Filmtipp

Eisig wie eine Tiefkühltruhe - DVD-Start des Jugenddramas „Wie ein weißer Vogel im Schneesturm“


Kat (Shailene Woodley) und ihr Freund Phil (Shiloh Fernandez) haben in der Schule nur Augen füreinander. (Fotos: capelight pictures 2004-2015)

Kat (Shailene Woodley) und ihr Freund Phil (Shiloh Fernandez) haben in der Schule nur Augen füreinander. (Fotos: capelight pictures 2004-2015)

Von Julia Gabauer

Die Teenagertochter kommt nach Hause und findet ihre Mutter zusammengekauert im kleinen Schwarzen mit Perlenkette schlafend in ihrem Bett vor. Erschrocken weckt sie sie. Sie scheint keine Ahnung zu haben, was passiert oder wieso sie so gekleidet ist. Nach ein paar verdutzten Fragen verlässt die Mutter das Zimmer, um mit dem Kochen anzufangen. Aus dem Off erklingt die Stimme der Tochter: "Ich war 17, als meine Mutter verschwand. Gerade als ich anfing, nichts als mein Körper zu sein - Fleisch und Blut und aufgeregte Hormone. Da trat sie aus ihrem heraus und ließ ihn zurück."

Mit dieser Szene beginnt der Film "Wie ein weißer Vogel im Schneesturm", der seit 14. August auf DVD erhältlich ist. Die Handlung ist ein Puzzle aus Jugendfilm, Krimi und Drama. Im Sommer 1988 ist Kat zum ersten Mal verliebt. Als ihre Mutter Eve verschwindet, berührt sie das nicht - im Gegenteil: ohne Eves ständige Eifersucht auf die Jugend ihrer Tochter, ist das Leben einfacher. Doch irgendwann bemerkt Kat, dass Eves Verschwinden Spuren bei ihr hinterlassen hat. Sie wird von Albträumen geplagt und als sie aus dem College zu Besuch kommt, kommt die Wahrheit ans Licht.

Shailene Woodley ist momentan allgegenwärtig. Trotz ihres Alters belegt sie selten Rollen in klischeehaften 08/15-Jugendfilmen mit Happy End. Ihr liegen Rollen, die psychologisch eine Herausforderung sind und in denen sie mit Emotionen spielen kann, zum Beispiel als krebskranke Hazel in "Das Schicksal ist ein mieser Verräter". Auch ihr Charakter Kat in "Wie ein weißer Vogel im Schneesturm" zählt dazu: ein Schneewittchen im Grunge-Look, das kein Kind von Traurigkeit ist. Sie ist den Gemeinheiten ihrer Mutter ausgesetzt, die sie Kat getauft hat, weil sie immer eine Katze wollte. Deswegen glaubte sie jahrelang, ihr Haustier zu sein.

Eva Green spielt die frustrierte Hausfrau Eve Conners. Sie trägt Augenringe zu hohlen Wangen und Wickelkleidern spazieren. Der Versuch, ihre Tochter als perfekte kleine Kopie von sich selbst großzuziehen, wendet sich gegen sie selbst. Während diese ihr Partys, Liebschaften und Lebenslust vorlebt, steht auf ihrem eigenen Tagesplan nur Putzen, Einkaufen und Hackbraten kochen. Eva Greens Darstellung trägt mit Sätzen wie "Du siehst so aus wie ich, als ich du war" psychopathische Züge. Obwohl sie seltener zu sehen ist als ihre junge Kollegin, übertrumpft sie sie im Spiel. Christopher Meloni spielt Ehemann Brock Conners. Seine Frau ist zu ihm so eisig wie eine Tiefkühltruhe, mit ihrem Verschwinden hat er dennoch schwer zu kämpfen. Er versucht krampfhaft, die bröckelnde Fassade der perfekten Vorstadtfamilie aufrechtzuerhalten. Seine Tochter beschreibt ihn folgendermaßen: "Man kratzt an der Oberfläche und da ist nur noch mehr Oberfläche." Dennoch stellt er sich als vielschichtigster Charakter heraus.

"Wie ein weißer Vogel im Schneesturm" ist alles andere als ein Mainstream-Film, deswegen ist er nur in wenigen Kinos gelaufen. Mit dem DVD-Start bietet sich nun die Möglichkeit, seinen Filmhorizont zu erweitern. Das Bonusmaterial besteht aus einem Making-of, dem Trailer, entfallenen Szenen, Audiokommentaren und Interviews mit Schauspielerin Shailene Woodley und Regisseur Gregg Araki. Dieser bleibt seinem Stil mit einem weiteren ungewöhnlichen Film treu. Durch ein Gewebe aus Gegenwartseinstellungen, Rückblenden und Träumen erfährt der Zuschauer, was wirklich mit Kats Mutter passiert ist. Das Szenenbild ist mit viel Hingabe gestaltet, man fühlt sich an ein Polaroid-Foto der 80- und 90er-Jahre erinnert. Dazu trägt auch der Soundtrack mit Bands wie "Depeche Mode", "The Cure" und den "Pet Shop Boys" bei. Die überraschende Wendung am Ende lässt den Mund offenstehen und zeigt, dass hinter perfekt gebügelten Gardinen und akkurat gestutzten Hecken nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen ist.