Mode

Echt und unverfälscht: Designer setzen auf Kurven, Tattoos und Körperbehaarung


Viele Plus-Size-Models machen gerade Karriere. Sängerin und Plus-Size-Model Beth Ditto (rechts) ist eine von ihnen.

Viele Plus-Size-Models machen gerade Karriere. Sängerin und Plus-Size-Model Beth Ditto (rechts) ist eine von ihnen.

Sind Magermodels bald passé? Werbende und Modemacher setzen wieder mehr auf Vielfalt und Authentizität. H&M hat's vorgemacht. Doch wird daraus ein Trend? Wir haben Mode-Experten gefragt.

Kurven, Körperbehaarung, Tattoos, Muskeln: Mit einem Werbespot für die neue Linie "Ladylike" hat H&M vor einigen Wochen im Netz für Furore gesorgt. Statt üblicher Models zeigte der Modegigant normale Frauen. Passend dazu: Vorgestern wurde das erste kurvige Supermodel Deutschlands bei einer RTL II-Show gewählt. Frauen jenseits von Kleidergröße 38 scheinen für Mode- und Werbebranche wieder interessant zu sein. Endlich, denkt da vielleicht mancher. Doch laut Experten geht es nicht um einen Trend zu Size Plus. Sondern um etwas anderes.

Eine Werbekampagne ohne Size Zero

H&M wollte bei seiner Kampagne Frauen aus dem Alltag zeigen - so unterschiedlich wie Frauen eben tatsächlich sind. Sie entsprechen nicht dem gängigen Frauenbild der vergangenen Jahrzehnte: makellose Figur, vermeintlich perfekte Maße, Kleidergröße 32 - bekannt als Size Zero.

Kehrt sich der Trend nun etwa um? Wird Kleidergröße Plus Size, also 40, 42 und 44 aufwärts, wieder salonfähig? Modeexperten wie Professor Martina Weiß und Professor Arnold Gevers von der Mediadesignhochschule in München sprechen nicht von einem Trend zu Plus Size. Vielmehr gehe es um einen Trend zu Authentizität, also zu Echtheit und Vielfältigkeit. Models oder Werbegesichter seien zunehmend starke Frauen und Männer mit Charaktereigenschaften, die ihren Körper selbstbewusst zeigen. Das eine, gültige Ideal gebe es dabei nicht mehr. "Glatt gebügelte Schönheit lockt in Zeiten von Photoshop niemanden mehr hinter der Couch hervor", sagt Martina Weiß. Makellosigkeit könne schließlich jeder mit seinem Handy nachmachen.

Mehr Kilos, ein Körper voller Tattoos, Piercings, extreme Muskeln oder Körperhaare sind also kein No-Go mehr. Trotzdem ist nicht jeder für den Laufsteg geeignet. Denn auch diese Frauen und Männer erfüllen laut Expertin Martina Weiß geltende Ideale.

Der Markt wächst enorm

Außerdem: "Für Modeschöpfer ist es eine Herausforderung, Kleidung für kräftigere Frauen und Männer zu machen", fügt Martina Weiß an. Verändern wird sich auch ein optisches Gesetz nicht: Kameras lassen einen anders erscheinen, als man tatsächlich ist. "Insofern werden Modeschöpfer bei Shows weiterhin auf genormte Frauen setzen", sagt die Expertin. Models wie Beth Ditto werden daher eher ein Sonderfall bleiben. Aber - und das ist die wirtschaftliche Seite: Der Markt für größere Größen wächst enorm - zumindest in den westlichen Industrieländern. "Unser Körperbau verändert sich. Die Taille wird eher breiter", sagt Martina Weiß. Einerseits, weil wir immer sportlicher werden, andererseits, weil die Menschen vermehrt größere Kleidergrößen brauchen. Viele Unternehmen erkennen das und werben entsprechend. Als Pionier der ersten Stunde gilt immer noch die Dove-Werbung, die Frauen mit allen möglichen Facetten zeigte.

"Der Trend ist: Es gibt keinen Trend mehr", sagt Arnold Gevers. Die Gesellschaft hat nicht mehr die eine Idee von Schönheit. Eines können sich gerade Jugendliche davon abschauen: sich selbst stark, stolz und extrovertiert zu präsentieren - so wie man ist.

Experten-Interview: "Es sollte im gesunden Rahmen bleiben"

Hannelore Honold ist zuständig für die Beratung und die Therapie bei Ess-Störungen beim Landshuter Netzwerk. Für die damit verbundenen Erkrankungen war der nicht enden wollende Trend zur Size Zero in den vergangenen Jahrzehnten oft Öl ins Feuer. Was hält sie deshalb von der Trendwende?

Frau Honold, was sagen Sie dazu, dass man in der Modebranche seit einer Weile verstärkt mit normalgewichtigen Frauen wirbt?

Hannelore Honold: Ich bin etwas zwiespältig: Einerseits ist es natürlich sehr sinnvoll, dass es endlich eine Gegenbewegung zu dem bisherigen Ideal der Magermodels gibt, weil sie ja nicht der Realität entsprechen. Das Modediktat der vergangenen Jahre hatte sehr negative Auswirkungen auf junge Frauen. Sie vergleichen sich ja sehr mit dem, was sie in der Werbung sehen. Allerdings sollte es im gesunden Rahmen bleiben und nicht ins Gegenteil, also in Richtung starkes Übergewicht, umschlagen.

Glauben Sie, dass sich dadurch im Bewusstsein junger Leute etwas ändert?

Ich glaube schon, dass das auf sie wirkt, wenn sich das Schönheitsideal in der Modebranche ändert. Dann setzt sich das sicher mittelfristig auch allgemein durch.

Haben Sie schon eine Reaktion auf diesen Trend in ihren Beratungen erhalten?

Bisher noch nicht. Das gibt es ja noch nicht so lange.

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Der H&M-Werbespot zur Herbstkollektion sorgte für Gesprächsstoff.

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Hannelore Honold berät Jugendliche mit Ess-Störungen.