Disko-Nächte fürs Wohnzimmer

Zwei ostbayerische Kult-DJs streamen gegen den Lockdown-Blues


Disko übers Internet: DJ Thorsten (rechts) und DJ Tom Larusso bringen ihre DJ-Sets via Live Stream in die Wohnzimmer.

Disko übers Internet: DJ Thorsten (rechts) und DJ Tom Larusso bringen ihre DJ-Sets via Live Stream in die Wohnzimmer.

Von Stefan Karl

Thorsten Fix und Thomas Weikenstorfer alias DJ Tom Larusso aus Straubing stehen normalerweise in großen Clubs an den Turntables. Seit Beginn des Lockdowns in Bayern legen sie via Live-Stream auf - und kommen damit zumindest virtuell in viele tausend Wohnzimmer.

Nach mittlerweile vier Wochen Kollektiv-Hausarrest vermisst jeder andere Alltagsrituale. Am Freitag- und Samstagabend aber dürften viele Menschen in Ostbayern den gleichen Wunsch haben: endlich wieder ausgehen, feiern, tanzen. Während auf den Türen der Diskos weiterhin hastig gekritzelte "Geschlossen wegen Corona"-Zettel hängen und die Lichter dort aus bleiben, versuchen zwei Kult-DJs aus der Region, sich und ihren Fans den Lockdown-Blues zu nehmen, indem sie ihre DJ-Sets live ins Internet streamen - inklusive Anfeuerungsrufen, Lightshow und Action an den Turntables. Als Applaus gibt es Facebook-Herzchen und Bilder von den Hauspartys. Wir haben mit Roxy-Ikone Thorsten Fix und Tom Weikenstorfer alias DJ Tom Larusso aus Straubing darüber gesprochen, wie es ist, statt einer brodelnden, tanzenden Menge nur sein iPhone anzuschreien - und über den Traum, ihre Shows via Truck-Lautsprecher in die Städte zu tragen.

DJ-Nächte via Live Stream - gibt es die Idee seit dem Lockdown?

Thomas Weikenstorfer: Entstanden ist sie eigentlich schon kurz davor. Ich hab mir am Donnerstag, bevor Markus Söder die Ausgangsbeschränkungen verkündet hat, gedacht, dass es wohl so kommen würde. Irgendwie dachte ich bei mir schon: Okay, morgen Abend legst Du wohl nicht auf und vermutlich die nächsten Wochen auch nicht. Gerade in der Ausgangsbeschränkung brauchen wir doch aber etwas, das ein bisschen ablenkt, was Stimmung und gute Laune verbreitet. Dann hab ich kurz entschlossen alles zusammengesucht, was ich an Technik zu Hause hatte, das aufgebaut und einfach mal versucht, über meine Seite einen Live-Stream zu starten. Prompt hat das hingehauen. Die ersten Abende waren noch recht unprofessionell - Handy aufs Stativ und los ging's. Mittlerweile hab ich mir eine Kamera besorgt und eine Soundkarte, die richtig guten Klang aufs Netz bringt. Dann dachte ich, ich hole mir noch Verstärkung und hab DJ Thorsten mit dazu geholt.

Mittlerweile sind auch nicht mehr nur Ihre Wohnzimmer in den Streams zu sehen, oder?

Weikenstorfer: Wir sind dann recht bald in die erste Disko rein und haben von dort aus die erste Ü30-Party gestartet. Der Thorsten mit Rock, ich mit den poppigeren Sachen. Das war echt mega. Letzte Woche war ich dann noch in einem anderen Club und dieses Wochenende gibt's wohl wieder eine Show von zu Hause aus. Aus der Homebase (grinst). Wir schauen halt, dass wir für die Leute jede Woche irgendwas anderes machen, damit ihnen nicht zu Hause die Decke auf den Kopf fällt.

Wie sind die Reaktionen so?

Weikenstorfer: Gigantisch. Wir kriegen während der Streams viel mehr Kommentare, als wir überhaupt lesen können. Das fliegt nur so vorbei. Die Leute schicken uns Bilder aus ihren Wohnungen, prosten uns zu. Oft schauen auch die Kinder mit zu und tanzen mit. Ich glaub, es ist für die Leute schön, mal aus dem Trott herauszukommen. Es ist alles schlimm genug, umso mehr sollten wir uns die Zeit möglichst angenehm machen.

Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen auch viel gibt…

Thorsten Fix: Natürlich. Wenn Du 20 Jahre DJ bist, dann gehört das zu Dir, dann bist Du da mit Leidenschaft dabei. Wenn ich mal zwei Wochen daheim sitze, werde ich unruhig. Uns geht das Auflegen natürlich auch ab. Deswegen haben wir gesagt: Wir starten das jetzt einfach mal, wenn's klappt, ist es super, wenn nicht, haben wir es wenigstens probiert. Eine Inspiration war natürlich Italien. Wie sich die Leute da das Daheimbleiben erträglich machen. Im Fernsehen sahst du Lkw mit großen Boxen, die mit Musik durch die Straßen fuhren und ein bisschen Partystimmung zu den Leuten brachten.

Mit dem Musik-Truck durch die Straßen? Ob das auch eine Idee für Bayern wäre, haben wir im zweiten Teil des Interviews gefragt.

"Wer ins Zimmer kommt, denkt sich: Der ist nicht ganz dicht"

… wär doch auch was für Bayern, oder?

Weikenstorfer: Das haben wir auch schon überlegt. Aber uns machen Anzeigen wegen Ruhestörung etwas Sorgen (lacht). Was man sich aber vorstellen könnte, wäre mit einem Truck durchzufahren, so dass man nicht allzu lang an einem Ort bleibt. Ich würd nicht irgendwo in der Stadt ein DJ-Pult aufstellen, weil halt dann doch viele Leute zusammenlaufen würden, um sich anzuschauen, was da los ist. Das geht halt nicht. Aber es wär schon cool, als kleine Loveparade durch Straubing zu düsen. Wenn jemandem die Musik nicht gefällt, dann bist Du in einer halben Minute wieder weg. Schauen wir mal. Ich fürchte aber, dass uns Vater Staat da einen Strich durch die Rechnung machen wird.

Zurück zu den Live-Streams. Gibt's bei Ihnen Musikwünsche?

Fix: Hin und wieder. Aber selbst, wenn Du Dir ein Tablet mit ans DJ-Pult stellst, kriegst Du nicht alle Kommentare mit. Also, den ein oder anderen Musikwunsch, den ich aufschnappe, spiel ich dann schon mal. Ich muss aber auch sagen: Vielen Leuten taugt das Programm, das wir spielen. Die haben gar nicht großartig Wünsche, sondern freuen sich gerade darüber, mal wieder ein DJ-Set hören zu können, keine Spotify-Playlist… und viele denken sich wohl: Hauptsache mal was anderes als die ständigen News-Flashs über Corona.

Weikenstorfer: … manche Musikwünsche kannst Du als DJ eh nicht erfüllen. Wenn sich da jemand von Album XY Track Nummer 17 wünscht, weil das sein Lieblingslied ist, kannst Du es auch nicht spielen, wenn das Lied außer ihm keiner kennt.

Fix: … von den Kommentaren her kennt man aber viele Leute und ihren Musikgeschmack schon. Wenn ich sehe, dass jemand bestimmtes online ist, dann versuch ich schon auch, ein paar Lieder einzubauen, die demjenigen gefallen könnten.

Normalerweise hat man die Crowd vor sich und sieht die Reaktionen. Wie ist das beim Streamen?

Weikenstorfer: Das ist schon eine andere Überwindung. Da musst du einfach den Arsch zusammenzwicken und loslegen. Du musst doch noch viel mehr Gas geben, als wenn Du im Club auflegst. Jemand, der in diesem Moment in den Raum kommt, muss sich denken: "Der ist nicht ganz dicht". Weil - du stehst vor einem leeren Raum und schreist in dein Handy rein. Du moderierst und feuerst an. Aber wir machen es jetzt schon ein paar Wochen und jetzt wissen wir auch schon ein bisschen, wie der Hase läuft.

Fix: … ich finde es sogar mal ganz interessant. Normalerweise siehst Du, wie die Leute reagieren. Online kommt das nicht so unmittelbar zurück. Ich hab das Gefühl, da kannst du dich sogar noch ein bisschen mehr trauen…

… und statt Applaus gibt's Herzchen?

Fix: … ohne Ende, ja!

Weikenstorfer: … definitiv! Wenn ich Ü30-Partys mache, sag ich normalerweise: "Wo sind die Hände, die Hände in die Höhe" - das geht natürlich nicht. Online sag ich: Zeigt mir die Herzerl, wo sind die Herzerl. Dann überfluten die Leute den Kommentarbereich mit Herzchen oder Daumen nach oben. Das ist schon ein tolles Gefühl und sozusagen unser Lohn.

Übrigens: DJ Tom Larusso steht am Freitagabend wieder an den Turntables. Die nächste Facebook-Show mit DJ Thorsten findet am Samstagabend statt.