Austritte in Bayern

Bei der katholischen Kirche läuten die Alarmglocken


Im Bistum Regensburg haben im vergangenen Jahr 8.321 Katholiken der Kirchen den Rücken gekehrt.

Im Bistum Regensburg haben im vergangenen Jahr 8.321 Katholiken der Kirchen den Rücken gekehrt.

Von Matthias Jell und Redaktion idowa

Bayernweit haben mehr als 64.000 Katholiken der Kirche im vergangenen Jahr den Rücken gekehrt. Damit verzeichnet der Freistaat im gesamten Bundesgebiet die meisten Kirchenaustritte. Was gedenkt man in Reihen der katholischen Kirche nun zu tun, um diesem seit Jahren anhaltenden Trend entgegenzuwirken?

Die Abwärtsspirale geht weiter: Immer mehr Menschen wenden sich Jahr für Jahr von der Kirche ab. Sowohl von der katholischen als auch von der evangelischen. Deutschlandweit haben im Jahr 2018 rund 216.000 Menschen die katholische Kirche verlassen. Das sind etwa 48.500 Austritte mehr als noch im Jahr 2017. Die Gründe für diesen Trend dürften mannigfaltig sein. Klar ist aber auch, dass das Image der Kirche durch die vielen Missbrauchsfälle stark gelitten hat. Hinzu kommt eine Weltsicht, die offenbar etlichen Menschen nicht zeitgemäß erscheint.

Welche Rückschlüsse zieht man nun bei der katholischen Kirche aus diesen Zahlen, etwa in Regensburg? Keine direkten, wie es scheint. "Die Austrittsquote in Bayern (1,01 Prozent) liegt nur sehr gering über der deutschen Quote (0,95 Prozent). Im Bistum Regensburg liegt sie mit 0,72 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt. Aus diesen Zahlenkonstellationen lassen sich keine signifikanten Rückschlüsse ziehen. Bestenfalls kann man sagen, dass die Austrittsquoten in Ballungsräumen eher höher liegen", antwortet Clemens Neck, Sprecher des Bistums Regensburg, auf idowa-Nachfrage.

Allein im Bistum Regensburg haben im vergangenen Jahr 8.321 Katholiken der Kirche den Rücken gekehrt. Um diesem Trend entgegenzuwirken, sucht man dort seit Jahren aktiv den Dialog über das "Austrittstelefon". Dabei stehen mehrere Vertreter der Diözese Regensburg für ein offenes Gespräch am Telefon bereit. Die Aktion wird vom 19. Juli bis zum 31. August laufen.

"Zeitgemäß hat keine Auswirkung auf Kirchenaustritte"

Clemens Neck appelliert nicht nur an die Vertreter der Diözese, sondern an alle Gläubigen: "Jede Katholikin und jeder Katholik ist aufgefordert, Zeugnis des Glaubens zu geben. Was diese Aufgabe für uns bedeutet? Wie wir sprechen und handeln, wenn wir gefragt werden? (…) Mit diesen Fragen an uns alle möchte ich die Herausforderungen andeuten, vor denen wir als Glaubensgemeinschaft stehen." Deutlich selbstkritischer äußert sich hier Peter Beer, Generalvikar des Erzbischofs von München und Freising: "Wir müssen überlegen, warum wir zu so vielen Menschen den Kontakt verloren haben. Wie können wir unsere Angebote qualitativ besser machen? Wie können wir Menschen erreichen?" Und Beer läutet weiter die Alarmglocken: "Wir müssen spürbar machen, dass der christliche Glaube wirklich Sinn stiftet und dem Leben eine gute Richtung gibt."

Auch im Erzbistum München und Freising hatte man im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr rund 21.000 Kirchenaustritte hinzunehmen. Beer: "Wir bewegen uns zwischen Gegenden mit einer traditionell volkskirchlichen Prägung und dem Großraum München, wo vielen Menschen vor allem Flexibilität und Dynamik wichtig sind. Diese Relevanz für das eigene Leben müssen wir aber an vielen Stellen neu sichtbar machen."

Direkt gefragt: Ist Kirche im Jahr 2019 noch zeitgemäß? Clemens Neck hat hierzu eine eindeutige Meinung: "Die Erfahrung zeigt, dass das, was Sie jetzt wahrscheinlich als ‚zeitgemäß' betrachten, keine Auswirkung zeigt auf die Zahl der Kirchenaustritte." Jedenfalls seien "die sogenannten zeitgemäßen Maßnahmen, die uns gerne empfohlen werden, in der evangelischen Kirche längst umgesetzt". Doch dort würden sie keinerlei Wirkung zeigen. "Im Gegenteil: die Austrittsquote liegt sogar meist über der katholischen", so Neck weiter.

Aus der evangelischen Kirche traten in Bayern im Jahr 2018 insgesamt knapp 28.000 Menschen aus, etwa 4.000 mehr als noch im Jahr 2017.