Werkverträge

Verband der Fleischindustrie kritisiert Gesetzesentwurf


Ein neuer Gesetzesentwurf soll die Fleischindustrie in Deutschland stark reglementieren. Dagegen regt sich jetzt Widerstand. (Symbolbild)

Ein neuer Gesetzesentwurf soll die Fleischindustrie in Deutschland stark reglementieren. Dagegen regt sich jetzt Widerstand. (Symbolbild)

Von Redaktion idowa

Die Corona-Pandemie verdeutlicht die teils fragwürdigen Bedingungen für Arbeiter in Fleisch- und Schlachtbetrieben. Beileibe keine neuen Erkenntnisse, doch jetzt sieht sich die Politik zum Handeln gezwungen. So hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Branche beschlossen. Doch vor allem in Reihen des Verbandes der Fleischindustrie regt sich Widerstand.

Die Bilder waren eindrücklich, der öffentliche Druck wurde immer größer. Nach Bekanntwerden der zahlreichen Corona-Infektionen bei dem Fleischkonzern Tönnies hatte sich Bundesarbeitsminister Heil das Thema ganz oben auf seine Agenda gesetzt. Das Ergebnis der ministerialen Bemühung: ein Gesetzesentwurf zur strikten Reglementierung der Fleischindustrie. Werkverträge und Leiharbeit sollen künftig tabu sein. Zumindest dann, wenn die Betriebe mehr als 50 Mitarbeiter haben. In Kraft treten soll dieses Gesetz ab Januar 2021. Doch wird in der Praxis funktionieren, was sich in der Theorie vielleicht gut anhört?

Werkvertragsarbeiter sollen fest eingestellt werden

Seit kurzem sieht sich Tönnies mit neuen Vorwürfen konfrontiert. Öffentlich kursieren Auszüge aus dem Handelsregister, die zeigen, dass das Unternehmen bereits Mitte Juli insgesamt 15 sogenannte Vorratsgesellschaften am Amtsgericht Gütersloh für Rheda-Wiedenbrück hat eintragen lassen. Das legt für manch einen den Verdacht nahe, dass Tönnies dadurch das Verbot von Werkverträgen umgehen möchte, weil dieses eben nur für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern gilt. Hat der Konzern hier also ein legales Schlupfloch gefunden?

Der Konzern selbst weist die Vorwürfe zurück. "Wir haben angekündigt, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kernbereichen der Produktion direkt anzustellen. Dabei bleibt es uneingeschränkt. Wir sind bereits mitten in diesem Prozess, da wir Mitte September die ersten 1.000 ehemals Werkvertragsarbeiter fest eingestellt haben wollen", sagte ein Konzernsprecher. Und weil momentan noch unklar sei, welche Organisationsformen das geplante Gesetz vorsehe, habe man bei Tönnies "vorsorglich diese Gesellschaften gegründet".

Welchen Zweck dienen die Vorratsgesellschaften?

In Bayern sind ähnliche Fälle von Gesellschaftsgründungen bislang zwar nicht bekannt, aber ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums räumt gegenüber idowa ein: "Prinzipiell steht es Unternehmen frei, Tochtergesellschaften zu gründen und Teile ihres Geschäftsbetriebs darauf auszulagern." Die Gründung von Vorrats-, beziehungsweise Mantelgesellschaften ohne eigene wirtschaftliche Aktivität sei gerade bei Großkonzernen gängige Praxis und diene im Wesentlichen dem Zweck, die anschließende Gründung einer Tochtergesellschaft zu beschleunigen. Außerdem könnten dadurch auch Haftungsrisiken im Gründungsstadium vermieden werden.

"Die im Entwurf vorgesehene Bereichsausnahme für Betriebe des Fleischerhandwerks, in denen maximal 49 Personen tätig werden, setzt voraus, dass der Unternehmer den Betrieb handwerksmäßig betreibt und in die Handwerksrolle eingetragen ist", so der Sprecher weiter. Hieran seien hohe Anforderungen zu stellen, die gerade in größeren Betrieben der Fleischwirtschaft und deren Subunternehmen in der Regel nicht erfüllt sein dürften. Durch den Entwurf sollen also wohl kleinere Betriebe nicht zusätzlich belastet werden.

Was der Verband der Fleischindustrie zu dem aktuellen Gesetzesentwurf sagt, das lesen Sie auf der nächsten Seite.

Das kritisiert der Verband der Fleischindustrie

Kritik an dem aktuellen Gesetzesentwurf kommt vor allem vom Verband der Fleischindustrie (VDF). Dessen Hauptgeschäftsführerin, Heike Harstick, betonte vor wenigen Tagen im Interview mit der Welt: "Es könnte so einfach sein: Wenn man Werkverträge verbieten will, kann man das mit einem einzigen Satz erledigen. Gegen ein solches Verbot haben wir als Fleischwirtschaft auch gar nichts einzuwenden. Einen solch einfachen Satz gibt es aber nicht, dafür aber viele sehr schwammige Formulierungen."

Gesetz könnte "europa- und verfassungsrechtlich nicht standhalten"

"Wir befürchten, dass der vorliegende Gesetzentwurf europa- und verfassungsrechtlich nicht standhält. Damit wäre eine erhebliche und unzumutbare Rechtsunsicherheit für die Unternehmen verbunden", berichtet eine VDF-Sprecherin gegenüber idowa. Nicht zuletzt deshalb erwarte man hier "eine klare rechtssichere Regelung". Nach Vorstellung des Verbandes sollte dabei arbeitsteiliges Handeln zwischen Gesellschaften einer Unternehmensgruppe möglich bleiben. "Zumindest, solange die Verantwortung zu 100 Prozent beim Unternehmer liegt", so die VDF-Sprecherin weiter.

"Schwellenwert sollte auf 100 Mitarbeiter angehoben werden"

Und damit nicht genug. Denn auch an der Limitierung auf 50 Mitarbeiter stört sich der Verband. Die Forderung: "Mit Rücksicht auf kleine, mittelständische Betriebe mit regionaler Bedeutung, die keine durchgängige Produktion haben und deshalb keine Vollzeitbeschäftigung bieten können, sollte der Schwellenwert für das Verbot der Werkverträge auf 100 Beschäftigte angehoben werden." Auch die laut Gesetzentwurf geplante Wohnungs-Regelung ist aus Sicht des Verbandes aktuell noch zu schwammig formuliert. "Wohnungen, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden unter die Kontrolle des Arbeitsschutzes zu stellen, begrüßen wir. Allerdings ist die Definition der Gemeinschaftsunterkunft nicht eindeutig und damit nicht rechtssicher", begründet der VDF seine Kritik.

Gegenüber der "Welt" fand Harstick klare Worte: "Wenn das Gesetz so bleibt, werden das viele Unternehmen nicht überstehen." Zumal es nach Ansicht der VDF-Hauptgeschäftsführerin nicht ohne Leiharbeit gehe, da man zwingend ein Instrument brauche, um in der Produktion Spitzen abzudecken. Konkret bezieht sie sich dabei auf personelle Engpässe. Zum Beispiel während der Grillsaison im Sommer - eine Zeit, in der bis zu 50 Prozent mehr Fleisch produziert werden muss als sonst. Das sei allein mit der Stammbelegschaft nicht zu stemmen.

Europarechtliche Fragestellungen und mögliche Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen - was der Verband als schwierig einstuft, wird ähnlich im bayerischen Wirtschaftsministerium bewertet. Bereits Anfang Juli sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gegenüber idowa: "Die Verbote bei uns dürfen nicht dazu führen, dass die Arbeitsplätze in Billiglohnländer verlagert werden, die noch deutlich niedrigere Standards haben als wir. Wir brauchen europaweit einheitliche Standards und wirksame Außenzölle gegen Drittländer. Bei Freihandelsabkommen ist genau darauf zu achten, dass wir nicht mit Billigware unterlaufen werden."