Pfingst-Open-Air

"Bosse" im Interview: "Festivals sind wie Urlaub"


Die Band "Bosse" spielt auf dem Pfingst-Open-Air 2013 (Fotos: Yvonne Pfeilschifter)

Die Band "Bosse" spielt auf dem Pfingst-Open-Air 2013 (Fotos: Yvonne Pfeilschifter)

Von Yvonne Pfeilschifter

Vor Kurzem ist sein fünftes Solo-Album "Kraniche" erschienen, seine Konzerte sind fast immer ausverkauft. Auf dem Pfingst-Open-Air in Salching ist Axel, genannt "Aki", Bosse am Sonntag der Haupt-Act. Und bevor er und das gesamte Publikum nicht vollkommen durchgeschwitzt sind, verlässt der sympathische Indie-Sänger aus Braunschweig die Bühne höchstens für ein Bad in der Menge.

Aki, du spielst für uns auf dem Pfingst- Open-Air in Salching...

Bosse: Yeah! Da haben wir schon mal gespielt. Und ich kann mich noch erinnern, dass ich damals so einen prolligen Mietwagen hatte, so einen fetten Mercedes mit drei Auspuffen und mit fetten Puschen. Ich bin da reingekommen und alle hatten Dreadlocks und haben mich angeguckt, als wär' ich der Oberassi. Ich möchte jetzt nochmal sagen, es war nicht mein eigenes Auto (lacht). Ich habe gar kein Auto, ich fahr' die ganze Zeit nur noch Fahrrad.

Was ist für dich das Besondere an Festivals?

Bosse: Festivals sind immer eher wie Urlaub. Das Wetter ist hoffentlich schön, wir gehen eine Runde Badminton spielen, gucken uns die Bands an und irgendwann abends spielen wir dann. Ich hab' auch immer eine Hängematte dabei. So was wie eine kleine Klassenfahrt ist das im Sommer eigentlich immer.

Klingt sehr entspannt. In deinem Lied "Müßiggang" heißt es: "Immer nach'm Nickerchen kommen mir die besten Ideen." Ist das so?

Bosse: Das ist wirklich so. Ich bin eigentlich ein ziemlich stressiger Typ. Ich hab' ganz viel Energie und mache immer viel zu viele Dinge auf einmal. In den letzten zwei, drei Jahren habe ich gelernt, dass ich das eher so halte wie die Mexikaner oder die Spanier mit einer kleinen Siesta und vielen Ruhepausen. Das liegt aber auch an meinem Alter. Ich bin ja nicht mehr 23.

Sondern 33. Deinen ersten Plattenvertrag hattest du schon mit 17 Jahren, jetzt das fünfte Solo-Album. Du wurdest mal als die "Weinbergschnecke der deutschen Musikszene" bezeichnet. Hast du nie daran gedacht, die Musikerkarriere an den Nagel zu hängen?

Bosse: (lacht) Den Spruch fand ich aber gut! Einer der wenigen, den ich richtig gut fand. Ja doch, das hab' ich auch schon mal. Als meine Tochter auf die Welt kam, ging dann auch direkt mein Plattenvertrag verloren. Ich war ziemlich oft pleite, auch seit sie auf der Welt ist. Da hab' ich mir dann schon immer so gedacht: "Okay, du hast jetzt ein Baby, jetzt bist du irgendwie natürlich verantwortlich." Dann hab' ich eben am Hafen Kisten geschleppt. Es gab nie eine zweite Option, immer nur so eine gewisse Grundangst davor, dass das jetzt, bis ich 60 bin, so weitergeht.

Du hast gerade schon über deine Tochter gesprochen. In "So oder So" heißt es: "Musst du nicht weinen, nur weil irgendein Idiot gegangen ist". Hast du Angst vor der Zeit, wenn deine Tochter Liebeskummer hat oder auf die Idee kommt, wie du die Schule zu schmeißen?

Bosse: Nee, da freu ich mich total drauf. Die ist jetzt ja schon so groß. Das ist eben so krass, wenn ein Kind auf die Welt kommt. Dann ist das plötzlich ein richtiger Mensch mit einer eigenen Meinung. Ich habe auf jeden Fall schon Respekt vor der Pubertät. Das Gute ist, ich bin so ein junger Vater. Wenn sie Bock hat, tanzen zu gehen, dann seh' ich mit 40 immer noch gut aus, kann da mitgehen und pass' auf.

In "Schönste Zeit" blickst du auf deine eigene Jugend zurück. Würdest du wirklich sagen, dass das die schönste Zeit war?

Bosse: Nee, gar nicht. Es geht eben darum, dass man so unbefangen war und das alles irgendwie zum ersten Mal erlebt hat und sich da so neue Welten geöffnet haben und das passiert dann irgendwann einfach nicht mehr. Mit 25 wird es dann vielleicht schon ein bisschen langweiliger. Da hat man eben schon achtmal Liebeskummer gehabt und war schon fünfzehnmal verliebt und wurde schon dreimal verlassen. Da hat man das Spiel kennengelernt. Aber in dem Song ging es mehr um dieses Extreme, dass man so pathetisch war und immer das wollte, was man gerade nicht hatte. Ein weiteres großes Thema auf dem neuen Album "Kraniche" ist Entschleunigung, einfach mal runterkommen. Mit der Entspannung ist es im Moment ja nicht so weit her - Konzerte, Festivals.

Hast du Angst, dass dir das wieder zu viel wird?

Bosse: Nee, ich muss eben schon aufpassen. Ich glaube, wenn ich jetzt nur so ein Sänger wäre, der nichts macht und einfach nur am Mikro steht, dann wäre das alles voll entspannt. Aber ich tanze eben den ganzen Abend. Und das ist dann schon so wie drei Stunden Squash, so volles Brett, wie einen Marathon laufen und ich muss schon gucken, dass ich mich tagsüber wirklich regeneriere.

Auch im Song "Vier Leben" geht es darum, dass man oft versucht, zu viel unter einen Hut zu bringen. Welches Leben ist dir am wichtigsten?

Bosse: Ich bin am liebsten zu Hause.

Bei deiner Familie?

Bosse: Ja klar, das ist schon das Wichtigste. Mir fehlt dann eben auch nichts, auch das Musikmachen nicht. Eigentlich steh' ich ziemlich auf meinen Garten und auf die Mädels, die da rumhüpfen. Das reicht mir irgendwie. Das ist voll rentnermäßig, aber das ist schon ganz gut. Die meisten Typen kommen ja irgendwann in eine Midlife- Crisis. Ich weiß jetzt schon, dass ich das nicht brauche. Ich sehne mich manchmal schon nach dem Punkt, wo das dann alles gegessen ist und ich da in meiner Hollywood- Schaukel sitze.

Ein wirklich schönes Bild zum Abschluss. Vielen Dank für das Interview. Wir freuen uns aufs Pfingst- Open-Air mit dir!

Yvonne traf Axel Bosse vor einem Konzert in München.

Yvonne traf Axel Bosse vor einem Konzert in München.