir also lieber das Sprichwort um: Lieber eine Taube auf dem Dach als Motten im Schrank.

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