Wirtschaftsexperte im Interview

Friedrich Schneider: „Terrorismus kostet so gut wie nichts“


"Am Ende werden wir um nationale Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen nicht herumkommen", sagt Professor Schneider.

"Am Ende werden wir um nationale Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen nicht herumkommen", sagt Professor Schneider.

Von Regina Hölzel

Seit Jahrzehnten beschäftigt sich Prof. Dr. Friedrich Schneider mit Schattenwirtschaft. Im Gespräch mit Verleger Dr. Hermann Balle und Redakteuren unserer Zeitung im Verlagshaus in Straubing erklärt er, wie man das Geschäftsmodell panamesischer Briefkastenfirmen zusammenbrechen lassen könnte und warum eine Bargeld-Obergrenze im Kampf gegen den Terrorismus nichts hilft. Angesichts der jüngsten Zuwanderungswelle fordert der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Linz ein Einwanderungsgesetz.

Herr Professor Schneider, Sie haben an die 20 wichtigsten Industriestaaten appelliert, aus Staaten wie Panama keine Zahlungen mehr anzunehmen. Würde das helfen?

Schneider: Das wäre hoch wirksam: Wenn die G7 oder die G20 sich einigen, für die Länder, die solche Kanzleien mit Briefkastenfirmen zulassen, die weder die Geldwäsche-Richtlinien beachten noch die Auskunftspflicht verfolgen, das Swift-System auszusetzen. Swift ist eine belgische Firma, die internationale Transaktionen durchführt. Dann würde das Geschäftsmodell einer Briefkastenfirma sofort zusammenbrechen.

Wie viele dieser jetzt aufgedeckten Briefkastenfirmen sind denn überhaupt strafrechtlich relevant? Grundsätzlich ist es ja legitim, eine Firma in Panama zu haben.

Schneider: Von den etwa 300.000 aufgedeckten Konten gehören gut 50 Prozent kriminellen Organisationen: Rauschgifthandel, Menschenhandel und so weiter. Weitere zehn Prozent sind Konten von Despoten oder ihren Vertrauensleuten. Erstens haben die Diktatoren selber dort Geld liegen für den Fall, dass sie einmal verjagt werden. Zweitens verwenden sie diese Konten, um Luxusgüter, Waffen oder Ähnliches zu bezahlen. Ungefähr 20 Prozent ist klassische Steuerhinterziehung. Das sind meist Amerikaner und Europäer, die mindestens 200.000 bis 300.000 Euro Steuern hinterzogen haben, das Geld auf solchen Konten verschleiern und ab und zu etwas davon abheben.

Und der Rest?

Schneider: Der Rest sind ehrliche Leute. Es gibt ja auch in Deutschland Leute, die sagen: Ich will einfach, dass niemand erfährt, wie viel Geld ich habe. Das ist legal, das ist versteuertes Geld, die können damit machen, was sie wollen. Darum würde ich diese Konten auch nicht verbieten. Ich würde nur die betroffenen Länder zwingen, sich an die internationalen Spielregeln zu halten.

"Der Anschlag in Belgien hat keine 6.000 Euro gekostet"



Stichwort kriminelle Organisationen: Wie finanziert sich eigentlich der Islamische Staat (IS)?

Schneider: Der IS finanziert seine Aktivitäten im Ausland durch das Hawala-Banksystem. Das ist das älteste Banksystem der Welt, entstanden unter den Beduinenvölkern, die Vertrauensleute an den Handelsrouten hatten - ein reines Vertrauenssystem. Der IS nützt dieses System genauso. Wobei man dazusagen muss: Terrorismus kostet so gut wie nichts. Der ganze Anschlag in Belgien hat keine 6.000 Euro gekostet. Die mussten das Taxi bezahlen und das Bombenbauen. Das kann problemlos bar bezahlt werden.

Eine Bargeld-Obergrenze hilft also nichts gegen Terrorfinanzierung?

Schneider: Das bringt überhaupt nichts. Die 5.000 Euro, die da diskutiert wurden, sind eh schon enorm hoch. Schon zwei Personen haben dann 10.000 Euro - damit kann ich, was Terror anbelangt, alles bezahlen.

Gibt es überhaupt irgendetwas, das helfen kann, Zahlungsströme von Terroristen einzudämmen?

Schneider: Eigentlich nichts, solange wir einen freien Kapitalmarkt haben. Anders ist es beim Staatsgebilde des IS in Syrien und im Irak: Es finanziert sich laufend aus illegalen Erdöleinnahmen und aus Kunstraub. Da sind Scheinfirmen wieder sehr praktisch. Die Kunstgegenstände werden in Freihäfen wie Amsterdam oder Singapur deponiert, dann finden verdeckt Auktionen statt, die Käufer überweisen das Geld auf das Konto einer Briefkastenfirma und holen ihr Kunstwerk ab. Das könnte man effizient verfolgen, wenn der Freihafen dokumentieren muss, was da gelagert wird. Die zweite Einnahmequelle des IS ist das illegale Erdöl. Jeden Tag kommen zwischen 80 und 120 Laster mit Erdöl aus dem IS-Gebiet in die Türkei. Das wird umgeladen und zu den üblichen Marktkonditionen verkauft. Das Geld bekommt der IS über Scheinfirmen in Bankoasen. Wenn man das rigoros unterbände, würde man dem IS das Leben sehr schwer machen.

"Ich würde ein Flüchtlingsprofil erstellen"

Sie haben sich auch eingehend mit den ökonomischen Folgen der aktuellen Zuwanderungswelle befasst und fordern ein Einwanderungsgesetz. Was soll das bringen?

Schneider: Deutschland ist wieder ein aktives Einwanderungsland geworden. Auch vor der Flüchtlingswelle hatten wir eine Nettozuwanderung von 500.000 bis 600.000 pro Jahr. Das brauchen wir auch wegen unserer stark überalterten Gesellschaft und damit die Jobs besetzt werden können. Jetzt haben wir zwischen 800.000 und einer Million zusätzliche Flüchtlinge. Ich würde über die sofort ein Profil erstellen, ob die zu unseren Anforderungen an Einwanderer passen: Sind da Facharbeiter, Ingenieure oder Computertechniker dabei? Die würde ich aus dem Flüchtlingsstatus heraus in das normale Einwanderungskontingent übernehmen. Das sind nicht viele, vielleicht 15 Prozent. Aber immerhin!

Und die anderen?

Schneider: Den anderen würde ich sagen: Wir bieten dir Schutz und Unterkunft, aber vom ersten Tag an arbeitest du. Du lernst zwei, drei Stunden am Tag Deutsch und fünf, sechs Stunden machst du was. Und wenn du nur im Park das Laub zusammenfegst. Wir könnten so viele Kommunen mit vielen Aufgaben entlasten. Da würde man auch niemandem einen Arbeitsplatz wegnehmen. Irgendwas kann jeder. Die meisten sind junge, kräftige Männer. Wenn so ein Flüchtling wirklich von Anfang arbeitet und dazulernt, liegt er nach fünf bis sieben Jahren dem deutschen Staat nicht mehr auf der Tasche. Aber am Ende werden wir um nationale Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen nicht herumkommen.