Auf dem Weg zum Weltrekord

Herr Ortolf, wie breche ich einen Weltrekord?


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André Ortolf ist der deutsche Spezialist für Weltrekorde. Auf der Jagd nach neuen Bestleistungen trainiert er regelmäßig kuriose Disziplinen.

Einen Weltrekord brechen – diesen ambitionierten Vorsatz hat unser Autor gefasst. Doch wie geht das überhaupt? Der Augsburger André Ortolf (27) muss es wissen. Kein Deutscher hält mehr Guinness-Weltrekorde als er, im Februar will er zur weltweit jüngsten Person mit 100 Weltrekorden gleichzeitig werden. Welche Tipps kann er jemandem geben, dessen Bestleistungen in Teilnahmeurkunden bei den Bundesjugendspielen gipfelten?

Herr Ortolf, ich bin weder außerordentlich sportlich, noch würde ich mich als besonders talentiert bezeichnen. Wie schaffe ich es, einen Weltrekord zu brechen?

André Ortolf: Sie sind nicht untalentiert, sondern haben Ihre Fähigkeiten vielleicht einfach noch nicht entdeckt. Bei den Weltrekorden geht es ja weitestgehend um verrückte Disziplinen. Sie haben beispielsweise wohl noch nicht versucht, Wackelpudding mit Stäbchen zu essen. Das heißt: Sie können nicht sagen, dass Sie darin gut oder schlecht sind, weil Sie vieles schlichtweg noch nicht probiert haben.

Kann also jeder einen Weltrekord brechen?

Ortolf: Natürlich, es gibt für alles und jeden einen Weltrekord. Die wichtigste Sache ist, es einfach mal auszuprobieren und herauszufinden, wo die eigenen Stärken liegen.

Die Bandbreite an Rekorden ist riesig. Wie finde ich einen, den ich brechen kann?

Ortolf: Das Guinness-Buch der Rekorde als die bedeutendste Sammlung von Rekorden ist da ein guter Startpunkt. Auf den entsprechenden Social-Media-Auftritten werden zudem immer die neuesten Rekorde präsentiert. Wer einen kostenlosen Guinness-Account hat, kann auch auf das riesige Rekordarchiv zugreifen und über die Suchfunktion den passenden Rekord finden.

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Rund zwei Jahre trainierte André Ortolf für zwei Rekorde, bei denen er eine Fackel mit seinen Zähnen hielt. Die Rekordzeit: 5 Minuten und 26 Sekunden. Blind gelang ihm dieses Kunststück sogar noch acht Sekunden länger.

Gehen auch Sie so auf der Suche nach neuen Rekorden vor?

Ortolf: Ja, man muss schon ein bisschen suchen. Das ist ein gewisser Aufwand. Darüber hinaus habe ich natürlich auch immer ein Auge darauf, was die Rekord-Konkurrenz macht.

Brechen Sie ausschließlich bestehende Rekorde oder kreieren Sie auch neue?

Ortolf: Neue Rekorde bei Guinness einzureichen ist sehr schwierig, weil es schon für fast alles einen Weltrekord gibt. Es gibt zwar die Möglichkeit, für eine geringere Geldsumme neue Rekorde vorzuschlagen, aber die Chance auf Erfolg ist sehr gering. Das mache ich jetzt gar nicht mehr.

Was haben Sie denn vorgeschlagen?

Ortolf: Ich bin ein sehr guter Esser und wollte beispielsweise unbedingt einen Weltrekord für Kaiserschmarrnessen kreieren. Das hätte mir Spaß gemacht, wurde aber leider nicht anerkannt. Zumindest kreiert Guinness aber relativ häufig auch selbst neue Rekorde, da breche ich ab und zu auch welche.

Zur Person André Ortolf

André Ortolf ist der deutsche Weltrekordexperte. Derzeit hält der Augsburger 97 Guinness-Rekorde, noch im Februar will er die 100 voll machen – der 27-Jährige wäre damit weltweit die mit Abstand jüngste Person, die diese Marke erreicht. Seinen ersten Rekord brach Ortolf im Jahr 2013 – damals stellte er eine neue Bestmarke für einen Sprint mit Clogs auf. „Dann hat mich das Rekordfieber endgültig gepackt“, sagt er. Mit seinen Rekordversuchen ist Ortolf mittlerweile regelmäßig Gast in TV-Shows – im Februar dreht er etwa rund drei Wochen lang fürs italienische Fernsehen. „Durch solche Auftritte verdiene ich auch ein wenig Geld. Reich werde ich nicht, aber es ist ein recht guter Nebenverdienst.“ Der Spagat zwischen dem Beruf und seinem zeitaufwendigen Hobby sei für Ortolf „nicht immer einfach, aber es lässt sich schon einigermaßen bewerkstelligen." Ortolf arbeitet als Geschäftsführer in der Recycling-Firma seiner Familie.

Welche Eigenschaften muss ich mitbringen, um einen Weltrekord zu brechen?

Ortolf: Ehrgeiz und Ausdauer sind am wichtigsten. Wenn man einen Rekord anfängt, muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Ergebnisse am Anfang Scheiße sind. Das ist völlig normal. Aber bei den Versuchen findet man oft Kniffe und Kleinigkeiten und wird so immer besser. Da muss man dabei bleiben und darf nicht gleich die Flinte ins Korn werfen.

Was muss ich bei einem Rekordversuch beachten?

Ortolf: Wenn es um die Anerkennung eines Rekords geht, ist Guinness sehr, sehr streng. Es ist sehr wichtig, die Richtlinien einzuhalten. Da ist ziemlich genau beschrieben, was man zu tun oder zu lassen hat. Zudem ist es wichtig, den Rekord sehr gut zu dokumentieren. Das heißt Zeugen, Videoaufnahmen, Bilder. Manchmal sind auch Nachweise nötig, woher die benutzten Materialien kommen.

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Bei seinen Rekordversuchen erhält André Ortolf regelmäßig Hilfe von Freunden und der Familie.

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Mit seinen Weltrekorden ist André Ortolf Dauergast im Guinness-Buch der Rekorde. "Insgesamt habe ich wohl rund 300 Weltrekorde aufgestellt, ins Buch schaffe ich es eigentlich fast jedes Jahr - mal größer, mal kleiner."

Was waren die kuriosesten Weltrekorde, die Sie gebrochen haben?

Ortolf: Da ist alles dabei. Beim Essen halte ich beispielsweise Rekorde mit Wackelpudding, Joghurt oder Erdnussbutter. Zuletzt habe ich zwei Weltrekorde gebrochen, bei denen ich eine brennende Fackel mit den Zähnen gehalten habe. Einmal sogar mit verbundenen Augen.

Hört sich gefährlich an.

Ortolf: Die eine oder andere Brandverletzung war schon dabei. Ich musste deshalb immer wieder Pausen machen. Letztlich habe ich wohl rund zwei Jahre trainiert, bis ich den Rekord hatte. Ich wollte den Rekord aber unbedingt brechen, weil ich ein Feuerfan bin. Da gab es auch andere Disziplinen wie Fackeln mit dem Mund löschen, aber das hat nicht so gut funktioniert bei mir.

Für welchen Rekord mussten Sie am meisten Zeit investieren?

Ortolf: Der Fackelrekord war schon sehr zeitintensiv. Ich habe aber auch bei den Rekorden sehr lange gebraucht, bei denen ich etwas mit Stäbchen essen musste – Wackelpudding beispielsweise.

Wie viel Zeit fließt bei Ihnen in einer normalen Woche ins Rekordbrechen?

Ortolf: Das ist schwer zu sagen - manchmal mehr, manchmal weniger. Der größte Zeitaufwand ist oft gar nicht mal das Training. Recherchieren oder das richtige Material finden sind oft größere Zeitfresser. Ich bin sehr akribisch, was Technik und das richtige Material angeht. Das kostet dann viel Zeit.

Erhalten Sie bei Ihren Rekordversuchen auch Unterstützung Ihrer Familie und Ihrer Freunde?

Ortolf: Ich bekomme da sehr viel Hilfe. Mal abgesehen davon, dass sie mir regelmäßig als Zeugen helfen, halte ich ja auch sehr viele Teamrekorde. Ein Großteil meiner Familie und meiner Freunde hat deshalb auch einen Weltrekord. Das sind meist so Geschichten wie Fangen und Werfen. Wir haben beispielsweise Rekorde gebrochen, bei denen wir Tennisbälle oder Zitronen blind gefangen haben. Bei solchen Kategorien halten dann beide Teammitglieder den Weltrekord.

Sind die Rekorde für Sie mittlerweile überhaupt noch etwas Besonderes?

Ortolf: Natürlich - ein erfolgreicher Versuch ist auch immer ein Grund zum Feiern. Als die Clubs noch offen waren, war es ganz normal, dass ich meinen besten Kumpel angerufen und gesagt habe: „Ich müsste schnell nen Weltrekord aufnehmen, kannst du vorbeikommen?“ Wenn alles gut lief, haben wir den Rekord gebrochen und sind danach zum Feiern gegangen. Ich glaube, mein bester Kumpel hat mit Sicherheit schon 500, 600 Rekordversuche mitbekommen, davon waren mindestens 200 erfolgreich.

Es kommt also oft vor, dass ein Rekordversuch fehlschlägt?

Ortolf: Einen Rekord beim ersten Versuch zu brechen, ist die Ausnahme. Aber nach viel Übung breche ich meist die Rekorde, die ich auf meiner Liste habe. Ich habe genug Ehrgeiz, um irgendwann zu sagen: Der wird jetzt auch gemacht! Jeder Rekord ist irgendwie machbar, wenn man lange genug trainiert.

Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?

Ortolf: Oft denke ich natürlich: Scheiße, jetzt komme ich nicht weiter. Aber manchmal hat ich dann so Tage, da steh ich auf und denke: Heute klappt irgendwie alles. Dann setze ich mich wieder hin und überlege: Wie könnte ich das jetzt angehen? Warum hat das nicht funktioniert? Wo ist der Haken? Das passiert bei manchen Rekorden einmal, bei manchen drei Mal und bei manchen zehn Mal.

Ist es im Laufe der Jahre schwieriger geworden, Weltrekorde zu knacken?

Ortolf: Ich denke schon. Als ich angefangen habe, hatte Social Media ja noch nicht so einen großen Stellenwert wie heute. Mittlerweile wird eigentlich jeder Rekord durch die Medien gezogen und dementsprechend kennt den auch jeder. Dadurch gibt es natürlich auch mehr Konkurrenz. Aber es ist ein Spiel, da gewinnt der Beste. Und der hat dann eben den Weltrekord.

Wie oft kommt es vor, dass Sie Weltrekorde verlieren?

Ortolf: Durchschnittlich verliere ich im Jahr wohl fünf bis sieben Rekorde. Die meisten hole ich mir dann irgendwann wieder zurück – auch wenn das manchmal dauert.

Welche Weltrekorde stehen demnächst auf dem Plan?

Ortolf: Im Februar wollen wir in einer TV-Show mehrere Rekorde brechen. Die darf ich aber noch nicht verraten. Privat trainiere ich derzeit für zwei Laufrekorde. Die schnellsten 100 Meter in Clogs und die schnellsten 100 Meter blind. Wenn alles gut läuft, knacke ich die 100-Rekord-Marke schon im Februar.