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Life in plastic?


Von Nina Zeindlmeier

Vielleicht hat sich der ein oder andere ja schon einmal genauso gefühlt wie Aqua das Leben der wohl berühmtesten Spielzeug-Puppe in ihrem Hit "Barbie Girl" beschreibt. Zugegeben, den meisten von uns mangelt es wahrscheinlich an der strohblonden Haarpracht, der bedenklich schmalen Wespentaille oder am knallroten Schmollmund, um als Barbie durchzugehen. Doch am "life in plastic" scheint so einiges dran zu sein. Und damit meine ich nicht etwa proportional übergroße Puppenkämme aus Kunststoff oder pinkfarbene dauergrinsende Plastik-Einhörner. Nein, ich spreche nicht vom

Leben einer Barbiepuppe, sondern von unserem. Schließlich befindet sich Kunststoff überall.

Sein Vorkommen beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Alltag: Auch in den Bereichen Medizin, Militär, Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie ist er unverzichtbar geworden. Aber was macht Kunststoff aus, dass er in derart verschiedenen Sparten zum Einsatz kommt? Und noch viel wichtiger: Welche positiven oder negativen Folgen hat diese Entwicklung für uns alle?

Abfallstrudel im Meer
Nicht wenige denken beim Thema Plastik zunächst an den für seine Herstellung benötigten Verbrauch von Erdöl, wachsende Müllberge oder an gesundheitsschädliche Substanzen, die im Stoff enthalten sein könnten. Eines steht fest: Bedenken gegenüber Kunststoff sind durchaus berechtigt. Das beste Beispiel hierfür ist der so genannte große pazifische Müllstrudel, ein Gebiet im Nordostpazifik, in dem sich mittlerweile ein mehrere Millionen Tonnen schwerer Plastikteppich gebildet hat. Spiegel Online berichtete im Februar 2008, die gewaltige Menge an Abfall habe durch Schiffe, die ihre Ladung verloren haben, in den Ozean gelangen können und werde durch Winde so begünstigt, dass der Müll sich nun strudelförmig im Wasser bewege. Auch in dem umstrittenen Dokumentarfilm "Plastic Planet" wird angesprochen, dass solche Verschmutzungen eine Verletzungsgefahr für Tiere darstellen und von ihnen mit Futter verwechselt werden. Der Mensch nimmt so das Plastik in den Därmen von Meereslebewesen mit der Nahrung wieder auf. Hinzu kommt eine Eigenschaft von Wegwerfprodukten aus Kunststoff. Nämlich die, dass sie nicht verrotten und somit nur schwer entsorgt werden können.

Allerdings wird man in Deutschland kaum Müllberge finden, geschweige denn Abfallstrudel. Außerdem sind negative Aspekte nicht immer unbedingt auf den Kunststoff selbst, sondern eher auf den verantwortungslosen Umgang derer, die mit ihm arbeiten, zurückzuführen. Dass hierbei viel zu oft mehr Wert auf Gewinnmaximierung als auf Gesundheit und Umweltschutz gelegt wird, muss wohl nicht erwähnt werden...

"Kunststoff ist Klimaschutz"
Diese These vom Wirtschaftsverband PlasticsEurope mag auf den ersten Blick etwas gewagt erscheinen. Wie wär's mit einem zweiten. Die Begründungen der Organisation sehen folgendermaßen aus: Früher wurde Wasser in Glasflaschen verpackt. Heute gibt es die Möglichkeit, Plastik zu verwenden. Der Vorteil: Es ist wesentlich leichter. Weniger Gewicht bedeutet weniger LKWs zum Transport. Und weniger LKWs auf unseren Straßen stoßen wiederum weniger Kohlenstoffdioxid aus. Das wird wohl weiter in die Atmosphäre gelangen, ja, aber dank einfach beförderbarem Plastik wird der Schaden begrenzt. Auch Barbie und Ken könnten ohne den Werkstoff ihr Traumgewicht wahrscheinlich nicht halten und müssten aus einem schwererem Material hergestellt werden.

Doch das ist nicht der einzige ökologisch wertvolle Vorteil von Kunststoff. Solarzellen und Windräder gewinnen erneuerbare Energien und stellen somit eine nachhaltige Alternative zu Erdöl und -gasverbrauch und zu Kernkraftwerken dar. Und woraus bestehen sie? Natürlich aus Kunststoff. Mehr noch: Ohne diesen Werkstoff ist der Bau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen heute noch nicht möglich. Ähnlich ist es mit Dämmstoffen aus PVC und Co., die verhindern, dass beispielsweise in einem Wohnhaus zu viel Wärme nach außen verloren geht und deshalb mehr Ressourcen verheizt werden müssen.

Das womöglich entscheidendste Plus von Kunststoff ist seine mehrfache Verwendbarkeit. Er kann recycelt werden und bringt uns somit lange einen Nutzen. Wer einen Joghurtbecher zur Wiederverwertung gibt, kann also davon ausgehen, dass die enthaltenen Stoffe bald zu einer Einkaufstüte, einer Zahnpastatube oder einem Barbie-Traumhaus werden. Nachdem ein und dieselben Plastikteilchen nun wieder und wieder recycelt worden sind, kann aus ihnen immer noch das enthaltene Öl oder sogar Strom zurückgewonnen werden. Erdöl, dass sofort verbrannt und so zu Energie gemacht wird, "verschwindet", wir können es nur dieses eine Mal verwenden. PlasticsEurope formuliert das Ganze folgendermaßen: "Will man Erdöl effizient nutzen, sollte man es zu Kunststoff verarbeiten." Bisher werden allerdings nur fünf bis sechs Prozent des deutschen Ölverbrauchs für die Kunststoffherstellung genutzt.

Ebenfalls interessant: Deutschland verhält sich mit einer Recyclingquote von über 90 Prozent sehr vorbildlich. Leider können sich viele andere Länder hier noch nicht anschließen.

Ob Kunststoff nun "gut oder böse" für uns ist, lässt sich pauschal nicht klären. Wie so oft gilt auch für Plastik, dass jeder einen Umgang damit pflegen sollte, den er auch vertreten kann. Dabei ist es wichtig, auch an spätere Generationen, Flora und Fauna zu denken. Und natürlich an Barbie, schließlich verbringt sie ihr ganzes Leben in einer Welt aus Plastik. Wir etwa auch?