Sophias MUT

Gunter Bergmann ist der Insektenretter


Schachbrett-Schmetterlinge sind auf die violetten Skabiosen angewiesen. Hungrig suchen sie nach Nektar.

Schachbrett-Schmetterlinge sind auf die violetten Skabiosen angewiesen. Hungrig suchen sie nach Nektar.

Von Sophia Häns

Gunter Bergmann ist ein Vorbild. Er versucht, einheimische Wildblumen zu erhalten und zu vermehren. Damit rettet er ein Stück weit Pflanzen, Insekten und vielleicht auch unsere Zukunft. Täglich, seit 20 Jahren. Ein Spaziergang auf seiner Route zeigt, wie wirksam seine Hilfe ist.


Nachdem er die Hintertür bedächtig geschlossen hat, bleibt Gunter Bergmann noch einmal stehen. Und zieht seine Schuhe aus. "Ich gehe immer barfuß." Seit 20 Jahren, jeden Tag, die immer gleiche Runde. Auf dieser Runde hat er eine wichtige Aufgabe.
Ins Gebüsch, entlang der Gartengrenze auf dem trotz des fortgeschrittenen Frühsommers schon ausgetretenen Pfad. Einen Zaun gibt es nicht. Hinter dem Grundstück in Mengkofen im Landkreis Dingolfing-Landau beginnt ein Feld. Der Hund des Landwirts begrüßt uns mit Gebell.
Ein paar Schritte über Asphalt. Gunter Bergmann zeigt nach links in den Straßengraben: "Hier blüht nichts, nicht mal am schmalen Feldrand. Zu viel Dünger und Spritzmittel."
Dafür blüht es ein paar Meter weiter auf einem ungemähten Feldweg und an einem kleinen Hang umso mehr. Flockenblumen, Karthäusernelken, Wolfsmilch, Skabiosen. Dank des Naturfreundes, dessen nackte Füße durch das hohe Gras stapfen. "Vor 20 Jahren ist mir hier ein einziger Stock Karthäusernelken aufgefallen. Vorher hatte ich die heimische Pflanze hier noch nicht gesehen. Ich wollte sie erhalten und wartete, bis die Samen reif waren. Ich habe die Kapseln der Pflanze geöffnet und die schwarzen Samen ausgesät." Erde aufkratzen, säen, festtreten. So einfach. Dann muss die Witterung passen. "Nach einem Regen zeigten sich Pflänzchen. Das war die Initialzündung."
Das ist die eine wichtige Aufgabe, mit der Gunter Bergmann als Einzelgänger der Pflanzenwelt, den Insekten und so auch jedem von uns hilft. Er versucht, in einer landwirtschaftlich intensiv genutzten Landschaft einheimische Wildblumen zu erhalten und zu vermehren. Naturbelassene Wiesen, Hecken und Feldraine gibt es fast nicht mehr. Auch deshalb verschwindet die Artenvielfalt seit Jahren zusehends.
Doch Gunter Bergmann tut etwas dagegen. Wenn die auf seinen Spaziergängen entnommenen Samen an neuen Stellen aufgehen, bieten sie bald Nahrung und Lebensraum für Insekten und kleine Wildtiere. Das Schöne: Die Pflanzen vermehren sich dann von selbst. Wo vorher nichts war, zieht buntes Leben ein.
Das merkt man. Im Vergleich zur übrigen Landschaft summt, kriecht, fliegt und hüpft es hier auf diesem Feldweg beinahe unglaublich. Ein Grashüpfer springt erschrocken aus dem Weg, als er unsere großen Schatten bemerkt. Schachbrett-Schmetterlinge saugen den Nektar der Skabiosen. Kleine Käfer krabbeln fleißig die Pflanzensprosse hinauf. Ein Dickkopffalter genießt die Sonne auf einer Karthäusernelke.


Die Karthäusernelken wachsen dank Gunter Bergmann. Foto: privat

Lebensräume zu einem Paradies vernetzen

"Die Schachbrett-Schmetterlinge sind auf Skabiosen und Flockenblumen angewiesen", erklärt Gunter Bergmann. "Ich bilde mir ein, diese kleine Population hier gerettet zu haben."
Das Ziel des ehemaligen Lehrers: die neuen Lebensräume, die er geschaffen hat, zu einem größeren biologisch aufgewerteten Gebiet zu vernetzen.
Auf dem Blatt eines Lindenbaums am Waldrand sitzt ein Tagpfauenauge. Die blau-weiß-braune Musterung der Flügel, die ihm seinen Namen gibt, hebt sich prächtig vom Grün der Linden ab. Darunter: ein Waldameisen-Haufen. Die Tierchen wuseln während ihrer ständigen Arbeit. "Die stehen unter meinem Schutz", sagt Gunter Bergmann. Mit oben zusammenlaufenden Stöckchen hat er die Ameisenbehausung so abgegrenzt, dass deren Eier nicht von Fasanen oder anderen Vögeln geplündert werden.
"Ich bin gelegentlich im Gespräch mit den Landwirten und erkläre meine Absicht." Mittlerweile gebe es ein paar Landwirte, die spüren, dass sich etwas ändern muss. "Da springt schon mal ein breiterer Feldrain, weniger Dünger am Feldrand oder eine ungemähte Ecke heraus."
Gunter Bergmanns größter Erfolg: eine Wiese auf schlechtem Boden, die jetzt nachhaltig genutzt wird. Trotz starker Düngung brachte das Feld nicht den gewünschten Ertrag. "Der Bauer stellte um auf extensive Landwirtschaft." Er düngte weniger, hatte dadurch geringere Kosten und erntete weniger Heu. Gunter Bergmann säte mit Einverständnis des Landwirts Margeriten, Flockenblumen, Karthäusernelken, Wiesenglockenblumen, Wegwarten, Hahnenfuß und weitere Wiesenblumen an. Andere kamen von selbst. Wenige Jahre später traf Gunter Bergmann den Landwirt bei der Ernte. Der erzählte, dass die Pferde seiner Tochter dieses Heu am liebsten mögen.
Gunter Bergmann kümmert sich auch um Eichhörnchen. Die füttert er im Winter, Vögel das ganze Jahr über. "Durch den starken Rückgang der Insekten finden sie nicht mehr genug natürliche Nahrung. Die brauchen sie aber für die Qualität der Eier, die Aufzucht der Jungen und sich selbst."

Der Mensch kann mähen, doch die Natur sucht sich den Weg

Das Gras raschelt unter den Füßen. Plötzlich schlägt der Naturfreund die Hände vor den Mund. "Nein, er hat gemäht." Aus dem Plan, eine dichte Ansammlung Karthäusernelken anzuschauen, wird nichts. "Heute früh war noch alles gut." Doch Gunter Bergmann ärgert sich nicht. "Alles was einmal erfolgreich gewachsen ist, kommt auch wieder. Die Natur schafft das, nur regnen sollte es bald", sagt er und lächelt. Sein Wunsch: Menschen für seine Idee zu gewinnen. Ohne funktionierende Natur können wir nicht leben. Doch jeder kann helfen. "Mein Weg ist einer von vielen. Er hat aber den Vorteil, einfach, bequem und trotzdem erfolgreich zu sein. Und er bereitet Freude."
Er überlegt: "Meine Saat geht in der Erde der Felder bereits auf. Jetzt muss sie nur noch in den Köpfen der Menschen aufgehen."

Wie du Insekten schützt, erfährst du auf der Pinterest-Pinnwand von "Sophias MUT": www.pinterest.de/sophiahaens/freistunde-pinnwand-sophias-mut/

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