Prozess in Regensburg

Mildes Urteil im Sexvideo-Fall


Der Angeklagte (r) sitzt neben seinem Verteidiger Tim Fischer im Verhandlungssaal.

Der Angeklagte (r) sitzt neben seinem Verteidiger Tim Fischer im Verhandlungssaal.

Von Michael Bothner

Vieles sei im Unklaren geblieben und könne nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, erklärte am Dienstag das Landgericht Regensburg. Ein 32-Jähriger hatte eine Frau aus Neutraubling um mehrere tausend Euro erpresst. Von der ursprünglichen Anklage blieb am Ende nur noch wenig übrig.

Ein beherztes Schulterklopfen. Mit dieser Geste gratuliert Verteidiger Tim Fischer am Dienstagnachmittag seinem Mandanten. Kurz zuvor hatte die 5. Strafkammer des Regensburger Landgerichts das Urteil in einem nicht ganz alltäglichen Verfahren verkündet. Mit den verhängten elf Monaten Haftstrafe wegen Erpressung dürfte Achmed I. (Name geändert) zufrieden sein. Nicht nur ist das Urteil ohne weitere Auflagen zur Bewährung ausgesetzt. Weite Teile der ursprünglichen Anklage wurden fallen gelassen. Vor allem der Vorwurf, der 32-jährige Kurierfahrer habe im April 2019 der Geschädigten eine Waffe vorgehalten, wog schwer. Allein für diese besonders schwere räuberische Erpressung wäre eine deutlich höhere Freiheitsstrafe zu urteilen gewesen.

Im Zweifel für den Angeklagten

Am Ende waren sich Verteidigung, Staatsanwaltschaft und das Gericht aber einig, dass nur eine der insgesamt 29 vorgeworfenen Taten zweifelsfrei nachzuweisen sei. Interessant dabei: Der Angeklagte hatte unmittelbar zu Prozessbeginn vergangene Woche ein umfangreiches Geständnis abgelegt und selbst von drei bis vier Fällen der Erpressung gesprochen. Dass es auf Antrag von Staatsanwältin Christina Kupfer nur für die Verurteilung in einem Fall gereicht hat, liegt auch an der Aussagequalität der Geschädigten. Die 40-Jährige hatte über mehrere Vernehmungen hinweg immer wieder Erinnerungslücken gezeigt und für entscheidende Ereignisse verschiedene und widersprüchliche Erzählungen geliefert.

Richter Thomas Zenger betonte in der Urteilsbegründung der Kammer, man gehe nicht davon aus, "dass die Zeugin die Unwahrheit gesagt hat". Aufgrund des psychischen Drucks und der zeitlichen Distanz sei nachvollziehbar, wenn nicht mehr jedes Detail genau in Erinnerung sei. Die Zeugin habe aber viele Fragen offen gelassen. Das Gericht musste sich somit auf die Einlassung des Angeklagten stützen und am Dienstag konstatieren: "Wir wissen in den meisten Punkten schlicht weg nicht, was im Detail war." Im Zweifel müsse für den Angeklagten entschieden werden.

Achmed I. und die Zeugin hatten 2017 eine Affäre begonnen. Bald soll es dann zu gemeinsamen Zukunftsplänen gekommen sein, die sich auch auf der Selbstständigkeit des Kurierfahrers begründet hätten. Die Frau habe anfänglich noch freiwillig Geld vorgestreckt, um das Unternehmen zu starten, gaben beide an. Als es nicht laufen wollte, habe der Angeklagte irgendwann angefangen, ihr zu drohen. Er wolle die Beziehung gegenüber ihrer Familie und ihrem Ehemann öffentlich machen. Ob von Beginn an schon erotische Bilder und ein Video der Geschädigten im Spiel waren, ist eine von vielen Inkonstanten in den Erzählungen der 40-Jährigen.

Nur eine vorgeworfene Tat bleibt übrig

I. gab hingegen an, er habe erst mit steigendem finanziellen Druck auch die Drohungen intensiviert. Wohl in drei oder vier Fällen habe er dann auch Bilder und Videos als Druckmittel genutzt. Wirklich verschicken habe er die nie wollen. Er sah sich selbst in einer ausweglosen Situation. Heute bereue er das alles. Gewaltdrohungen im Zusammenhang mit Geldforderungen bestritt er. Und auch dass er Mitte April 2019 seiner einstigen Geliebten mit einer Waffe gedroht haben soll, weist er von sich. Tatsächlich ist eben jenes Treffen im April 2019 der einzige Vorfall, den die Kammer als gesichert ansieht. Auf einer Tankstelle habe man sich damals zur Geldübergabe verabredet. Dass es wirklich um 19.700 Euro gegangen sein soll, wie die Zeugin angab, könne schon anhand der Kontobewegungen und der von Bekannten damals ausgeliehenen Summen nicht nachvollzogen werden. Auch hier folgt das Gericht dem Angeklagten und geht von 9.500 Euro aus. Ein Schuldschein wurde damals von beiden unterzeichnet. Anhand des darauf festgehaltenen Datums konnte das Gericht den Vorfall als einzigen zeitlich genauer einordnen.

Dass am Ende nur ein Vorfall verurteilt wurde, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass "hier schon in besonderem Maße das persönliche Vertrauen in sehr verwerflicher Weise missbraucht" worden sei, betonte Zenger zum Schluss. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.