Landshut

"Queer in Niederbayern" organisiert einen CSD


Die Vereinsvorsitzenden von "Queer in Niederbayern", Marlene Schönberger und Herbert Lohmeyer.

Die Vereinsvorsitzenden von "Queer in Niederbayern", Marlene Schönberger und Herbert Lohmeyer.

Ein Christopher Street Day in Landshut - mit dieser Idee sorgte im Frühling "Queer in Niederbayern" für Aufsehen. Doch hinter dem Verein steckt viel mehr als der Wunsch nach einem Straßenfest.

Tobias Asam hatte Glück. Als er in Marklkofen (Landkreis Dingolfing-Landau) sein Coming-out hatte, wo er schon immer gewohnt hatte, akzeptierten es seine Freunde und Eltern. So gut wie nichts änderte sich für ihn und er weiß, dass das unüblich ist. Beim Weggehen muss er sich keine dummen Sprüche anhören. Trotzdem wurde er hellhörig, als eine Gruppe Landshuter die Idee hatte, einen Christopher Street Day zu veranstalten. Auch wenn er davor nie bewusst den Wunsch hatte, sich für die queere Szene zu engagieren, beschloss Tobias, Mitglied von "Queer in Niederbayern" zu werden und mitzuhelfen. (Bedeutung "queer": von der Norm abweichend, Anm.d.Red.)

Tobias Asam hilft bei der Organisation des Christopher Street Days in Landshut.

Tobias Asam hilft bei der Organisation des Christopher Street Days in Landshut.

Bedarf nach einem Netzwerk

Ursprünglich sollte es beim Verein auch nur um dieses Thema gehen: ein Christopher Street Day, mitten in Niederbayern. "Dann kamen die ersten Anmeldungen und wir stellten fest, was für ein riesiger Bedarf da ist", sagt Vereinsvorstand Herbert Lohmeyer. Damit meint er den Wunsch nach einem Netzwerk im queeren Niederbayern. Das fehlte vielen, obwohl sie nie danach gefragt haben. "Nur, weil jemand schweigt, heißt das aber nicht, dass kein Bedarf da ist", erklärt er. Thema der ersten Sitzung war natürlich der Christopher Street Day. Schnell wurde den Organisatoren klar: Das Projekt wird größer als Landshut - viel größer. Beim queeren Lebensstil ist Niederbayern ein weißer Fleck. Treffpunkte, Stammtische, Netzwerke: Dinge, die in größeren Städten selbstverständlich sind, fehlen hier völlig.

Mittlerweile hat der Verein 80 Mitglieder aus ganz Niederbayern - und sogar eines, das in Düsseldorf wohnt. Dazu kommen viele Menschen, die an der Arbeit von "Queer in Niederbayern" interessiert sind. Vor allem viele junge Leute sind dabei, was Marlene Schönberger, ebenfalls Vereinsvorsitzende, freut. Denn Vereinsleben ist eigentlich etwas, das Jugendliche nicht mehr besonders interessiert.

Auch hier ist Tobias eine Ausnahme. In Marklkofen ist er Mitglied der Landjugend. Feste zu organisieren, ist deshalb nichts Neues für ihn. Doch der Christopher Street Day ist trotzdem eine Herausforderung. Tobias gibt ein Beispiel: "Wir wissen nicht, wie viele Leute kommen werden." Für die Organisatoren heißt das, dass sie nicht wissen, wie viel Essen und Trinken sie bereitstellen sollen. "Wir wollen Essen für Veganer und Vegetarier anbieten. Aber natürlich werden wir auch Besucher haben, die eine Leberkässemmel haben wollen", so Herbert Lohmeyer.

Party und Politik

Dann sind da die Teilnehmer des Christopher Street Days selbst. "Wir hatten schon Anfragen von Künstlern, die quasi an jedem Christopher Street Day teilnehmen", sagt Herbert Lohmeyer. Genau diesen Kommerz will der Verein aber nicht haben. Sicher, Party gehört dazu. Sie soll aber nicht die Demonstration überschatten. "Ich möchte auch, dass wir zu einem gendergerechten Christopher Street Day werden", ergänzt Marlene Schönberger. Sie hat schon öfter die Erfahrung gemacht, dass Lesben- und Frauenthemen beim Christopher Street Day eine untergeordnete Rolle spielen. In Landshut soll das anders werden.

Die Vereinsmitglieder haben noch weitere Pläne. Beratungsstellen soll es geben und Treffen. Vorbild ist dabei das Münchner Sub - ein Knotenpunkt für queere Menschen aller Altersstufen und Schichten. In Niederbayern gebe es nichts dergleichen, bedauert Herbert Lohmeyer.

Was Tobias Asam am besten am Verein gefällt? "Die Möglichkeit, sich mit anderen Leuten zu unterhalten und zu erfahren, wie es den Erwachsenen ergangen ist, die in einer anderen Zeit groß geworden sind", sagt er. Und denen zu helfen, die nicht so viel Glück hatten wie er.

Das öffentliche Echo

Seit "Queer in Niederbayern" an die Öffentlichkeit ging, provoziert der Verein zum Teil heftige Reaktionen. Da ist der regelmäßige Shitstorm, der sich auf Facebook breitmacht, wenn die Vereinsmitglieder Neuigkeiten zum Christopher Street Day bekannt geben.

In Landshut sorgte das Statement des FDP-Politikers Albrecht Schöllhorn-Gaar, der im Juni den Christopher Street Day als "schwules Zeug" bezeichnete, für einen kleinen politischen Eklat. Was Marlene Schönberger und Herbert Lohmeyer aber freut, ist, dass diese Statements nicht alleine stehen. Die Diskussionen auf Facebook zeigen: Für jeden, der den Christopher Street Day überflüssig findet, gibt es einen, der die Idee für gut hält. "Das motiviert natürlich", sagt Marlene Schönberger.
Auch die Politik zeigt, dass es nicht nur Meinungen wie die von Schöllhorn-Gaar gibt: Landshuts Oberbürgermeister Alexander Putz und Landrat Peter Dreier sind die Schirmherren der Veranstaltung.