„Glücklichstes Tier der Welt“
Australiens Selfie-Stars: Zu Gast bei den lächelnden Quokkas
Rundes Gesicht, niedliche Öhrchen, Knopfaugen und scheinbar immer ein Lächeln auf den Lippen: Quokkas haben sich einen Ruf als „glücklichste Tiere der Welt“ erobert. Die kleinen Beuteltiere, die fast ausschließlich auf der Insel Rottnest Island vor der Südwestküste Australiens leben, sind zu einem Internet-Phänomen geworden - in Zeiten weltweiter Krisen lösen solch zuckersüße Muntermacher gerne mal einen Boom aus.
Ob Videos, GIFs oder Memes - die auch als Kurzschwanzkänguru bekannten Quokkas sind mit ihrer fröhlichen Mimik längst in die Herzen von Usern in aller Welt gehüpft. Mit #quokkaselfie gibt es natürlich auch einen eigenen Hashtag. Aber um es mal vorwegzunehmen: Sie lächeln gar nicht immer. Geduld ist nötig, um sie aus dem richtigen Winkel abzulichten - aber wenn dies gelingt, dann bekommen sie das Grinsen zumindest auf den Smartphone-Bildern nicht mehr aus dem Gesicht.
„Dass es so aussieht, als würden sie lächeln, liegt tatsächlich an ihrer einzigartigen Kieferstruktur“, sagt Arvid Hogstrom, Direktor für Umwelt, Kulturerbe und Parkdienste bei der Rottnest Island Authority. „Das verleiht ihnen im Grunde nur die Illusion eines Lächelns.“
Sei's drum. Denn eins sind Quokkas immer: extrem niedlich, besonders in diesen Wochen, in denen sie gerade ihre Jungen, „Joeys“ genannt, zur Welt gebracht haben. Die lugen immer wieder vorwitzig aus dem Beutel der Mutter hervor, manche wagen sich auch schon mal vorsichtig tapsend in die Welt hinaus, allerdings immer in sicherer Nähe zur Mama.
Auf der größtenteils unbewohnten Insel, wo nur eine Handvoll Touristenunterkünfte, ein paar Läden und einige Restaurants betrieben werden, sind Quokkas die Superstars. Man kann sich des Eindrucks nichts erwehren, dass manche Besucherinnen und Besucher nur einen Tagestrip von Perth aus geplant haben, um die pelzigen Gesellen hautnah zu erleben.
Obwohl es überall Hinweisschilder zum richtigen Umgang mit den Tieren gibt, versuchen viele Touristen, um jeden Preis eines der ikonischen „Quokka-Selfies“ zu schießen. Dabei sagen Experten auf der Insel, dass ein Abstand von etwa zwei Metern deutlich besser wäre, um sie langfristig zu schützen. Leichter gesagt als getan, denn wenn der Mensch nicht zum Quokka kommt, kommt das Quokka häufig zum Menschen. Die Tiere sind extrem zutraulich, weil sie keine natürlichen Feinde auf ihrer Heimatinsel haben.
Irgendwie ist es auch kein Wunder, dass Quokkas so glücklich wirken: Das windumtoste Rottnest Island ist wild und wunderschön, voller felsiger Buchten und weißer Strände. Im türkisblauen Meer tauchen regelmäßig Wale in Küstennähe auf ihrem Weg in die Antarktis auf. Auch eine große Robbenkolonie tummelt sich im Westen der Insel nahe des Cape Vlamingh und planscht mit dem Bauch nach oben im Wasser.
Fast alle Gäste erkunden die Insel per Fahrrad oder zu Fuß - nur Mitarbeiter der Rottnest Island Authority sowie der Quokka-Touristenbus sind hier auf vier Rädern unterwegs. Auf dem Bus prangt übrigens - wie sollte es anders sein - ein riesiges Quokka.
Die Tiere sind etwa so groß wie eine gut genährte Hauskatze und führen ein recht gemütliches Leben: Sie sind nachtaktiv und dösen tagsüber gern im Schatten dichter Büsche. Munter werden sie oft am frühen Morgen und späten Nachmittag: Dann hüpfen sie auf Futtersuche kreuz und quer über die Insel. Auf dem Speiseplan stehen Gräser und Blätter - ganz wie bei ihren Verwandten, den Kängurus oder Wallabys. Quokkas sind gesellige Tiere und leben meist in Familiengruppen. Ihre Lebenserwartung liegt bei etwa zehn Jahren.
Der Name stammt vermutlich aus der Sprache der Noongar, der indigenen Australier der Region. Bei ihnen heißt auch die Insel anders, nämlich Wadjemup. Ihren gebräuchlicheren, wenn auch etwas seltsamen Namen verdankt die Insel dem niederländischen Kapitän Willem de Vlamingh, der hier im Dezember 1696 an Land ging. Als er die putzigen Quokkas erblickte, hielt er sie fälschlicherweise für übergroße Ratten - und taufte die Insel kurzerhand „Rotte nest“ (Rattennest).
Nach Schätzungen der Behörde Tourismus Western Australia leben etwa 10.000 bis 12.000 Quokkas auf der Insel. „Die Quokka-Population schwankt aber saisonal und von Jahr zu Jahr aufgrund verschiedener natürlicher Umweltbedingungen wie Niederschlag und Hitze“, sagt Hogstrom. Insgesamt gelten Quokkas als gefährdete Art.
So umstritten der Selfie-Boom auch sein mag, er hat positive Nebeneffekte. „Der Tourismus hat dazu beigetragen, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Quokkas eine gefährdete Art sind, was zu einer größeren Aufklärung über diese einzigartigen Tiere geführt hat“, sagt Hogstrom.
Tatsächlich setzt die Rottnest Island Authority auf Information statt Abschreckung: Schon auf der Fähre wird Besuchern per Video vermittelt, dass Quokkas schutzbedürftig sind. Auf der Insel angekommen, erklären Schilder, Broschüren und kostenlose Führungen, wie man den Tieren begegnet, ohne sie zu gefährden.
Es gelten klare Vorschriften: Anfassen und Füttern sind tabu. „Das Füttern von Quokkas kann zu Problemen mit ihrem Verdauungssystem führen und sie allgemein krank machen“, erläutert Hogstrom. Selbst Blätter aus Menschenhand seien problematisch, da die Tiere sonst ihre natürliche Nahrungssuche verlernten. Auch Wasser sollen Touristen nicht anbieten - Quokkas haben gelernt, Flüssigkeit aus Pflanzen zu ziehen.
Berührungen können die empfindlichen Tiere krank machen. „Es kann sogar dazu führen, dass Mütter ihre Jungen verlassen, wenn sie bei ihnen einen ungewohnten Geruch wahrnehmen.“
Wer gegen die Regeln verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen. „Nach den Rottnest-Island-Vorschriften von 1988 kann jede physische Interaktion mit einem Quokka zu einem Bußgeld von 200 Australischen Dollar (110 Euro) vor Ort führen. Es kann auch zu einer Ausweisung von der Insel kommen“, erklärt Hogstrom.
Die meisten Besucher aber halten sich dem Experten zufolge an die Vorgaben und interagieren angemessen mit den Quokkas. Und das heißt, die Tiere am besten einfach nur mit etwas Abstand in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten. Schließlich befinden sich Gäste hier im Reich der glücklichsten Tiere der Welt - und das soll auch so bleiben.