"Der Winter naht"

Grimmig, düster, anders: "Game of Thrones" begeistert Fans


Kann man aus einer Buchreihe, die bisher 6765 Seiten umfasst und noch lange nicht abgeschlossen ist, eine Fernsehserie machen? Noch dazu, wenn es sich um eine Fantasyreihe handelt, die in Sachen Umfang, Aufwand und Detailreichtum der Trilogie "Der Herr der Ringe" in nichts nachsteht? Ja, man kann. Das hat der amerikanische Bezahlsender HBO mit der Produktion von "Game of Thrones" eindrucksvoll bewiesen. Er hat aus der epischen Buchvorlage "Das Lied von Eis und Feuer" von George R. R. Marin großes Kino gemacht - fernab aller Fantasy-Klischees.

"Game of Thrones" spielt in dem Fantasy-Königreich Westeros, in dem die Jahreszeiten mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern können. Vor 17 Jahren wurde das Reich von einem blutigen Bürgerkrieg heimgesucht und auch jetzt noch leben die mächtigen Adelshäuser unter König Robert Baratheon in einem äußerst angespannten Verhältnis. Und als der Winter naht und der Berater des Königs ermordet wird, bekommt die friedliche Fassade endgültig Risse. König Robert ruft daraufhin seinen alten Freund Ned Stark an den Hof, der sein neuer Berater werden soll. Als Nordmann weiß Ned, dass auf einen langen Sommer ein noch längerer Winter folgt - und dieser Sommer hat zehn Jahre gedauert. Nur widerwillig verlässt er seine Familie, um nach Süden zu reisen. In der Hauptstadt Königsmund angekommen, muss Ned erkennen, dass Robert nicht mehr der starke Herrscher ist, der er einst war und sich statt mit seinem Reich lieber mit Wein und Frauen beschäftigt. Dessen ungeachtet beginnt Ned, das Chaos am Hof zu bekämpfen und den Mord an seinem Vorgänger zu untersuchen. Umgeben von Intriganten, falschen Freunden und Verrätern stößt er dabei auf eine Verschwörung, die nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Familie bedroht. Und während der Winter immer näher kommt, erwacht im Norden eine uralte, vergessene und gefährliche Macht.

Grimmiger Realismus

Mit verträumter Fantasy-Romantik ist es bei "Game of Thrones" nicht weit her. Doch schaffen der grimmige Realismus und der düstere Grundton einen eigenen Reiz, dem sich der Zuschauer kaum entziehen kann. Dafür sorgen auch die vielen und vor allem vielschichtigen Charaktere. Hier gibt es kein Schwarz und Weiß, sondern nur Grau - in unterschiedlichen Schattierungen. Ned Stark etwa ist ein Mann von Ehre - doch richtet er bereits in der ersten Folge einen geflohenen Soldaten der Nachtwache hin. Der zwergwüchsige Tyrion Lennister dagegen gehört wohl zur skrupellosesten und brutalsten Familie, die die Fantasy-Literatur bisher hervorgebracht hat - wird aber durch seine flotten Sprüche und seine herrlich selbstverliebten Kommentare zu einem der größten Sympathieträger der Serie. Und das sind nur zwei Beispiele. Mit Daenerys Targaryen, Jon Schnee, Khal Drogo, Arya Stark, Viserys, Syrio Forel, Sandor Clegane, Hodor und vielen anderen gibt es noch mehrere Dutzend andere kultverdächtige Charaktere.

Und das ist auch wichtig, denn noch etwas hebt "Game of Thrones" von so gut wie allen anderen derzeit laufenden Serien ab: Hier sterben Hauptfiguren. Sogar ziemlich viele. Von den zuvor genannten zehn Charakteren erleben beispielsweise vier das Ende der ersten Staffel nicht mehr. Und genau dieser Tabubruch ist der Grund, warum so viele Fans "Game of Thrones" mögen. Der Zuschauer kann zu Beginn einer neuen Episode nie wissen, ob der eigene Lieblingscharakter am Ende noch leben wird. Dadurch bleibt die Spannung konstant hoch und die Gefühle für die Figuren sind viel stärker. Außerdem: Für jeden Charakter, der stirbt, kommt mindestens ein neuer nach. Das Erzähltempo ist enorm hoch. Jede Folge hält neue unvorhergesehene Wendungen bereit. Der Zuschauer bangt, zittert, hofft - und wird am Ende fast immer überrascht, fassungslos oder geschockt zurückgelassen. Wenn der Winter naht, ist nichts sicher. Hier kann alles passieren. Denn es gibt keine Serie wie "Game of Thrones".