CSU-Klausur in Wildbad Kreuth

Kreuther Flüchtlingsdepression: Düstere Vorzeichen


CSU-Klausurtagung im Bildungszentrum der Hanns-Seidel-Stiftung in Wildbad Kreuth

CSU-Klausurtagung im Bildungszentrum der Hanns-Seidel-Stiftung in Wildbad Kreuth

Von Monika Müller

Die Flüchtlingskrise schlägt schwer aufs Gemüt. Viele glauben: 2016 wird ein Schicksalsjahr - und die Zeichen stehen nicht gut.

Scheinbar alles wie immer in Wildbad Kreuth: Schnee, Wintersonne und eine CSU, die sich feiert. "Kreuth und die CSU-Landesgruppe werden auch in Zukunft die kreative Unruhe in der deutschen Politik ausmachen", frohlockt Parteichef Horst Seehofer beim Festakt zu 40 Jahren Kreuther CSU-Klausuren. Kreuth sei das "Original aller Klausuren" und der Mythos werde auch in den nächsten 40 Jahren bestehen. "Der Kreuther Geist ist legendär und (...) das medizinische Wunder ist, er berauschte jedes Jahr aufs Neue, obwohl er immer in der Flasche geblieben ist."

Doch selten war die Diskrepanz zwischen Außendarstellung und tatsächlicher Stimmung so groß wie diesmal. In Wahrheit ist bei der CSU niemandem zum Feiern zumute. Viele CSU-Bundestagsabgeordnete erscheinen so gedrückt wie lange nicht. "Unsere Klausurtagungen waren nie nur zum Feiern da", sagt CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Im Mittelpunkt stehe immer die Arbeit.

Die Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht haben die ohnehin sehr schwierige Lage in der Flüchtlingskrise für die Union noch verschlimmert: Wenn Bürger das Gefühl haben, im eigenen Land nicht mehr sicher zu sein, rührt das am Markenkern von CDU und CSU, an dem von ihnen gepflegtem Image, die Parteien der Inneren Sicherheit zu sein. "Ein Desaster", heißt es in Kreuth. Dass die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geforderte europäische Lösung der Flüchtlingskrise schnell zustande kommt, glaubt hier kaum einer.

So wie die Zahl der Flüchtlinge steigt, so schwindet das christsoziale Vertrauen in Merkel. "Die Problemlösungskompetenz ist nicht da", seufzt ein CSU-Abgeordneter in einer eigenwilligen Formulierung. In der ersten Januarwoche überschritten im Schnitt 2600 neue Flüchtlinge pro Tag die österreichisch-deutsche Grenze. Die von Seehofer für das ganze Jahr geforderte Obergrenze von 200 000 Asylbewerbern könnte bereits vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 13. März erreicht werden.

Der Wahltag ist ein entscheidendes Datum für die Union. Seehofer will zwar den Druck auf Merkel aufrechterhalten - doch vermeiden, im Kanzleramt für eine mögliche CDU-Pleite verantwortlich gemacht zu werden. Wichtig für die CDU sind insbesondere Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Kann die CDU in beiden Ländern die Macht von Grünen und SPD zurückerobern, wäre das zumindest eine Atempause für Merkel. Doch gibt es größere CDU-Stimmverluste und zweistellige Ergebnisse für die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD), wird Seehofer voraussichtlich die Daumenschrauben weiter anziehen.

Frank-Jürgen Weise, Chef des Bundesamts for Migration und Flüchtlinge (BAMF), trägt mit seinem Gastvortrag in Kreuth zur gedrückten Stimmung bei: 660 000 Asylfälle warten auf Bearbeitung - 300 000 Flüchtlinge haben wegen Überlastung der Behörde bisher noch gar keinen Asylantrag stellen können, obwohl viele bereits vor Monaten registriert wurden. Und 360 000 warten noch auf ihren Bescheid.

Seehofer betont beim Festabend: "Wir wollen das Problem mit Merkel lösen. Aber wir wollen es lösen." Als Merkel am Mittwoch zur Auftakt der Klausur gekommen war, fragte der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber nach ihrem Plan B für die Flüchtlingskrise. Was will sie machen, wenn eine europäische Lösung scheitert? Doch Merkel wollte keinen Plan B nennen - mit dem Argument, dass dann die EU-Kollegen von vornherein keiner europäischen Lösung mehr zustimmen würden.

Der Kreuther CSU-Klausur folgt die Klausur des CDU-Bundesvorstands. Diese ist meistens in einem Land, in dem Landtagswahlen anstehen. Diesmal in Mainz. Nach den Kölner Übergriffen auf Frauen fordern beide Schwesterparteien deutliche Gesetzesverschärfungen. Nach Meinung der CDU-Spitze sollen gewalttätige Flüchtlinge ihren Asylstatus verlieren, wenn sie zu einer Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt werden. Die CSU geht weiter: In Schnellverfahren sollen Straftäter sofort ausgewiesen werden.

Doch entscheidend wird die Reduzierung der Zahlen sein. Seehofers Leitsatz: "Dieses Jahr muss die Wende bringen." Die große Frage: Auf welche Weise wird die Wende sich vollziehen - und wie groß wird der politische Schaden für CDU und CSU sein?