Regeln für Meinungsmache im Netz

Kramp-Karrenbauer: Heftige Kritik an CDU-Chefin


Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU, spricht bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung des CDU-Bundesvorstand.

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU, spricht bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung des CDU-Bundesvorstand.

Von Guido Verstegen / Online

Die CDU und die Generation Youtube: Erst sind Parteichefin Kramp-Karrenbauer und Co. ratlos im Umgang mit der Kritik von Rezo. Jetzt bringt AKK Regeln für "Meinungsmache" im Netz ins Gespräch - und gerät in einen Shitstorm.

Berlin - CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat Regeln für "Meinungsmache" im Internet in Wahlkampfzeiten ins Gespräch gebracht und dafür heftige Kritik kassiert. Mehr noch - in den sozialen Medien brach ein Shitstorm.

Kramp-Karrenbauer sagte am Montag in Berlin nach Gremiensitzungen ihrer Partei: "Was wäre eigentlich in diesem Lande los, wenn eine Reihe von, sagen wir, 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD. Das wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen."

AKK: "Welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich?"

Ein solcher Aufruf hätte eine heftige Debatte in diesem Land ausgelöst. "Und die Frage stellt sich schon mit Blick auf das Thema Meinungsmache, was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich, ja oder nein."

Dies sei eine fundamentale Frage, "über die wir uns unterhalten werden, und zwar nicht wir in der CDU, mit der CDU, sondern, ich bin mir ganz sicher, in der gesamten medienpolitischen und auch demokratietheoretischen Diskussion der nächsten Zeit wird das eine Rolle spielen."

Movassat: "Die CDU-Chefin legt die Axt an"

In den sozialen Netzwerken wurden ihre Worte am Montag dahingehend verstanden, sie habe die Regulierung von Meinungsäußerungen im Internet vor Wahlen angeregt. Auch Oppositionspolitiker meldeten sich zu Wort. So schrieb der FDP-Vorsitzende Christian Lindner bei Twitter: "@akk erwägt die Regulierung von Meinungsäußerungen vor Wahlen... Das kann ich kaum glauben. Wir brauchen im Gegenteil mehr offene Debatten, auch in Sozialen Medien."

Kramp-Karrenbauer erwiderte am Abend auf die Vorhaltungen, es sei absurd, "mir zu unterstellen, Meinungsäußerungen regulieren zu wollen". Hintergrund ist ein Wahlaufruf einer Reihe von Youtubern vor den Europawahlen, der sich insbesondere gegen CDU und SPD richtete.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion im Bundestag, Niema Movassat, twitterte dazu: "Die Äußerung der CDU Vorsitzenden AKK heute zu Äußerungen von Influencern ist ein beispielloser Angriff auf die Meinungsfreiheit. 70 Jahre Grundgesetz - und die CDU Chefin legt die Axt an. Die Frau ist keinesfalls weiter tragbar und sollte unverzüglich zurücktreten."

Kramp-Karrenbauer wehrt sich: "Frage der politischen Kultur"

AfD-Vize Georg Pazderski meinte: "Nach der herben CDU-Wahlschlappe bei der EU-Wahl bringt AKK eine Zensur des Internets vor Wahlen ins Gespräch. Die Angst der Altparteien vor den bevorstehenden Landtagswahlen im Herbst in Ostdeutschland wirft ihre Schatten voraus."

Und die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, meinte: "Ich glaube, dass die @akk nicht andere für das CDU-Ergebnis verantwortlich mache sollte. Wer die Klimakrise nicht anpackt verliert."

Youtuber Rezo: "CDU zerstört unser Leben und unsere Zukunft"

Kramp-Karrenbauer betonte am Abend via Twitter: "Meinungsfreiheit ist hohes Gut in der Demokratie. Worüber wir aber sprechen müssen, sind Regeln, die im Wahlkampf gelten." In einem weiteren Tweet schrieb sie: "Wenn einflussreiche Journalisten oder Youtuber zum Nichtwählen oder gar zur Zerstörung demokratischer Parteien der Mitte aufrufen, ist das eine Frage der politischen Kultur. Es sind gerade die Parteien der Mitte, die demokratische Werte jeden Tag verteidigen."

Insbesondere die CDU war vor den Wahlen von Youtubern scharf attackiert worden. In einem millionenfach geklickten Video hatte der Youtuber Rezo unter anderem gesagt, die CDU zerstöre "unser Leben und unsere Zukunft". Er warf der Partei vor, beim Klimawandel untätig zu sein und Politik für Reiche zu machen. Die CDU hatte lange mit der Frage gerungen, wie sie auf das Video reagiert. Nach ersten abweisenden Reaktionen hatte Generalsekretär Paul Ziemiak Versäumnisse eingeräumt.

Eine Einladung der Partei an Rezo zu einem Gespräch blieb bislang unbeantwortet. Jetzt droht der CDU im Debakel um das "Zerstörungs"-Video von Rezo ein neues Kommunikationsdesaster...

Lars Klingbeil: Scharfe Kritik an Kramp-Karrenbauer

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat inzwischen auch Kritik an den Aussagen der CDU-Chefin geübt. Es sei absurd, denn "niemand würde sich aufregen, wenn ein Schauspieler oder ein Sportler eine Wahlempfehlung abgibt", erklärte er. Er positionierte sich darüber hinaus ganz klar gegen ein etwaiges gesetzliches Vorgehen gegen Youtuber.