Präsident der Bundessteuerberaterkammer

Corona: "Hilfsprogramme sind sehr komplex "

Prof. Dr. Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer

Prof. Dr. Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer

Prof. Dr. Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer, spricht im Interview mit idowa über die Komplexität der Corona-Hilfen, über mögliche Gründe für eine zögerliche Inanspruchnahme der Hilfeleistungen und über eine klarere Kommunikation, die er sich an manchen Stellen seitens der staatlichen Akteure gewünscht hätte.

Wer ist überhaupt bezugsberechtigt in Bezug auf die Corona-Hilfen für November und Dezember?

Prof. Dr. Hartmut Schwab: Die Bundesregierung greift mit zahlreichen Corona-Hilfsprogrammen der angeschlagenen Wirtschaft unter die Arme - so auch mit der November- bzw. Dezemberhilfe. Das heißt konkret: Grundsätzlich können alle Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine oder Soloselbstständige die staatlichen Hilfen beantragen, wenn ihre wirtschaftliche Tätigkeit vom Lockdown im November beziehungsweise Dezember 2020 direkt oder indirekt beeinträchtigt war. So können beispielsweise Bars, Clubs, Theater oder Kinos, die ihren Geschäftsbetrieb schließen mussten, die Hilfen beantragen. Aber auch Unternehmen, die durch die Schließung anderer indirekt oder durch Dritte betroffen waren, wie die Wäscherei eines Hotels oder der Caterer, der über eine Veranstaltungsagentur für eine Messe engagiert wurde, können von der Hilfe profitieren. Voraussetzung für eine indirekte Betroffenheit ist, dass mindestens 80 Prozent der Umsätze mit direkt von den Lockdown-Maßnahmen betroffenen Unternehmen erzielt werden. Über Dritte sind Unternehmen dann betroffen, wenn sie regelmäßig mindestens 80 Prozent ihrer Umsätze durch Lieferungen oder Leistungen im Auftrag direkt betroffener Unternehmen über Dritte erzielen.

Wie muss eine Berechtigung nachgewiesen werden?

Schwab: Für die Antragstellung aufgrund einer direkten Betroffenheit müssen die Unternehmen zunächst beispielsweise anhand des Gewerbescheins oder des Handelsregisters nachweisen, dass sie vom coronabedingten Lockdown betroffen waren. Waren sie indirekt oder über Dritte beeinträchtigt, können sie dies beispielsweise anhand von Umsatzaufstellungen oder betrieblichen Auswertungen belegen.

Was ist bei der Antragstellung der Hilfen für den November zu beachten?

Schwab: Wir Steuerberater sind bei der Antragstellung der Corona-Hilfen erste Ansprechpartner. Denn wir beantragen die staatliche Unterstützung für unsere in Not geratenen Mandanten und fungieren als eine Art Gütesiegel. Um Missbrauch zu vermeiden, fließen die Fördergelder erst, wenn ein Berufsträger die Berechtigung bestätigt und den Antrag online gestellt hat. Die Besonderheit bei der November- und Dezemberhilfe: Anders als bei der Überbrückungshilfe können Soloselbstständige diese bis zu einer Billigkeitsleistung von 5.000 Euro auch ohne Steuerberater selbst beantragen. Aber nur wenn sie vorab noch keine Überbrückungshilfe erhalten haben. Zudem können Soloselbstständige, die oftmals keine oder kaum Fixkosten, aber dennoch hohe Umsatzausfälle haben, die Fördergelder auch für ihre Lebenshaltungskosten nutzen.

"Harte Eingangshürden sorgten für holprigen Start"

Mit welchen Dokumenten muss ein Umsatzausfall nachgewiesen werden?

Schwab: Um einen Umsatzausfall im Vergleich zum Vorjahr nachzuweisen, können Steuerberater unter anderem Umsatzsteuer-Voranmeldungen, die Umsatz-, Einkommens- beziehungsweise Körperschaftssteuererklärung 2019 oder den Jahresabschluss 2019 heranziehen. Soweit der Jahresabschluss 2019 oder andere erforderliche Kennzahlen noch nicht vorliegen, können sie auch auf den Jahresabschluss 2018 zurückgreifen. Ist das Unternehmen von der Umsatzsteuer-Voranmeldung befreit, prüft der Steuerberater die Plausibilität anhand der Umsatzsteuerjahreserklärung. Aber wie so oft, gilt auch hier: Jedes Mandat ist unterschiedlich. Welche Kennzahlen wie detailliert vorliegen müssen, hängt von den individuellen Umständen des jeweiligen Mandanten ab. Hier hilft vorab das direkte Gespräch mit dem Steuerberater.

Wie gestaltet sich das Zusammenspiel aus Hilfen des Bundes und Hilfen der Bundesländer?

Schwab: Der Antrag wird in dem Bundesland gestellt, in dem das Unternehmen ertragsteuerlich registriert ist. Eine Beantragung von Hilfen in mehreren Bundesländern ist demnach nicht möglich. Wenn es zwischen unterschiedlichen Landes- und Bundeshilfsprogrammen Überschneidungen beispielsweise hinsichtlich des Förderzeitraums gibt, muss gegebenenfalls eine Anrechnung erfolgen.

Vielfach wird das Verfahren als unnötig komplex charakterisiert. Wie ist Ihre Einschätzung hierzu?

Schwab: Sowohl das technische Verfahren mit einer gesonderten Registrierung und der Antragstellung als auch insbesondere die jeweiligen Hilfsprogramme, die sich erheblich voneinander unterscheiden, sind sehr komplex und werfen viele Einzelfragen auf. Diese beantwortet das BMWi [Anm. d. Red: Bundeswirtschaftsministerium] auch in dem FAQ [Anm. d. Red: Frage-und-Antwort-Seite] vielfach nicht eindeutig. Das liegt einerseits daran, dass Missbrauch verhindert werden soll und das Geld auch nur dort ankommt, wo es dringend benötigt wird. Andererseits soll eine höchstmögliche Einzelfallgerechtigkeit hergestellt werden. Dies erhöht die Komplexität dann zwangsläufig. Darüber hinaus gelten beispielsweise zwingende beihilferechtliche Vorgaben, die äußerst komplex sind.

Die Corona-Hilfen wurden und werden teils sehr zögerlich in Anspruch genommen. Was sind aus Ihrer Perspektive Gründe hierfür?

Schwab: Anfangs sorgten unter anderem die harten Eingangshürden für einen holprigen Start bei der Überbrückungshilfe eins. Hier reagierte die Bundesregierung aber erfreulicherweise auf die Rufe aus der Praxis und justierte bei der Überbrückungshilfe zwei dann nach. So können nun mehr Unternehmen umfassendere Fördersummen beantragen. Auch war die Kommunikation teilweise misslich: Zwar stehen alle staatlichen Hilfsprogramme - so auch die Corona-Hilfen der Bundesregierung - unter dem Vorbehalt des EU-Beihilferechts, aber die Auswirkungen dessen auf die Antragstellung der Überbrückungshilfe zwei hätten klarer kommuniziert werden müssen. Zumal viele Steuerberater die Anträge schon gestellt haben. Hier hätten wir uns mehr Umsicht gewünscht.

Wie gestaltet sich die Auszahlung der Novemberhilfen und wann ist mit einer Auszahlung der Dezemberhilfen zu rechnen?

Schwab: Die Bundesregierung hat bereits Ende November 2020 erste Abschlagszahlungen der Novemberhilfen ausgeschüttet. Das restliche Geld fließt seit dem 13. Januar 2021. Die Dezemberhilfen will die Bundesregierung noch im Januar auszahlen.

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