Aiwanger warnt vor Arbeitsplatzverlusten

Werkverträge: Kommt der Umbruch in der Fleischbranche?


Immer mehr Schlachtbetriebe geraten ins Kreuzfeuer der Kritik. Auch wegen der teils unwürdigen Bedingungen für die dortigen Arbeiter. (Symbolbild)

Immer mehr Schlachtbetriebe geraten ins Kreuzfeuer der Kritik. Auch wegen der teils unwürdigen Bedingungen für die dortigen Arbeiter. (Symbolbild)

Von Redaktion idowa

Spätestens seit den zahlreichen Corona-Infektionen bei Donautal in Niederbayern und Tönnies in Nordrhein-Westfalen sind Fleischverarbeitungsbetriebe in aller Munde. Die Rede ist von unwürdigen Bedingungen für Mensch und Tier. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) macht sich nun für eine Veränderung für die Mitarbeiter in der Schlachtindustrie stark. Demnach fordert man ein Verbot von Werkverträgen. Eine Idee, die auch beim Verband der Fleischwirtschaft (VDF) Anklang findet.

Im Juni waren in einer Fleischfabrik von Tönnies am Standort Rheda-Wiedenbrück rund 1.300 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Produktion wurde daraufhin 14 Tage lang gestoppt. Der Fall heizte die Debatte um die Arbeitsbedingungen in der Schlachtindustrie neu an. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte vor einer Stigmatisierung einzelner Betriebe eindringlich gewarnt, denn auch in anderen Fabriken gebe es ähnliche Fälle. "Es ist insgesamt in dieser Branche etwas umzukrempeln und aufzuräumen", so Heil. Er will deshalb noch diesen Sommer einen Gesetzesentwurf vorlegen, wonach von 2021 an Werkverträge in der Branche weitgehend verboten werden sollen. Diese Werkverträge ermöglichen es den Betrieben bislang, die komplette Ausführung von Schlachtarbeiten bei Sub-Unternehmern einzukaufen.

"Auf dem Rücken der Beschäftigten wurden satte Gewinne eingefahren"

Der DGB-Kreisvorsitzende Johann Jungtäubl hat zu den Werkverträgen in der Branche eine eindeutige Position: "Bisher hat der Gesetzgeber vor allem auf freiwillige Regelungen durch Selbstverpflichtungen gesetzt. Nun sieht man, wohin das geführt hat. Dieser Weg ist klar gescheitert. Bei den Werkvertragsunternehmen gibt es in der Regel keine Betriebsräte und keine Tarifverträge. Das führt dazu, dass die Menschen ausgenutzt werden." Demnach würden die Beschäftigten nach wie vor überwiegend aus Osteuropa angeworben. Dabei handle es sich meist um Menschen, die weder ihre Rechte in Deutschland kennen, noch die Sprache sprechen. Jungtäubl: "Sie sind den Sub-Unternehmern ausgeliefert. Arbeitszeiten werden manipuliert, sie müssen viel zu viel für die Wohnungen abgeben, auf sie wird hoher Druck bei Krankheiten ausgeübt und vieles mehr. Kurz gesagt, die Beschäftigten werden ausgebeutet und das hat jahrelang kaum jemanden interessiert."

Ähnlich sieht das Kurt Haberl, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG): "Jetzt nimmt die Öffentlichkeit endlich wahr, wie das System in der Fleischwirtschaft über Jahre hinweg funktioniert hat. Auf dem Rücken der Beschäftigten wurden satte Gewinne eingefahren und damit muss nun endlich Schluss sein. Wir brauchen flächendeckende Tarifverträge und einen einheitlichen Branchenmindestlohn, um den Preiskampf der Produzenten untereinander zu unterbinden und das Unterstellen von Unterkünften unter klare, bundeseinheitliche Regelungen." Sowohl DGB als auch NGG fordern daher ein umfassendes Verbot von Werkverträgen in der gesamten Fleischwirtschaft.

Aiwanger fordert europaweit einheitliche Standards

Doch wie steht die Fleischindustrie selbst zu diesen Forderungen? "Wir unterstützen das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung, das System der Werkverträge abzuschaffen. Die wesentlichen Eckpunkte eines Kabinettsbeschlusses vom 20. Mai 2020 werden von uns mitgetragen", sagt Janine Rech, Sprecherin des VDF, gegenüber idowa. Demnach würden erste Umsetzungen von Mitgliedsunternehmen des Verbandes bereits die Ernsthaftigkeit zeigen, mit der die Fleischwirtschaft in Deutschland in ihrer Gesamtheit eine Umkehr von der bisherigen Praxis anstrebt und das System der Werkverträge in der Schlachtung und Zerlegung beenden will.

Der VDF hat der Bundesregierung am 16. Mai einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, durch den die Regelungen und Standards der Wohnungen und Arbeitsschutzmaßnahmen für Mitarbeiter, die nicht in Deutschland ihren ständigen Wohnsitz haben, bundeseinheitlich und verbindlich für alle Unternehmen der Branche kontrollierbar wären. "Wir möchten diese Regelungen und das Verbot von Werkverträgen in den Kernbereichen der Fleischwirtschaft umsetzen", beteuert Rech.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) warnt dagegen vor einer möglichen Kehrseite der Medaille. Gegenüber idowa sagt er: "Die Verbote bei uns dürfen nicht dazu führen, dass die Arbeitsplätze in Billiglohnländer verlagert werden, die noch deutlich niedrigere Standards haben als wir. Wir brauchen europaweit einheitliche Standards und wirksame Außenzölle gegen Drittländer. Bei Freihandelsabkommen ist genau darauf zu achten, dass wir nicht mit Billigware unterlaufen werden."

Wie schnell also konkrete Veränderungen umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.