Kommentar

Neue Unsicherheit in Spanien


Regierungschef Mariano Rajoy will sich weiter an der Spitze halten - doch derzeit möchte niemand mit ihm paktieren.

Regierungschef Mariano Rajoy will sich weiter an der Spitze halten - doch derzeit möchte niemand mit ihm paktieren.

Spanien erlebt eine neue Ära: Nach der Wahl am Sonntag sitzen vier Parteien mit starken Fraktionen im Parlament, die Jahrzehnte währende Vorherrschaft der hart abgestraften Konservativen und Sozialisten ist vorüber. Angetrieben von einer zuvor kaum gekannten Politikbegeisterung haben auch die Linkspartei Podemos und die liberale Partei Ciudadanos deutlich den Einzug geschafft. Die Spanier setzen mit ihrer Abstimmung ein Zeichen für eine lebendige Demokratie, aber sie bringen dem Land zugleich neue Unsicherheit: Die Regierungsbildung wird bei der derzeitigen Konstellation äußerst schwierig - wenn nicht gar unmöglich.

Großes Durcheinander ist programmiert. Der konservative Regierungschef Mariano Rajoy will sich an der Spitze halten, doch derzeit möchte niemand mit ihm paktieren. Auch ein Mitte-links-Bündnis hat keine Mehrheit im Parlament. Und so stehen Spanien schwierige Wochen der Koalitionsverhandlungen bevor - mit ungewissem Ausgang. Dabei dürfte für das Land jetzt nichts wichtiger sein als eine stabile Regierung, die die eingeschlagenen Reformen weiterführt. Spanien ist noch nicht über den Berg - die Arbeitslosigkeit ist mit über 20 Prozent weiter extrem hoch -, auch wenn der Sparkurs bereits Früchte trägt: In diesem Jahr rechnet die Regierung mit einem Wirtschaftswachstum von über drei Prozent. Das ist ein sehr positives Signal aus dem Krisenland für die gesamte Euro-Zone. Ministerpräsident Rajoys Motto "Man muss arbeiten, um Früchte zu ernten" funktioniert.

Gleichwohl sind es die Konservativen selbst, die diese positive Entwicklung immer wieder aufs Spiel setzen. Seit Jahren wird die spanische Politik von riesigen Korruptionsaffären geplagt; erst dadurch konnten die Linkspopulisten von Podemos überhaupt so viel Zuspruch gewinnen. Das schwache Ergebnis bei der Parlamentswahl sollte den etablierten Konservativen und Sozialisten deshalb ein Denkzettel sein. Nur mit ehrlicher und nachvollziehbarer Politik werden sie zu alter Stärke zurückfinden und Spanien ganz aus der Wirtschaftskrise führen können.