Debatte über Infektionsschutzgesetz

Störer im Bundestag: Das sagen Abgeordnete aus Ostbayern


Unerwünschte Besucher, Anfeindungen in Büros: Im Bundestag kam es am Mittwoch zu aufsehenerregenden Szenen. (Symbolbild)

Unerwünschte Besucher, Anfeindungen in Büros: Im Bundestag kam es am Mittwoch zu aufsehenerregenden Szenen. (Symbolbild)

Von Patrick Beckerle und Redaktion idowa

Mehrere Besucher sind am Mittwoch im Bundestag durch Beleidigungen und Anfeindungen aufgefallen. Teilweise drangen sie sogar in Büros von Abgeordneten ein. Wir haben Abgeordnete aus Ostbayern befragt, wie sie die aufsehenerregenden Vorfälle miterlebt haben.

Was war geschehen? Am Rande der Debatte über das neue Infektionsschutzgesetz waren am Mittwoch mehrere Besucher im Bundestag mit bedrohlichem Verhalten aufgefallen. Abgeordnete sollen beleidigt und teilweise auch bedrängt worden sein. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki betrachtete das als Nötigung und forderte Konsequenzen für die Abgeordneten, die die Besucher in das Gebäude brachten. Mittlerweile ist bestätigt, dass einige Besucher von AfD-Abgeordneten angemeldet wurden. Die Fraktion will jetzt klären, wer sich wie benommen hat und welche Gäste von den einzelnen Abgeordneten eingeladen wurden. Auch der Ältestenrat des Bundestags beschäftigt sich mit der Angelegenheit. Im Folgenden schildern Abgeordnete aus der Region, wie sie das Geschehen miterlebt haben.

Alois Rainer, CSU-Abgeordneter aus Haibach, wurde am Mittwoch nicht selbst bedrängt, hat aber hautnah miterlebt, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel von der Seite Beleidigungen zugerufen wurden. "Das Verhalten derer, die demokratisch gewählte Abgeordnete von einer Abstimmung fernhalten wollen und der Abgeordneten, die sie entgegen der Anordnung der Bundestagspolizei reingelassen haben, verurteile ich zutiefst", so Rainer. Gemeinsam mit seinen Fraktionskollegen hat er vom Ältestenrat "eine lückenlose Aufklärung dieser Vorfälle" gefordert. Für kommenden Freitag ist deswegen bereits eine aktuelle Stunde im Bundestag geplant. Es sei ein Versuch gewesen, demokratische Vorgänge zu stören: "Aber der Versuch ist letztlich gescheitert. Für mich zeigt das einmal mehr, dass die AfD eine gefährliche, rechtsextreme Partei ist."

"Wir konnten nur unter Polizeischutz in den Bundestag gelangen"

Der Straubinger Abgeordnete Erhard Grundl, der für die Grünen im Bundestag sitzt, konnte anfangs kaum glauben, was da passierte: "Mitgekriegt habe ich es erst, als jemand sagte, dass Leute auf den Gängen rumlaufen, schreien und Flyer verteilen. Als ich kurz aus dem Plenum rausging, habe ich gesehen, dass die Aktivisten Abgeordneten hinterhergelaufen sind und sie bedrängt haben. Ich finde, das grenzt an Nötigung und ich finde es unangebracht, auf diese Art Parlamentarier anzugehen, die sich die Abstimmung bestimmt nicht leicht gemacht haben." Er lasse sich von solch lautstarken Aktionen nicht beeindrucken. "Was allerdings auf einem anderen Papier steht, ist, wenn Mitarbeiter in den Büros bedroht werden. Da hört bei mir der Spaß auf."

Auch Klaus Ernst aus München, für die Linke im Bundestag, verurteilt die Stör-Aktion und sieht die Verantwortung bei der AfD-Fraktion: "Das deckt sich insofern mit meinen Erfahrungen mit der AfD, dass sie jede krisenhafte Lage dazu nutzen, die Gesellschaft zu spalten und die Menschen zu verunsichern." Persönliche Anfeindungen, wie sie manche seiner Kollegen erlebt haben, habe es gegen ihn nicht gegeben: "Aber was ich erlebt habe, war das Gefühl in einen Reichstag im Belagerungszustand zu gehen. Wir konnten nur unter Polizeischutz in den Bundestag gelangen. Das rief bei mir üble Erinnerungen hervor. Denn wir müssen uns bewusst sein, dass es in der deutschen Geschichte ja schon einmal in der Weimarer Republik so war, dass Reichstagsabgeordnete beim Betreten des Reichstags bespuckt und bedroht wurden, sodass sie irgendwann nicht mehr ihr Mandat ausüben konnten. Das waren die Gedanken, die ich hatte, als ich durch die polizeilichen Absperrungen ging, um in den Bundestag zu kommen."

"Wirklich erschreckend und ein absolutes No-Go"

Auch Nicole Bauer, FDP-Abgeordnete aus Vilsbiburg, fordert, dass die Vorfälle Konsequenzen haben müssen. "Das ist eine völlig neue Qualität, unsere demokratischen Prozesse beeinträchtigen zu wollen", so die 33-Jährige. "Ich habe größtes Verständnis, wenn Bürger Abgeordnete anrufen und ihren Unmut kundtun. Das gehört dazu. Aber nicht am Rande des Plenums auf diese unverschämte Art und Weise!"

Marianne Schieder aus Wernberg-Köblitz sitzt bereits seit 2005 für die SPD im Bundestag. Doch Szenen wie am Mittwoch hat sie bislang noch nicht erlebt: Schieder selbst ist zwar nicht beleidigt oder bedrängt worden, trotzdem empfindet sie die Geschehnisse rund um die Debatte über das Infektionsschutzgesetz als bestürzend. Aggressive Demonstranten vor den Toren seien das eine, aber ungebetene Gäste mitten im Bundestag - "das ist wirklich erschreckend und ein absolutes No-Go", so Schieder im Telefongespräch mit idowa. "Man muss sich das vorstellen: Im Bundestag sind viele Politiker gänzlich ohne Personenschutz unterwegs - weil man sich bisher darauf verlassen konnte, dass wirklich niemand ungebetenes hinein kommt. Das ist anders, seit die AfD da ist." Das Verhalten der Partei nennt Schieder "absolut unangebracht". Sie hofft, dass die Vorgänge nun im Ältestenrat aufgearbeitet werden, damit sich Derartiges in Zukunft nicht wiederholt.

Ebenfalls angefragt hatten wir Corinna Miazga, Abgeordnete aus Straubing und Bayern-Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD). Sie ist eine der führenden Figuren in der Fraktion der AfD. Parteikollegen von ihr sollen die Störer ins Parlamentsgebäude gebracht haben. Von Miazgas Abgeordnetenbüro hieß es, dass sie derzeit in ärztlicher Behandlung sei, sich aber baldmöglichst zur Thematik äußern werde.