Interview Wirtschaft in Corona-Zeiten Professor Enzo Weber: "Eine Erholung kann schnell gehen"

Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg Foto: Daniel Karmann/dpa/IAB

Das Coronavirus hat die deutsche Wirtschaft hart getroffen. Im Interview mit idowa erklärt Prof. Dr. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, welche Entwicklungsszenarien momentan betrachtet werden und mit welchen wirtschaftlichen Konsequenzen gerechnet werden muss. 

Professor Dr. Enzo Weber ist am IAB als Forschungsbereichsleiter Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen tätig, zudem forscht er an der Universität Regensburg am Lehrstuhl für Empirische Wirtschaftsforschung. 

Herr Professor Weber, was kann man Aktieneignern dieser Tage sagen? Wie würden Sie das Szenario und die Entwicklung beschreiben?

Professor Dr. Enzo Weber: Wir hatten gravierende Einbrüche an den Aktienmärkten. Wenn man jetzt verkauft, dann nimmt man diese Verluste mit. Unter normalen Umständen ist anzuraten, wenn man denn nicht muss, dass man in der Rezession nicht verkauft. Wir hatten schon viele schwere Krisen an den Aktienmärkten, da ging es jeweils in kurzer Zeit rapide runter. Das ist das Merkmal von Aktienmärkten: Wenn es runter geht, dann satt und schnell. Wenn man die Entwicklung abwarten kann, dann sollte man das wahrscheinlich auch tun. Ich kann natürlich keine Garantie geben, ob nicht einzelne Unternehmen in Insolvenz gehen werden. Wer soll das schon absehen? Aber die umfangreichen Stützungsmaßnahmen, die jetzt beschlossen wurden, lassen doch zumindest hoffen, dass das Schlimmste vermieden werden kann.

"Meldungen über gravierendste Einschränkungen unseres öffentlichen Lebens zehnminütlich"

Hat das viele Geld im Markt, das in Ermangelung von attraktiven Alternativen in Aktien angelegt war, auch einen kleinen Anteil am extrem steilen Absturz der Kurse?

Weber: Zu viel Geld – das kann man sicherlich grundsätzlich so sehen. Wir hatten lange eine extrem expansive Geldpolitik – auch zu Zeiten, in denen beispielsweise ich das nicht mehr für geboten gehalten hätte. Aber der wesentliche Grund, warum das jetzt so steil runter gegangen ist, ist das nicht. Der wesentliche Grund ist, dass wir eine extrem untypische Entwicklung hinein in eine Rezession hatten. Normalerweise bahnt sich ja so etwas an. Man sieht etwa, dass in anderen Ländern die Nachfrage immer schwächer wird, dass Produktion eingestellt wird und Menschen entlassen werden. Diesmal kamen die Meldungen über gravierendste Einschränkungen unseres öffentlichen Lebens zehnminütlich. Das war einfach ein ganz anderer Takt, als das in normalen Rezessionen mit normalen Wirtschaftsmeldungen erfolgt. Dementsprechend haben auch die Börsen so extrem kurzfristig und stark reagiert.        

Bezogen auf die volkswirtschaftliche Entwicklung schwanken die Einschätzungen derzeit sehr stark. Da ist mal von vier Prozent Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) die Rede, mal von 20. Was ist Ihre Einschätzung?

Weber: Wir erwarten eine schwere Rezession, die jetzt im ersten Halbjahr kommen wird. Wir erwarten, dass der BIP-Rückgang im zweiten Quartal erheblich sein wird, dass er noch über denjenigen hinaus geht, den wir in der Wirtschaftskrise 2009 im zweiten Quartal gesehen haben. Auf das Jahr bezogen würde das auf ein Minus von zwei Prozent hinauslaufen. Das allerdings unter der Annahme, dass diese Eindämmungsmaßnahmen, also die Schließungen von vielen Branchen, sechs Wochen anhalten, und dann über weitere sechs Wochen schrittweise wieder aufgehoben werden. Wenn man jetzt aber annimmt, dass diese Wirtschaftsbereiche für viele Monate ausfallen, dass man also ganze Teile der Wirtschaftsleistung einfach auf null setzt, dann kann man rechnerisch auch auf minus zwanzig Prozent kommen. Da sind wir momentan nicht. Wir haben aber noch eine andere Berechnung: Wenn man bei zweieinhalb Monaten Schließung wäre und man eine Normalisierung erst bis zum Jahresende bekommt, dann kommen wir auf ein Minus von 4,7 Prozent.

Es ist also einfach noch nicht abzusehen, wie lange die Maßnahmen andauern, und folglich ist nicht abzusehen, wie hoch der Rückgang sein wird ...

Weber: So ist es. Und wie lange die Maßnahmen andauern, das können Sie mit Konjunkturprognosen und den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln auch nicht abschätzen.  

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