Kommentar

TV-Auftritt bei Anne Will: Angela Merkel liefert nicht


Bundeskanzlerin Angela Merkel (re.) stand am Mittwoch bei TV-Moderatorin Anne Will (li.) Rede und Antwort.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (re.) stand am Mittwoch bei TV-Moderatorin Anne Will (li.) Rede und Antwort.

Eine entschlossene Bundeskanzlerin trat am Mittwochabend bei Anne Will auf. Eine entscheidende Antwort blieb Angela Merkel dabei einmal mehr schuldig.

Die Bundeskanzlerin äußerte sich so deutlich wie selten zum Thema Flucht. Dabei gewährte Merkel einen kleinen Blick in das Innenleben einer Kanzlerin. Ein bisschen klarer wurde, was die Regierungschefin antreibt, wie sie über den Ansturm an Flüchtlingen denkt. Und ja, sie hat einen Plan - sagt sie. Doch die Antwort, wie dieser Plan denn aussieht, ist die Kanzlerin auch an diesem Abend wieder schuldig geblieben. Es blieb beim bereits wohl bekannten "Wir schaffen das". Das "Wie" lieferte die Kanzlerin einmal mehr nicht.

Die Kanzlerin hat eine Chance verstreichen lassen, endlich zu erklären, wie Deutschland mit der Menge an Flüchtlingen, deren Integration und den Folgen umgehen will. Am Tag danach folgt auch die Antwort, in Form des bayerischen Gemeindetagspräsidenten Uwe Brandl. Er sei "entsetzt von Merkel", die nun riskiere, das Land "mit Karacho gegen die Mauer" zu fahren.

Strukturen verbessern, Prozesse besser steuern und vor allem: Ordnung schaffen. So umschreibt Merkel ihr Konzept. Und dazu will sie - wie bereits bekannt - in der EU auf eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge hinwirken - was bislang nicht funktioniert hat. Zudem will sie Fluchtursachen bekämpfen. Darunter versteht sie weniger ein wie auch immer geartetes Eingreifen in Syrien, sondern eher eine Verbesserung der Situation jener Menschen, die als Flüchtlinge in Staaten in der Region um Syrien leben, allen voran in der Türkei. Sehr viel konkreter wird sie nicht.

Die Frage danach, wie das "Wir schaffen das" denn aussehen soll, konterte die CDU-Chefin mit einer Gegenfrage: Was wäre denn, wenn ausgerechnet Deutschland gesagt hätte: "Wir schaffen das nicht"? Ist das eine Antwort? Denn offenkundig, so gibt sie selbst zu, hat es Deutschland nicht alleine in der Hand, Einfluss auf die Flüchtlingsströme zu nehmen. Gepaart war diese Feststellung indes mit einer Bankrotterklärung: "Grenzen kann man nicht dicht machen", sagt Merkel. Ist nicht genau das eine der Ursachen für das gegenwärtige Problem? Denn auch der Schutz der EU-Außengrenzen (Stichwort Schengen) funktioniert derzeit nicht (sofern das überhaupt irgendwann einmal gegeben gewesen sein sollte). Dennoch bleibt Merkel dabei, auf eine gesamteuropäische Lösung hinwirken zu wollen, die allerdings nirgendwo in Sicht ist.

Auffällig freundlich äußerte sich Merkel gegenüber Bayern. Ministerpräsident Horst Seehofer hat zuletzt keine Gelegenheit ausgelassen, den Kurs Merkels in der Flüchtlingspolitik heftig zu kritisieren. Helfen dürfte ihr das nicht viel, legt doch der CSU-Chef seine Finger in einige Wunden, die auch die Kanzlerin nicht alleine mit einigen Allgemeinplätzen in einem Fernsehinterview beiseite wischen kann. Die Bekräftigung "Ich bin davon überzeugt", dass das "Wir schaffen das" auch funktionieren werde, reicht nicht aus. Die Kanzlerin muss endlich sagen, was ihr Konzept ist. Womöglich ist sie schon einen Schritt gegangen, Kanzleramtsminister Peter Altmaier soll die Flüchtlingspolitik koordinieren. Auch dies Tun wird Merkel jedoch noch mit Inhalt füllen müssen - und der fehlt bislang. Mit ihrer Beschwichtigung und Erklärungsverweigerung riskiert Merkel viel: den sozialen Frieden und den Verlust der Geduld in weiten Teilen der Bevölkerung. Die Stunde bei Anne Will hätten sich die Beteiligten angesichts des fehlenden Inhalts getrost schenken können.