Walderbach/Rabmühle

Schrazellöcher geben immer noch Rätsel auf


Ganz schön eng: Kreisheimatpfleger Hans Wrba vor dem schmalen Zugang des Schrazellochs in Rabmühle.

Ganz schön eng: Kreisheimatpfleger Hans Wrba vor dem schmalen Zugang des Schrazellochs in Rabmühle.

Von Redaktion idowa

Wofür haben unsere Vorfahren die dunklen Gänge und Kammern, die tief in die Erde führen, gebraucht? Dieser Frage sind Erdstallforscher seit Jahrzehnten auf der Spur, doch noch immer ist das Rätsel nicht gelöst. An zahlreichen Orten im Landkreis Cham finden sich diese Schrazellöcher. Doch Zwerge, wie der Name sagt, wohnten dort nicht. "Wahrscheinlich haben die Höhlen einen kultischen Ursprung", vermutet der Chamer Kreisheimatpfleger Hans Wrba.

Eines der wenigen Schrazellöcher, das zugänglich ist, liegt in Rabmühle bei Stamsried. Wie die meisten der Erdställe, wie die unterirdischen Hohlräume auch genannt werden, gehört es zu einem Bauernhof. Johann und Maria Keil, die Besitzer des Anwesens, empfangen die Besucher freundlich, auch wenn sie an diesem Tag unangekündigt kommen. Zahlreiche Reporter, Fernsehteams, Schulklassen und andere Gruppen drängten sich in den vergangenen Jahrzehnten durch das geheimnisvolle Gangsystem. Landrat Girmindl war da, das ZDF drehte für eine Reportage im Schrazelloch Rabmühle und auf Radio Bayern zwei lief ebenfalls ein Beitrag. "Ihr hättet Eintritt verlangen sollen oder Kaffee und Kuchen verkaufen", sagt Wrba im Hinblick auf den Besucherandrang.

Im Inneren wird es staubig


In den vergangenen Jahren sei es etwas ruhiger geworden, erzählt Johann Keil. Doch noch immer öffnet er jedem, der es sehen will, gerne den Eingang zum Schrazelloch vor seinem Haus.

Während er den Schlüssel holt, bringt seine Frau Maria einen "Schrazelloch-Mantel" zum Drüberziehen, damit die Kleidung nicht dreckig wird. Denn in den engen und niedrigen Gängen streife man schon mal an die Wände, sagt sie. Und sie hat recht: Im Inneren des Schrazellochs wird es staubig.

Die Schrazellöcher kamen meist zufällig wieder ans Tageslicht, etwa bei Bauarbeiten. So auch in Rabmühle: Entdeckt wurden die Gänge bei Grabungsarbeiten zur Zeit des Ersten Weltkrieges. Sand wollten die Arbeiter abbauen, berichtet Johann Keil aus Erzählungen seines Großvaters. Dabei seien sie auf die Räume unter der Erde gestoßen. Vielleicht, weil sie sich nicht hinein trauten, blieben die Gänge unerkundet. Näher damit beschäftigt habe sich erst der Rodinger Heimatforscher Schmalix. Er begann 1948 das Schrazelloch freizulegen, zu sichern und zugänglich zu machen.

Stockdunkle Gänge

Als Kind sei er oft mit Freunden in die Gänge geklettert, erinnert sich Johann Keil: "Wir brauchten kein Licht, wir haben uns ausgekannt." Der unkundige Besucher dagegen sollte eine Taschenlampe dabei haben, wenn er sich in die Hohlräume wagt. Denn schon bald nach dem befestigten Eingangsbereich, in den noch Tageslicht dringt, wird es stockdunkel. In gebückter Haltung geht es weiter, hindurch durch das eigentliche Einstiegsloch, hinein in die verzweigte Gangwelt.

Noch immer sind sich die Forscher nicht einig, warum Menschen diese unterirdischen Wege und Räume gegraben haben. Eine Theorie besagt, dass die Gänge im Mittelalter als Zufluchtsorte und Verstecke genutzt wurden - oder waren es Vorratskammern und Winterquartiere der Germanen? Daran glaubt Hans Wrba nicht. Er, wie auch Johann Keil, halten einen kultischen Ursprung für am Wahrscheinlichsten. "Mag sein", sagt Wrba, "dass die Höhlen, weil sie eben da waren, später als Versteck oder als Runkelkeller genutzt wurden." Aber der Ursprung liegt seiner Meinung nach im Glauben, zum Beispiel an eine Zwischenwelt, in die die Seelen der Verstorbenen wanderten. Zufluchtsorte könnten es schon allein deshalb nicht sein, da sich die verwinkelten Gänge und Schächte nicht für einen längeren Aufenthalt eignen und für ältere und gebrechliche Menschen nur schwer zugänglich sind. Außerdem hätten die unterirdischen Räume, die nur einen Einstieg besitzen, ohne weiteres von Feinden ausgeräuchert werden können. Offen sei auch, wie alt diese Schrazellöcher sind. "Da gibt es ebenfalls mehrere Meinungen", sagt Wrba. Wahrscheinlich stammten die Höhlen aus der Zeit zwischen 900 und 1 000 nach Christus.

Schrazelloch im Museum

Die Gänge in Rabmühle führen die Besucher immer weiter ins Erdinnere. Hin und wieder tauchen Nischen auf. Durch Schlupflöcher gelangt man in den nächsten Gang, bis es wieder hinaus ans Tageslicht geht. Johann Keil selbst klettert nur mehr selten in sein Schrazelloch. Nach dem Rechten sehen, das sei die Aufgabe der Denkmalpfleger, unter deren Schutz der Erdstall steht. Doch es ist ihm anzumerken, dass er die unterirdische Welt in seinem Garten gerne herzeigt. Wer sich nicht in die engen Gänge eines Schrazelloches traut, kann ein Modell des Erdstalls Wutzldorf im Kreismuseum in Walderbach bestaunen. Dort sind auch Gegenstände wie Messer und Keramik ausgestellt, die in den Schrazellöchern gefunden wurden. Wegen Renovierungsarbeiten ist der Raum jedoch vorübergehend nicht zugänglich.

Von Michaela Sturm

Info:
Schrazellöcher sind höhlenartige Kammern, verbunden durch Schlupflöcher und enge Gänge, die von Menschenhand geschaffen wurden. Sie kommen meist in brüchigem Granit und Gneiszersatz vor. Dieser ist fest genug, dass die Höhlen nicht einstürzen und zugleich leicht zu bearbeiten. Der Name Schrazelloch stammt von Schrazen, das sind Zwerge oder Kobolde. Die meisten Schrazellöcher liegen bei alten Siedlungen, einzelnen Höfen und Dörfern. Manche Ortschaften, etwa Arnschwang, sind davon unterhöhlt. Erdställe sind von Ungarn bis ins Elsass verbreitet. Dabei folgen alle einem ähnlichen Schema: Kammern, die durch niedrige Gänge verbunden sind.

Quelle: Kreismuseum Walderbach