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Weihnachtsstimmung bei 35 Grad?


Maria ist seit vier Monaten in Bolivien. In einem Mädchen-Internat hilft sie den Schwestern bei allem, was anfällt.

Maria ist seit vier Monaten in Bolivien. In einem Mädchen-Internat hilft sie den Schwestern bei allem, was anfällt.

Von Maria Poiger

"Wir haben FERIEN!" Das hörte ich zwei Wochen immer und immer wieder. Die Mädels liefen alle wie von der Tarantel gestochen durchs Internat und suchten ihre Sachen. Alle haben die Schule geschafft und konnten - nachdem alles geputzt und aufgeräumt war - glücklich zu ihren Familien fahren und mit ihnen die Ferien verbringen. Ich habe mich mit einem lachenden und einem weinenden Auge von ihnen verabschiedet. Einige werden sicher wiederkommen, aber manche auch nicht mehr. Ich hatte mich sehr an sie gewöhnt. Wie wird es wohl sein, wenn ich mich im Juli ganz von allen verabschieden muss? Aber bis dahin sind es ja noch ein paar Monate. Ich freue mich auf jeden Fall schon total, wenn im Februar die Schule wieder beginnt und im Internat wieder das Chaos regiert.

Meine "Ferien" haben mit einer wunderschönen Woche in Santa Cruz begonnen. Zusammen mit vier Schwestern und einigen Leuten aus Candúa und Monteagudo besuchte ich die "Mansión". Das ist ein internationales Religionsfest, bei dem viel gebetet, gesungen und getanzt wird. Täglich fanden zwei sehr interessante Seminare über verschiedene Themen statt. Für mich war es eine wunderbare Möglichkeit, mich mit meinem Glauben und auch mit den vergangenen Monaten hier in Bolivien auseinander zu setzen und etwas zur Ruhe zu kommen. Nebenbei konnte ich viele tolle Kontakte knüpfen und Freunde finden. Ein besonderes Highlight war auch mein erster Ausritt. Wer mich kennt weiß, dass ich einer Einladung zu einem Ausritt nicht widerstehen kann..Jeder Tag und alles, was ich hier erlebe, ist eine riesige Bereicherung für mich und mein Leben. Ich will keine Sekunde davon missen!

Die Würde der "Weißen Stadt"
Momentan bin ich in Sucre. Ich habe mein Visum geholt und helfe nun hier im Mutterhaus. Die meisten Schwestern sind diese Woche hier, um an einem Besinnungsseminar teilzunehmen. Die Schwester, die sich in der Zeit um alles kümmern sollte, hat im Moment viele Prüfungen und somit wenig Zeit für häusliche Angelegenheiten. Also helfe ich hier beim Kochen, putze und kümmere mich um die Gäste. Ich lerne aber auch die Stadt besser kennen. Sucre ist die Hauptstadt Boliviens und liegt etwa 570 Kilometer südöstlich von La Paz auf rund 3 000 Metern Höhe. Gegründet wurde die Stadt schon 1538, aber est seit 1826 heißt sie Sucre. Namensgeber ist der Freiheitsheld und General Antonio José de Sucre. Er war der zweite Präsident Boliviens.

Die Stadt präsentiert sich ruhig und freundlich, fast wie in einem Märchen. Die Türme der vielen alten, weiß gestrichenen Kirchen und die übrigen restaurierten Kolonialbauten verleihen der "weißen Stadt" eine gewisse Würde und ihr berühmtes Flair. Im Zentrum der Stadt ist die schöne Plaza mit einem Denkmal von Antonio José de Sucre. Uralte Bäume und riesige Palmen laden tagsüber und vor allem nachts ein, sich von dem lebendigen Treiben mitreißen zu lassen.
Im "Parque Bolívar", dem Stadtpark Sucres, geht es ruhiger zu als auf der Plaza. Alt und Jung trifft sich hier, um zu quatschen, ein Eis zu essen oder einfach nur, um die Seele baumeln zu lassen. Der idyllische Rosengarten ist ein beliebter Platz für alle Verliebten, die dort die abendlichen Wasserspiele bewundern können.

Die Stadt ist übersät mit kleinen Verkaufsständchen, Schuhputzern (meistens Kinder) und Essensangeboten. Auf den Märkten kann man hier morgens um 7 Uhr schon Suppe essen. Bolivianer lieben Suppen und es vergeht normalerweise kein Tag ohne eine solche. Die beliebteste und auch im ganzen Land erhältliche ist die "Sopa de Maní" - die Erdnuss-Suppe.
Wie mir schon in anderen Städten aufgefallen ist, liegen auch hier Armut und Reichtum ganz nah beisammen. Riesige Villen stehen neben Hütten und die Armen sitzen vor Bänken und hoffen auf kleine Spenden. Leider werden zum Betteln ganz oft die kleinen Kinder vorgeschickt, da die Leute Kindern leichter etwas geben als Erwachsenden. Von dem erbettelten Geld haben die Kinder aber meistens nicht viel, da sie alles bei den Eltern abgeben.

Nachdenkliche Stimmung zu Weihnachten
Alle sind in Weihnachtsstimmung und am Geschenke kaufen. Aber irgendwie kann ich mich bei 35 Grad Celsius und strahlendem Sonnenschein noch nicht so richtig auf die "staade Zeit" und Weihnachten einstellen. Ich werde dieses Weihnachten zusammen mit vielen Schwestern und drei Mädchen bei uns im Internat feiern. Bis dahin gibt es noch viel vorzubereiten. Die Zimmer müssen geschmückt, das Menü erstellt und die Geschenke gekauft werden.

> WEIHNACHTSGEDICHT AUS SÜDAMERIKA
Ein besonderes Anliegen dieses Weihnachten ist mir das Projekt von Schwester Jaqueline. Zusammen mit einigen Jugendlichen aus Sucre unterstützt sie dieses Jahr eine Einrichtung für krebskranke Frauen, die ohne Hilfe nicht leben können. Diese Einrichtung ermöglicht es den Patientinnen, zusammen mit ihren Kindern in Sucre zu wohnen und so - soweit es ihren Familien finanziell irgendwie möglich ist - ihre Therapien wahrzunehmen. Momentan leben hier sieben Frauen mit ihren Kindern. Da die medizinische Versorgung individuell und bar bezahlt werden muss, müssen sie sich ihr Essen jeden Tag erbetteln und haben keine richtigen Betten zum Schlafen. Ich habe diese Einrichtung besucht und war erschüttert. Die Frauen und Kinder sind abgemagert und schlafen auf dem Boden. In den Gesprächen haben sie mir erzählt, dass sie total Angst davor haben, ihre Therapien nicht mehr bezahlen zu können, wenn sie auch nur 1 Boliviano für Essen ausgeben. Sie kämpfen jeden Tag ums Überleben und ich bin überwältigt von der Kraft, die sie dafür aufbringen.