Kommentar

Gesundheit hat Vorfahrt


Alexander Dobrindt schürt weiterhin Ängste bei Besitzern älterer Dieselfahrzeuge.

Alexander Dobrindt schürt weiterhin Ängste bei Besitzern älterer Dieselfahrzeuge.

In Deutschland sterben jährlich etwa 7.000 Menschen vorzeitig durch Abgase aus dem Straßenverkehr. Das sind doppelt so viele wie durch Verkehrsunfälle. Der zulässige Grenzwert an Stickoxiden in der Luft wird in etlichen deutschen Großstädten seit Jahren überschritten.

Es ist sogar schon so weit, dass die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik betreibt, weil die offensichtlich nicht willens ist, ihre Bürger vor diesen Schadstoffen zu schützen, die die Atemschleimhäute angreifen und zu Herz-Kreislauf-Krankheiten führen können. Und was tut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt? Er blockiert und schürt Ängste bei Besitzern älterer Dieselfahrzeuge.

Rechtliche Grundlage fehlt

Viele deutsche Großstädte würden ihre Umweltzonen gern verschärfen und auch solchen Fahrzeugen die Einfahrt verweigern, die zu viele Stickoxide ausstoßen. Dann kämen nur noch Autos in die Innenstädte, die eine neue blaue Umweltplakette hätten. Das wären etwa 60 Prozent aller Autos, die 2014 neu zugelassen wurden. 40 Prozent und viele ältere Modelle müssten also draußen bleiben - wie gesagt: nur in Städten, die das selbst zum Schutz ihrer Bürger so beschließen, und nur nach längeren Übergangsfristen.

Das Problem: Die Städte haben dafür keine rechtliche Grundlage. Die haben die Umweltminister von Bund und Ländern zwar schon im Frühjahr angeregt, aber Dobrindt stellt sich quer. Sein Argument: Die Pläne seien "mobilitätsfeindlich" und "ein faktisches Einfahrtverbot für Dieselfahrzeuge".

Dobrindt sollte seine Blockade beenden

Natürlich wird das dem einen oder anderen wehtun. Natürlich braucht es Ausnahme- und Übergangsregelungen, etwa für Handwerker, die auch in der Innenstadt auf ihren Lieferwagen angewiesen sind. Aber letzten Endes ist der Gesundheitsschutz mehr wert als das angebliche Recht, mit jedem beliebigen Auto an jeden beliebigen Ort zu fahren. Ein großer Anteil jener, die zum Beispiel in München innerhalb der Mittleren Rings mit dem Auto unterwegs sind, könnten genauso gut mit S-Bahn, U-Bahn, Tram oder Bus fahren.

Dobrindt sollte seine Blockade beenden. Die wahren Mobilitätsfeinde sind jene, die im 21. Jahrhundert immer noch auf Straßenbau setzen, statt endlich das Angebot im öffentlichen Verkehr attraktiv zu machen - so attraktiv, dass es keine Einfahrtverbote mehr braucht.