AZ-Interview mit CSU-Generalsekretär

Markus Blume: "Wir müssen in Europa zusammenstehen"


Markus Blume ist seit März 2018 CSU-Generalsekretär.

Markus Blume ist seit März 2018 CSU-Generalsekretär.

Von Sven Geißelhardt

CSU-Generalsekretär Blume fordert, in der EU müsse zukünftig die Macht vom Parlament ausgehen - mit den Postentricksereien solle nun endlich Schluss sein.

München - Der 44-jährige Münchner Markus Blume ist Abgeordneter für den Stimmkreis München Ramersdorf und seit März 2018 CSU-Generalsekretär.

AZ: Herr Blume, wie würden Sie Ihren aktuellen Gemütszustand beschreiben - verletzt enttäuscht, wütend?
MARKUS BLUME: Natürlich bleibt etwas zurück von dem, was in den letzten Tagen in Brüssel passiert ist. Da ist viel Enttäuschung dabei. Ich verstehe den Frust, der sich bei uns in der Partei und in der gesamten Bevölkerung zeigt. Wir müssen leider feststellen, dass nicht der große europäische Gedanke gesiegt hat, sondern persönliche Egoismen von Macron und Orbán. Es hat nicht der europäische Wählerwille entschieden, sondern das Brüsseler Hinterzimmer.

CSU-Vize Manfred Weber hat - was in der Politik wie im Sport selten ist - in der Niederlage Größe bewiesen und die Fraktionen im Europäischen Parlament aufgefordert, für Ursula von der Leyen zu stimmen. Aber in ihm dürfte es immer noch kochen, oder?
Manfred Weber hat gezeigt, dass er ein wahrlich großer Europäer ist. Er hat seine eigenen Ambitionen hinten angestellt, als die Handlungsfähigkeit von Europa auf dem Spiel stand. Er hat durch seinen Rückzug von der Spitzenkandidatur den Weg frei gemacht für eine andere Lösung. Diese andere Lösung mit Ursula von der Leyen ist nicht unsere Lösung, aber eine, die wir akzeptieren.

Blume: "Manfred Weber brennt nach wie vor für Europa"

Wie, glauben Sie, sieht es in Weber innen drinnen aus nach diesem wahnsinnig anstrengenden Wahlkampf in so vielen Ländern?
Manfred Weber brennt nach wie vor für Europa. Mit diesem Feuer hat er die Menschen in den letzten Monaten für Europa begeistert. Er hat sie mobilisiert für die Wahl. Und er richtet jetzt den Blick auch schon wieder nach vorne: Seine Mission, Europa zu demokratisieren, es den Bürgern zurückzugeben, die ist erkennbar noch nicht zu Ende. Deshalb sagen wir: Jetzt erst recht! Manfred Weber wird weiterhin an führender Stelle in Europa Verantwortung tragen.

Parteichef Markus Söder war weniger zurückhaltend und sprach von einer Niederlage für die Demokratie und Europa. Wie groß sind die Schäden, die die Brüsseler Hinterzimmerdiplomatie verursacht, Ihrer Meinung nach?
Der Hauptverlierer der letzten Tage ist die europäische Demokratie. Ich befürchte einen echten Vertrauensbruch, wenn wir jetzt nicht die richtigen Lehren ziehen. Wir hatten bei dieser Europawahl eine steigende Wahlbeteiligung, haben mehr Menschen begeistert mit der ganz konkreten Aussicht, dass sie mit ihrer Stimme eine Richtungs- und Personalentscheidung in Europa treffen können. Das braucht jetzt Gesetzeskraft: Wir müssen das Spitzenkandidatenprinzip unumstößlich im europäischen Recht verankern. Damit treffen wir Vorkehrungen dafür, dass in Zukunft das Brüsseler Hinterzimmer keine Rolle mehr spielt, sondern das Parlament im Zentrum der Entscheidung steht.

"Wir als CSU müssen unseren Beitrag zur Stabilität leisten"

Wie ließe sich das konkret bewerkstelligen?
Da stehen wir gerade am Anfang der Debatte. Damit wird sich das Europäische Parlament zu befassen haben, denn hier geht es auch um die Selbstachtung des Parlaments, um sein Selbstverständnis. Das Parlament muss seinen Anspruch jetzt politisch reklamieren.

Haben Sie schon Reaktionen Ihrer Parteimitglieder bekommen, deren Anstrengungen im Wahlkampf am Ende für die Katz waren?
Die Anstrengung hat sich schon gelohnt, denn die CSU hat ein starkes Wahlergebnis eingefahren und ist stärker im Europäischen Parlament vertreten als in den vergangenen fünf Jahren. Aber klar, es gibt einen Berg von Enttäuschungen, der auf allen Kanälen, per Brief, per E-Mail, im Internet zum Ausdruck kommt. Da wird Unverständnis über das Verfahren geäußert. Und doch wird bei den Rückmeldungen auch deutlich, dass man den Blick jetzt nach vorne richten muss. Wenn in Europa schon so viele selbstzerstörerische Kräfte am Werk sind, dann ist es umso wichtiger, dass wir das Chaos nicht noch vergrößern, sondern dass wir als CSU unseren Beitrag zur Stabilität leisten.

"Die SPD soll endlich zum Gelingen der GroKo beitragen"

Beim Berliner Koalitionspartner SPD kommt das Postengeschacher gar nicht gut an. Der kommissarische Parteichef Torsten Schäfer-Gümbel hat ja auch schon gesagt, dass die europäischen Sozialdemokraten Ursula von der Leyen nicht unterstützen werden.
Was die deutsche Sozialdemokratie in diesen Tagen veranstaltet, zeigt, dass mit dieser SPD nur noch ganz schwer ein Staat zu machen ist. Dass sich nach dieser schwierigen Wegstrecke alle - auch die sozialistischen Staats- und Regierungschefs - auf ein Paket verständigt haben, und dann ausgerechnet die deutsche SPD Njet sagt, das lähmt Deutschland und droht Europa handlungsunfähig zu machen.

Verklausuliert drohen einige Sozialdemokraten auch schon mit dem Bruch der Großen Koalition. Sigmar Gabriel hat dies zum Beispiel gefordert. Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass die SPD ausschert?
Die SPD soll nicht immer Gründe suchen, warum sie die Große Koalition verlassen will, sondern endlich etwas zu ihrem Gelingen beitragen. Die Menschen erwarten, dass in der Großen Koalition vernünftig regiert wird. Was nicht hilft, ist ständig das eigene Tun zu hinterfragen oder Sand ins Getriebe zu streuen. Ich empfinde das, was die SPD immer wieder macht, schon als Belastung für die Große Koalition.

Ganz persönlich gefragt: Glaubt Markus Blume, dass die SPD die Vorgänge in Brüssel zum Vorwand nehmen wird, um aus der GroKo auszusteigen?
Ich wünsche der SPD, dass sie für sich selbst versteht, was ihre Rolle und ihre Verantwortung im Parteiensystem Deutschlands ist. Im Moment habe ich das Gefühl, dass die SPD hier völlig orientierungslos ist. Anscheinend will keiner so richtig den Vorsitz übernehmen. Und auch inhaltlich weiß sie nicht, wofür sie steht. Das macht die Zusammenarbeit für uns als Union auch nicht einfacher. Unser Kompass ist jedenfalls klar: Wir setzen auf Zukunft, auf Stabilität, und auf Verantwortung für Klimaschutz und Generationengerechtigkeit.

"Macron hat seine Maske fallen lassen"

Was denken Sie, warum es in Brüssel überhaupt zu dieser Situation kommen konnte, dass ein Emmanuel Macron, selbst ein junger Mann mit überschaubarer politischer Erfahrung, einen Manfred Weber gewogen und für zu leicht befunden hat?
Zum einen hat der vermeintliche "Supereuropäer" Macron seine Maske fallen lassen und gezeigt, dass es ihm nicht um Europa geht, sondern um seine handfesten nationalen Interessen und Egoismen. Und zum Zweiten müssen wir feststellen, dass die politische Landschaft in Europa extrem zersplittert ist. In vielen Ländern regieren Drei-, oder Vier-Parteien-Koalitionen. Das Europäische Parlament ist viel fragmentierter als früher. Dort Mehrheiten zu finden für einen Spitzkandidaten ist außerordentlich schwierig.

Letzte Frage: Ist Europa noch zu retten? Kurze Antwort, bitte!
Europa muss zu retten sein. In einer Welt mit Trump, Putin, und massiven chinesischen Wirtschaftsinteressen müssen wir in Europa zusammenstehen. Die letzten Tage dürfen nicht zur Blaupause für das Europa der Zukunft werden.

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