Interview

Johanna Uekermann: „Die Parteien müssen wieder lernen, klar für etwas zu stehen“


Richtig ernst wurde es bei der JuSo-Bundesvorsitzenden Johanna Uekermann mit dem politischen Engagement, als es um die Studiengebühren ging. Was sie dabei gelernt hat, war mit ein Grund, warum sie den Weg in die Politik einschlug.

Richtig ernst wurde es bei der JuSo-Bundesvorsitzenden Johanna Uekermann mit dem politischen Engagement, als es um die Studiengebühren ging. Was sie dabei gelernt hat, war mit ein Grund, warum sie den Weg in die Politik einschlug.

Johanna Uekermann aus Mitterfels im Landkreis Straubing-Bogen hat es in der Politik schon weit gebracht: Sie ist Bundesvorsitzende der JuSos, der Jugendorganisation der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Sie weiß, Parteien haben ein Imageproblem. Warum es gar nicht so schwer ist, das zu ändern, und wie sich die Parteiendemokratie im Allgemeinen schlägt, verrät sie im Interview mit Freistunde.

Hallo Johanna, kannst du unseren Lesern zum Einstieg ein wenig erzählen, wie du in die Politik gekommen bist?

Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen komme ich aus einer sehr politischen Familie. Viele Verwandte sind in der Politik engagiert, daheim haben wir uns auch immer über politische Themen unterhalten. Konkret wurde mein Engagement geweckt, als Studiengebühren in Bayern eingeführt wurden. Das war ein Thema, das mich direkt betroffen hat. Ich fand Studiengebühren ungerecht. Bildung sollte von der Kita bis zur Uni kostenlos sein. Also habe ich mich dafür eingesetzt, sie wieder abzuschaffen. So hat es angefangen.

Spannend ist dabei auch, dass du dich in einer Partei engagierst. Gerade die Volksparteien werden doch gerne als Vereine für alte Männer und Frauen gesehen.

Für junge Menschen gibt es heute mehr Möglichkeiten, sich politisch zu engagieren, als die Parteien. Ich finde es auch sehr wichtig, dass man auf die Straße geht, bei Demos dabei ist oder mit seinen Freunden gemeinsame Aktionen startet. Das sind auch Möglichkeiten, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Man kann sehen, wie wichtig das beispielsweise für die Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP war. Hier haben Menschen auf der Straße Politikern gezeigt, was sie wollen. Ohne sie wären die Verhandlungen wohl anders verlaufen. Trotzdem finde ich, dass Parteien enorm wichtig sind. Wer dort arbeitet, kann viel bewegen und Politik selber aktiv mitgestalten. Deshalb habe ich mich entschieden, mich in der SPD und bei den Jusos zu engagieren.

Trotzdem haben Parteien bei Jugendlichen ein Imageproblem. Wie kann sich das ändern?

Ich denke, viele Jugendliche und junge Erwachsene sind abgeschreckt, weil Engagement in einer Partei immer mehr ist als sich nur für eine bestimmte Forderung - beispielsweise den Protest gegen TTIP - einzusetzen. Man vertritt nicht mehr nur seine eigene Meinung zu einem Thema, man muss sich auch mit anderen Positionen im Parteiprogramm auseinandersetzen. Dazu ist man auf einmal ja auch Mitglied in einem Verein. Ich habe das Gefühl, viele junge Leute würden sich gerne mehr engagieren, wollen sich aber nicht gleich lebenslang an eine Partei binden. Das ist etwas, das die Parteien auf jeden Fall beantworten müssen. Bei uns Jusos kann man sich deshalb auch themenbezogen für einzelne Kampagnen engagieren, und wir Jusos müssen übrigens auch nicht Mitglied in der SPD sein. Natürlich spielt auch Transparenz eine große Rolle. Junge Menschen wollen wissen, wie Entscheidungen getroffen werden und welche Meinung Minister und Parteimitglieder vertreten. Hier würde ich mir mehr Kommunikation wünschen. Eine andere wichtige Sache: Die Parteien müssen wieder lernen, klar für etwas zu stehen. Gerade in der großen Koalition entsteht oft der Eindruck, die Volksparteien unterscheiden sich zu wenig voneinander und vertreten im Grunde dasselbe. Wir müssen wieder eine klare Kante entwickeln und dass es einen Unterschied macht, ob man die Union oder die SPD wählt.

Eine klare Kante haben leider vor allem extreme Parteien wie die AfD. Glaubst du, dass sie deshalb so erfolgreich ist?

Das kann natürlich sein, wobei ich hier gleich einwerfen möchte, dass es gerade nicht die jungen Wähler sind, bei denen die AfD so gut abschneidet. Wenn man sich die jüngsten Wahlergebnisse nach Altersschichten unterteilt ansieht, wird schnell klar, dass die AfD vor allem mittelalte Männer anspricht. Die AfD schürt gezielt Ängste, mit denen sie dann auf Wählerfang geht. Zum Beispiel Ängste vor Ausländern oder Flüchtlingen. Junge Menschen sind dafür nicht so gut ansprechbar. Die meisten wünschen sich eine offene und bunte Gesellschaft. Das ist aber keine große Überraschung: Viele Jungwähler haben als Schüler an Austausch-Programmen teilgenommen oder ein Auslandsjahr während des Studiums gemacht. Mit vermeintlich Fremden kann man ihnen nicht mehr Angst machen.

Ganz konkret: Wenn du morgen Bundeskanzlerin wärst, welche Themen für junge Menschen würdest du sofort anpacken?

Ich würde als erstes das Thema Ausbildung anpacken. Viele Azubis verdienen sehr wenig und müssen viele Überstunden machen. Deshalb bin ich für eine Mindestvergütung in der Ausbildung. Quasi ein Mindestlohn für Azubis. Und ich möchte, dass die Befristungen beim Einstieg in den Job abgeschafft werden. Man muss sein Leben doch planen können und darf nicht mit einer Befristung nach der nächsten abgespeist werden. Außerdem möchte ich, dass es mehr Chancengleichheit gibt. Niemand soll benachteiligt werden, weil er einen Migrationshintergrund hat oder schwul ist. Wichtig ist nicht, woher man kommt oder wie man aussieht. Wichtig ist doch, was man aus seinem Leben machen will.

Was ist dein nächstes politisches Ziel?

Ich würde gerne nach der nächsten Bundestagswahl im Bundestag sitzen. Ich möchte dafür sorgen, dass junge Menschen gut vertreten werden und eine starke Stimme haben. Wir brauchen endlich mehr Mitspracherecht für junge Leute. Es geht ja schließlich auch um unsere Zukunft.

Lebenslauf:

  • geboren am 18. September 1987 in Straubing
  • 2006 Abitur
  • 2006 - 2013 Studium der Politikwissenschaft, Kulturgeographie und Soziologie an der Universität Würzburg
  • seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin

Politische Laufbahn:

  • seit 2002 Mitglied bei den JuSos und in der SPD
  • 2007 - 2011 stellvertretende Bezirksvorsitzende der JuSos Niederbayern
  • 2009 - 2013 Stellvertretende Landesvorsitzende der JuSos Bayern
  • seit 2010 Kreisvorsitzende der Jusos Straubing-Bogen
  • 2011 - 2013 Stellvertretende JuSo-Bundesvorsitzende
  • 2013 Direktkandidatin für den Deutschen Bundestag im Wahlkreis Straubing/Regen
  • seit 2013 JuSo-Bundesvorsitzende und Mitglied im SPD-Parteivorstand