AZ-Interview

Gender-Expertin: "Viele Frauen kneifen die Augen ziemlich zu"


Paula-Irene Villa lehrt als Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Paula-Irene Villa lehrt als Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Von Anne Hund / Stadtviertel

Warum ist das Teilzeit-Modell gerade für Frauen offenbar immer noch so attraktiv? Die AZ hat mit Paula-Irene Villa gesprochen - sie ist Professorin für Allgemeine Soziologie und Gender an der LMU in München.

AZ: Frau Villa, warum ist das Teilzeit-Modell für Frauen immer noch so attraktiv?
PAULA-IRENE VILLA: Weil es ihnen ermöglicht, auch Care-Tätigkeiten auszuüben, das heißt, sich um Angehörige wie Kinder zu kümmern. In Teilzeit bleibt Zeit für die Familie, für den Haushalt, für die Organisation des Lebens. Sorge, also Care, wird nach wie vor ziemlich selbstverständlich als weibliche Zuständigkeit verstanden. Männer, etwa Väter, halten sich davon nach wie vor eher fern.

Scheidungen, wenig Rente - Frauen wissen heutzutage doch um mögliche Folgen. Warum laufen manche sehenden Auges in ihr Unglück?
Sagen wir so: Statistisch gesehen kneifen viele Frauen die Augen ziemlich fest zu. Wir wissen aus Studien einerseits, dass junge Frauen und Männer gleichberechtigt leben und sich Nichts von Geschlechterstereotypen diktieren lassen wollen. Andererseits aber wissen wir aus empirischen Studien auch, dass Frauen und auch Männer allzu romantische - also auf die Dauer falsche - Vorstellungen davon haben, wie Geld, Geschlecht und Liebe miteinander zusammenhängen.

Warum ist vielen nicht klar, wie wichtig finanzielle Unabhängigkeit ist?
Letztlich hängt das auch mit der weit verbreiteten Vorstellung zusammen, dass "richtige" Frauen nicht auf Beruf und Geld, sondern nur auf Liebe und Familie aus sind. Wer anders denkt, riskiert immer noch, als "nicht-richtige" Frau gesehen zu werden. Wie Männer übrigens im umgekehrten Fall: Wenn sie sich zu sehr an Familie, Kinder, Haushalt orientieren und weniger an Geld und Karriere, gelten sie als Luschis. Frauen, heißt es, haben es nicht nur schwerer, in Führungspositionen zu gelangen - vielfach wollen sie sie gar nicht ausüben.

Warum?
Zunächst: Das ist eine nicht ganz zutreffende Behauptung. Das stellt sich in wissenschaftlichen Studien zumindest uneindeutiger dar. Aber es stimmt schon auch, dass Frauen sich oftmals weniger zutrauen oder zurückweichen. Das liegt daran, dass sich Macht, Stärke, Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen, professionelle "Aggression" immer noch nicht gut mit Weiblichkeit vertragen. Hinzu kommt, dass Frauen mehr als Männer an den Preis denken, den solche Jobs kosten.

Nämlich?
Wenig Zeit für Familie oder extreme Mobilitätsanforderungen. Es ist leicht, den Frauen die Verantwortung in die Schuhe zu schieben, es ist auch nicht ganz falsch. Aber wer kümmert sich denn dann um die älter werdenden Eltern, die Kinder, das Ehrenamt in der Nachbarschaft; wer putzt, kocht, pflegt den Balkon oder geht zum Elternabend? Die Lösung kann nicht darin bestehen, dass wir dies alles auslagern an extrem schlecht bezahlte und ausgebeutete andere Frauen.

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