Lungentransplantation

Sarah Schott kann endlich "einfach atmen"


Vor gut einem halben Jahr musste die 24-jährige Sarah Schott noch regelmäßig beatmet werden. Nur wenige Monate nach der Lungentransplantation einen Ausflug auf die Insel Norderney machen - ganz ohne Rollstuhl und Sauerstoffgerät.

Vor gut einem halben Jahr musste die 24-jährige Sarah Schott noch regelmäßig beatmet werden. Nur wenige Monate nach der Lungentransplantation einen Ausflug auf die Insel Norderney machen - ganz ohne Rollstuhl und Sauerstoffgerät.

Neue Lunge, neues Leben: Noch vor gut einem halben Jahr war für Mukoviszidose-Patientin Sarah Schott aus Ida-Oberstein (Rheinland-Pfalz) noch jeder Schritt und jeder Atemzug ein Kampf ums Überleben. Dank einer Lungentransplantation im Juni kann die 24-Jährige inzwischen sogar wieder Fahrradfahren. Im Interview mit idowa spricht die Studentin über das neue Gefühl, einfach atmen zu können, und warum sie findet, dass das Thema Organspende jeden etwas angeht.

Frau Schott, wie fühlt sich das neue Leben ohne Atemnot an?

Sarah Schott: Oft noch total unglaublich. Ich kenne das ja schon seit ganz langer Zeit nicht mehr. Es gibt immer neue Sachen, bei denen ich mir denke, wow, das geht so einfach oder das ist ja total toll, dass ich das wieder machen kann. Ich entdecke das Leben noch einmal ganz neu.

Vor gut einem halben Jahr sah das noch anders aus.

Vor allem die letzten Monate vor der OP ging fast gar nichts mehr. Ich hatte massive Luftnot und habe viel mehr Zeit im Krankenhaus als zu Hause verbracht. Ich habe auch immer Sauerstoff gebraucht, oft auch die Beatmung und Antibiotika-Infusionen. Ich konnte nicht mehr selbstständig leben, habe für alles Hilfe gebraucht. Ich war den ganzen Tag damit beschäftigt zu atmen und um Luft zu kämpfen.

Sie mussten zehn Monate lang auf ein passendes Organ warten. Gab es einen Moment, in dem Sie die Hoffnung schon aufgegeben hatten?

Die Hoffnung hat mich eigentlich durch die ganze Zeit getragen. Natürlich habe ich mich manchmal gefragt, schaffe ich das? Aber wenn man sich listen lässt, ist einem schon bewusst, dass man keine Garantie auf ein Spenderorgan hat und dass es auch anders ausgehen kann. Und ich habe diesen anderen Ausgang irgendwo akzeptiert, aber gesagt, ich werde versuchen durchzuhalten.

Woher nehmen Sie die Kraft, immer weiter zu kämpfen?

Die Familie und die Freunde spielen auf jeden Fall eine große Rolle. Gerade meine Eltern, meine beste Freundin und mein Freund waren immer für mich da. Sie haben super viel gemacht und auch für diese Leute wollte ich durchhalten. Man wünscht sich ja Zeit mit der Familie und das gibt einem enorm viel Kraft, wenn man weiß, dass man sich auf sie verlassen kann.

Im Juni haben Sie den erlösenden Anruf bekommen: Konnten Sie das in dem Moment gleich realisieren, dass eine neue Lunge auf Sie wartet?

Ich hatte mich mittags hingelegt und bin durch das Telefonklingeln wach geworden Am Telefon hieß es dann: "Frau Schott, wir haben ein Lungenangebot für Sie." Ich habe das erst gar nicht realisiert. Dann haben sie mir gesagt, dass sie einen Rettungswagen bestellen, der mich abholen soll. Da wurde mir erst bewusst, es passiert jetzt endlich was. Wir sind eine halbe Stunde später mit dem Rettungswagen zur Klinik gefahren worden. Ab da hatten wir wenig Ruhe. Man wusste auch noch nicht, ob das Spenderorgan wirklich in Ordnung ist, und trotzdem wird man ja auf den Eingriff vorbereitet. Dann mussten wir aber im OP nochmal kurz warten. Da konnte ich das erste Mal ruhig werden, habe an den Spender gedacht und mich innerlich bedankt, dass er die Entscheidung so getroffen hat.

Dann kam die Marathon-OP. Wie läuft ein solcher Eingriff ab?

Für den Körper ist eine Lungentransplantation schon einer der größten Eingriffe, die man machen kann. Die Ärzte tauschen erst den Lungenflügel auf der einen Seite aus. Dann schaut man, ob das gut funktioniert, ob sich der Patient mit der neuen Lunge schon gut beatmen lässt und tauscht dann die andere Seite aus. Bei der Mukoviszidose, also meiner Grunderkrankung, muss man immer beide Seiten transplantieren.

Wie war das Gefühl, mit einer neuen Lunge aufzuwachen?

Als ich wach geworden bin, war meine erste Frage an meine Mutter: Hat alles geklappt? Hab ich die Lunge bekommen? Ich hab das gespürt, das etwas anders ist, aber ich glaube, ich wollte es einfach auch hören. Es war von Anfang an ganz anders, die Lunge war plötzlich leise beim Atmen. Man hörte kein Rascheln vom Sekret, es hat einfach funktioniert. Es war zwar noch nicht so, dass man schon tief durchatmen konnte. Ich hatte noch Schmerzen und meine Atemmuskulatur war noch sehr schwach. Aber das Atmen selbst war einfach und das war ganz neu für mich.

Denken Sie oft an den Spender, der Ihnen das Leben gerettet hat?

Auf jeden Fall. Ich glaube, die Gedanken an den Spender schweben immer so ein bisschen mit. Mir ist bewusst, alles, was ich jetzt erleben darf, darf ich nur dank dieser Person. Das ist für mich das größte Geschenk, das ich jemals erhalten habe. Und dafür bin ich sehr dankbar.

Das Leben mit einer transplantierten Lunge: Was müssen Sie beachten und was gibt es für Schwierigkeiten?

Man ist durch die Transplantation nicht geheilt, sondern tauscht die einen Probleme gegen die anderen aus. Man hat aber viel mehr Luft. Dadurch, dass ich jetzt immun-supprimiert bin (Immunsuppressiva unterdrücken das Immunsystem, Anm. d. Red.), damit mein Körper das Organ nicht abstößt, muss ich sehr auf Hygiene achten und darf auch nicht alles essen. In der Öffentlichkeit muss ich aktuell in geschlossenen Räumen immer Mundschutz tragen. Ich muss auch immer noch viele Medikamente nehmen und habe viele Therapien. Mit der Zeit wird das auch immer weniger, aber mache Sachen werden auch immer bleiben.

Am Donnerstag stimmt der Bundestag über die Widerspruchslösung bei der Organspende ab. Wie wichtig ist diese Entscheidung?

Ich glaube allein, dass diese Debatte stattfindet, ist schon ein ganz wichtiger Punkt. Je mehr Öffentlichkeit das Thema bekommt, desto mehr Menschen beschäftigen sich damit. Das Problem ist, dass viele der Entscheidung für oder gegen Organspende einfach aus dem Weg gehen. Das Thema betrifft uns aber alle. Es kann jeder plötzlich auf der Spenderseite, aber auch auf der Seite stehen, dass man ein Organ braucht oder dass ein Angehöriger eines braucht. Ich würde mich freuen, wenn für die Widerspruchslösung gestimmt wird.

Denken Sie, dass vielen gar nicht bewusst ist, dass sie in die Situation kommen könnten, auf Organspende angewiesen zu sein?

Ja, auf jeden Fall. Es ist auch natürlich, dass man sich nicht mit seinem Tod oder auch Krankheit beschäftigt. Gerade wenn man gesund ist, verdrängt man gerne, dass es einen auch ganz plötzlich treffen kann.

Was würden Sie Menschen gerne sagen, die der Widerspruchslösung bei der Organspende skeptisch gegenüber stehen?

Ich glaube, wichtig ist, die Entscheidung, ob man Organe spenden möchte oder nicht, bleibt ja jedem selbst überlassen. Diese Entscheidung ist in Ordnung, egal, wie sie ausfällt. Jeder sollte sie für sich selbst treffen. Aber wir als Gesellschaft sind alle von dem Thema Organspende betroffen und sollten uns alle damit auseinandersetzen. Und das erreichen wir meiner Meinung nach nur mit der Widerspruchsregelung.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich wünsche mir einfach, dass ich möglichst lange möglichst gut mit diesem Spenderorgan leben kann. Dass ich so glücklich bleibe, wie ich aktuell bin und dass ich das Bewusstsein, dass das Leben so ein großes Geschenk ist, immer in mir trage.

Sarah Schott wurde mehrere Monate von einem Kamerateam des SWR auf ihrem Weg zu einer neuen Lunge begleitet. Die Dokumentation gibt es in der Mediathek des SWR.