Interview

Gut gepostet? Zwei Parteivertreter über soziale Medien


Mit Social Media tun sich die Parteien noch recht schwer. Wer fragen zwei Jungpolitiker aus Straubing nach einem Ausweg aus der Misere.

Mit Social Media tun sich die Parteien noch recht schwer. Wer fragen zwei Jungpolitiker aus Straubing nach einem Ausweg aus der Misere.

Von Stefan Karl

Nicht erst seit dem Totalfiasko der CDU im Umgang mit der Kritik des YouTubers Rezo ist klar: Im Umgang mit Social Media tun sich vor allem die ehemaligen Volksparteien schwer.

Von Linker bis AfD scheinen sich die Parteien in einer Sache einig: Zukünftige Wahlkämpfe werden auch und vor allem im Netz gewonnen. Wie das gehen soll? Das wollten wir von zwei Vertretern der Partei-Jugend aus Straubing wissen: Michael Hien von der Jungen Union und Matthias Ernst von der Grünen Jugend in Straubing.

"Klare Aussagen, kein politisches Rumgeschwafel"

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Michael Hien von der Jungen Union.

Das Rezo-Video hat vor allem deutlich gemacht, dass die Parteien Defizite beim Bespielen der neuen Medien haben. Wie seht Ihr Euch in der Jungen Union in Bayern diesbezüglich aufgestellt?

Michael Hien: Ich glaube, dass die politischen Parteien durchweg noch ein Riesenproblem haben mit der Social-Media-Präsenz. Viele Parteien und ihre Unterorganisationen sind im Moment gerade mal so auf Facebook angekommen. Facebook ist bei der jungen Bevölkerung allerdings schon wieder out. Dass auf Instagram oder YouTube vernünftig veröffentlicht wird, ist ja die absolute Ausnahme. Wenn überhaupt, gibt's über YouTube mal einen kleinen Wahlkampffilm oder einen Werbetrailer, wie er auch im Fernsehen läuft, aber ansonsten passiert da gar nichts. Da sind die Parteien gefordert, neue Sachen zu probieren und sich gewisse Dinge einfach mal zu trauen. Das Hauptproblem ist, dass man sich nicht traut. Die CDU hatte schon eine Video-Antwort auf Rezo produziert und sie nicht veröffentlicht.

Warum?

Michael Hien: Weil sie gesagt haben: Was könnte da alles passieren, wenn… Ja, natürlich kann es auch negative Rückmeldungen geben. Aber ich finde, in einer Zeit, in der Nachrichten eine Halbwertszeit von maximal einer Woche haben, kann man sich ruhig mal was trauen.

Keine Angst vor dem Shitstorm, der damit einhergehen könnte?

Michael Hien: Das Schlimmste ist, wenn man nichts macht oder, wenn es um Reaktionen geht, viel zu lange wartet. Die sozialen Medien sind schnelllebig.

Aber eigentlich ist es doch ein großer Sprung, wenn ein Ministerpräsident immerhin Facebook-Livestreams macht.

Michael Hien: Kurze Live-Videos sind auf jeden Fall gut, um auch mal Einblick zu erhalten in das Leben eines Politikers. Man muss eben noch schneller sein und bei den Themen auch direkter. Ich glaube, dass man eindeutigere Aussagen braucht - nicht immer dieses politische Rumgeschwafel, sondern konkrete Aussagen zu Umweltschutz, CO2-Steuer, nach dem Motto: "Wir sind dagegen, weil...", und nicht: "Das überlegen wir uns jetzt mal". Klare Aussagen brauchen wir. Dann kann es schon sein, dass man mal einen Shitstorm produziert. Aber der kommt normalerweise nur von der einen Hälfte der User. Die andere stellt sich ja auf Deine Seite. Man darf sich doch auch mal trauen, zu diskutieren.

Wird in der Politik zu wenig diskutiert?

Michael Hien: Bei vielen Themen defintiv. Man hat es gesehen im Frühjahr bei der Renten-Thematik. Da kam auf die Tagesordnung, dass die Renten in einer gewissen Höhe wohl nicht mehr sicher sein könnten. Dann hat man das innerhalb einer Woche abgefrühstückt und gesagt: Bis 2025 haben wir Sicherheit. Aber Sorgen um die Rente müssen sich doch vor allem die jüngeren Leute machen. Und die denken nicht in Zeiträumen bis 2025! Es ist natürlich auch ein Nebenprodukt der Großen Koalition, dass es oft überhaupt keine Abgrenzung mehr zwischen den beiden Parteien gibt in Bezug auf die Sachthemen.

Also braucht es andere Kommunikationsstrategien als in Talk-Shows?

Michael Hien: Das ist ein Politiker-Kauderwelsch, das sich immer gleich anhört und keine klaren Aussagen trifft. Man kann einen einerseits nicht festnageln, auf der anderen Seite ist alles zitierfähig, was da gesagt wird. Aber eben alles leere Worthülsen.

Es sieht auch so aus, als ob die Parteien den politischen Diskussionen online eher aus dem Weg gehen.

Michael Hien: Es ist wirklich traurig zu sehen, welche Partei in Facebook gefühlt die Oberhand hat. Die AfD und ihre Sympathisanten posten unheimlich viel, sind ständig präsent. Die bedienen dort natürlich ihre Klientel, mittleres Alter bis an die 60. Um die wirklich Jungen zu erreichen, muss man aber eher weg von Facebook.

Das Interview mit Matthias Ernst von der Grünen Jugend finden Sie auf der zweiten Seite.

"Natürlich wollen alle authentisch wirken"

Matthias Ernst von der Grünen Jugend Straubing.

Matthias Ernst von der Grünen Jugend Straubing.

Matthias Ernst, Sprecher der Grünen Jugend Straubing

Das Netz macht Politik - das dürfte außer Frage stehen. Was halten Sie davon?

Matthias Ernst: Viele Jahre galt unsere Generation als unpolitisch. Spätestens seit dem Rezo-Video ist klar, dass sie das sehr wohl ist und dass sie auch ihre Stimme erhebt und sich einmischt. Nur eben auf anderen Kanälen. Ich glaube YouTube ist das Format, in dem auch in Zukunft politische Auseinandersetzungen passieren werden. Aber auch zum Beispiel auf Instagram werden mittlerweile politische Meinungen ausgetauscht. Deswegen muss man die eigene politische Kommunikation als Partei auch über diese Kanäle laufen lassen.

Wie sind die Grünen und die Grüne Jugend aufgestellt in Bezug auf Social Media?

Matthias Ernst: Im Allgemeinen sehr gut. Unser Bundesverband hat 25.000 Abonnenten. Die Reichweite hat in den letzten Monaten stark zugenommen. In der Region gibt es natürlich noch Verbesserungsbedarf. Die Zustimmung bei den Umfragen spiegelt sich hier noch nicht in der Anzahl der aktiven Nutzer wider. Das ist aber auch eine Kapazitätsfrage. Es kostet Zeit, einen Social Media Kanal zu bespielen. Ein verwaister Account macht keinen Sinn. Man muss das dann schon richtig machen und den Account aktuell halten.

Selbst auch auf Instagram & Co. unterwegs?

Matthias Ernst: Ja, da versuche ich, unsere politischen Aktivitäten darzustellen. Man spürt, dass die Leute es gut finden, einen "Blick hinter die Kulissen" zu bekommen. Das wird schon wertgeschätzt und auch angenommen.

Aber wie authentisch ist der "Instagram-Blick" hinter die Fassade?

Matthias Ernst: Es ist das Ziel aller, authentisch zu wirken. Davon sollte man sich aber nicht blenden lassen. Natürlich ist alles auf Instagram gestellt und inszeniert. Niemand präsentiert etwas für ihn Negatives auf Instagram. Wenn wir über Social Media reden, geht es natürlich immer auch um Verantwortung. Wir setzen uns dafür ein, dass der Sozialkunde-Unterricht an den Schulen um das Thema "Medienkunde" erweitert wird. Dass wir lernen, mit diesen Inszenierungen umzugehen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das ist für die Zukunftsfestigkeit unserer Demokratie wahnsinnig wichtig. Das Rezo-Video ist ein gutes Beispiel. Jeder sollte es sich mal genau ansehen und die Schnitte zählen. Es soll aussehen, als wäre es einfach mal spontan aufgenommen. Aber jeder, der schon mal sowas gemacht hat, weiß, dass vermutlich wochenlange Arbeit in dem Video steckt.

Die AfD ist in den sozialen Medien sehr präsent. Was ist Ihre Strategie dagegen? Ignorieren und dagegenhalten?

Matthias Ernst: Die einzige Möglichkeit ist, sich einzumischen und in den Diskussionen seinen eigenen Standpunkt darzulegen und der AfD zu widersprechen. Die Stärke der AfD auf Social Media ist, dass sie einfach wahnsinnig laut ist. Sie vertreten eine Minderheiten-Meinung, aber so laut, dass der Eindruck entsteht, alle denken so, alle sind so empört. Dem ist aber nicht so. Die Mehrheit der Menschen hat Herz und Mitgefühl. Man muss deutlich machen: Das rechte Geschrei ist nicht die Mehrheit, in der Mehrheit sind die Anständigen. Auch, wenn man dabei sehr schnell persönlich beleidigt wird. Vor allem grüne Politikerinnen erfahren von rechter Seite sexistische und persönliche Angriffe auf sich.

Was würden Sie der Grünen Partei für die Zukunft ins Stammbuch schreiben?

Matthias Ernst: Einen klaren Standpunkt zu haben und in Social Media nicht künstlich auf jugendlich machen. Ein Robert Habeck muss nicht so tun, als ob er 20 Jahre jünger wäre. Auch Annalena Bärbock ist nicht mehr im Teenie-Alter. Das wirkt ganz schnell unauthentisch. Es geht einfach darum, die politischen Inhalte zum Kanal passend darzustellen. Junge Leute wählen bewusst inhaltlich. Auch das hat das Rezo-Video gezeigt: Es waren ja keine neuen Themen. Debatten um Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Waffenexporte werden seit Jahrzehnten geführt. Nur waren sie hier halt in komprimierter Form dargeboten. Ein klarer Standpunkt ist das Authentischste, was es gibt. Das müssen wir können.