Beruf im Wandel

Vom Wächter zum Vermittler: Der Ranger früher und heute

Kniebundhose, Dienstmofa, erhobener Zeigefinger: Das war einst das Bild des Rangers im Bayerischen Wald. Siegfried Schreib ist einer von ihnen - und erklärt, warum es schon lange nicht mehr nur um Verbote geht.

Siegfried Schreib vor einer Wanderkarte am Wistlberg. Die Gegend rund um den Lusen kennt er durch seine langjährige Arbeit als Ranger freilich auch so. 

Siegfried Schreib vor einer Wanderkarte am Wistlberg. Die Gegend rund um den Lusen kennt er durch seine langjährige Arbeit als Ranger freilich auch so. 

Von Katharina Kremsreiter

Eine leichte Sommerbrise, Vogelgezwitscher, Waldduft, unter den Füßen einen schmalen Trampelpfand. Im erst 2022 entstandenen „Naturerlebnis Wistlberg“ in Finsterau trifft man nicht nur auf pure Natur, sondern auch auf die Menschen, die sie bewahren – die Ranger.
Einer von ihnen ist Siegfried Schreib, der in dem kleinen Dorf Kirchl in der Gemeinde Hohenau aufgewachsen ist, er kennt deswegen die Gegend rund um den Lusen wie seine eigene Westentasche. Seit 31 Jahren darf der dreifache Familienvater nun die Natur des Nationalparks Bayerischer Wald mit 27 weiteren Rangern seinen Arbeitsplatz nennen.

Ausgestattet mit Wanderschuhen, Wanderhose, Rucksack und Forststecken, die zum Entfernen von Müll und Hindernissen, wie auf den Weg gefallene Äste, benutzt werden, zieht er los. Kurz nach der Gründung des Nationalparks Bayerischer Wald 1970 sahen die Ausrüstung und der Aufgabenbereich noch ganz anders aus. Der Ordnungsdienst, meist ehemalige Holzhauer sind Wächter der Natur, eingesetzt, um die Regeln durchzusetzen. In Kniebundhosen, auf dem Dienstmofa, dunkelgrün gekleidet, strahlten sie reichlich Autorität aus.

„Wanderwege dürfen nicht verlassen werden!“, „Das Füttern der Tiere ist verboten!“ Mit fester Stimme und erhobenen Zeigefinger imitiert Siegfried Schreib die Kernbotschaften des damaligen Ordnungsdienstes. Als Schreib 1994 in den Dienst trat, hießen sie schon lange Nationalparkwacht. „Von den Hiesigen wurden wir damals noch „Grossadgendarm“ genannt, erinnert er sich. Seit gut zehn Jahren nennen sie sich jetzt selbst Ranger, sie wollen die Vielfalt der Natur bewahren und die Menschen für diese Natur begeistern.

Sein Arbeitsplatz ist der Wald: Unterwegs erklärt Schreib die vielfältigen Aufgaben eines Rangers. 

Sein Arbeitsplatz ist der Wald: Unterwegs erklärt Schreib die vielfältigen Aufgaben eines Rangers. 

Von Drohnen und Lagerfeuer

Während er den Wanderweg entlanggeht, sieht er links und rechts in den Wald – scannt ihn förmlich ab. Siegfried Schreib erklärt, dass es schon lange nicht mehr nur um die Durchsetzung der Regeln geht. Zu seinen Aufgaben gehört auch das Monitoring der Tiere, Insekten, Pilze und Pflanzen, die Prüfung der Wege – zu Fuß oder mit Dienstrad. „Ein fehlender Wegweiser fällt eher auf, wenn man selbst auf dem Fahrrad sitzt“, sagt er.

Kurzer Stopp, den Blick auf einen der schmalen Hohlwege gerichtet, links und rechts ragen die Bäume weit über die Köpfe hinaus. Solche Wege sind im Herbst und im Frühjahr für Videoaufnahmen gefragt, neuerdings mit fliegenden Begleitern – den Drohnen. Obwohl diese verboten sind kommt es immer wieder zu Diskussionen. Sie stören das Naturerlebnis und Persönlichkeitsrecht von anderen Ruhesuchenden, sowie die Tiere des Waldes.

Schwarzfischer, Radfahrer auf Wanderwegen, frei laufende Hunde, Camper und verbotene Lagerfeuer, alles trifft man an. „Mit Humor kommen wir bei den Leuten heute weiter als mit erhobenem Zeigefinger“, sagt Schreib. Ist jemand völlig uneinsichtig, machen die Ranger von ihrem polizeilichen Recht auf Nationalparkebene gebrauch und derjenige wird angezeigt.

Die Natur des Bayerischen Waldes begeistert viele Wanderer. 

Die Natur des Bayerischen Waldes begeistert viele Wanderer. 

Für härtere Fälle müssen sie im Nationalpark Bayerischer Wald Deeskalationstrainings und Selbstverteidigungskurse absolvieren. „Bei uns ist es zum Glück noch ruhig, aber in anderen Schutzgebieten, etwa im Bereich des Plöckensteins auf Tschechischer Seite, kam es bereits zu Tätlichkeiten gegenüber Rangern“, sagt Schreib.

Verbotsschilder und Spinnennetze: Ranger im Dialog

Wenig später kommt Siegfried Schreib ein Auto entgegen, obwohl die Straße tagsüber für Autos gesperrt ist. Mit einem netten Grinsen signalisiert er dem Fahrer anzuhalten. Ein kurzes Gespräch mit den peinlich berührten Besuchern, die das große Verbotsschild missachtet haben, klärt die Situation schnell. Interaktion mit Wanderern, Führungen und Beantwortung vielfältiger Fragen sind heute genauso wichtig wie früher. Immer mehr Menschen zieht es in den Wald – Auslöser sind unter anderem Klimawandel und Corona. In den 90er Jahren war es der Borkenkäfer, der die Menschen beschäftigte und für Diskussionen zwischen Rangern und Besuchern sorgte. Heute sind die Fragen breit gefächert.

Die Ranger haben sich im Laufe der Jahre ein breites Wissen angeeignet und sind bemüht dieses ständig zu erweitern. „Jeder Ranger hat sein Steckenpferd, meines ist die Waldentwicklung“, geht der Naturkenner Schreib weiter darauf ein. Er vergleicht die Natur gerne mit einem Spinnennetz. Jeder Faden hängt am anderen, nur wenn alle Fäden intakt sind, bleibt es stabil. Der Mensch darf nicht vergessen, dass er auch nur ein Faden im Netz ist.

Hier geht's nicht weiter, sagt das Schild am Wistlberg. Mancher Autofahrer hält sich trotzdem nicht daran. 

Hier geht's nicht weiter, sagt das Schild am Wistlberg. Mancher Autofahrer hält sich trotzdem nicht daran. 

Mehr Besucher, bedeuten nicht nur mehr Aufklärungsarbeit, sondern auch mehr Müll. Tempotaschentücher oder Bananenschalen sind ein gerne im Wald entsorgter Unrat, den Ranger dann entsorgen müssen. Liegengelassene Hundekotbeutel sind die Krönung. Auch deswegen ist Aufklärung so wichtig. In den Anfängen waren sie eine Kontrollinstanz, heute sind Ranger auch „Servicetrupp“ für Naturtouristen.

Abschließendes sagt Siegfried über seine Arbeit: „In den vergangenen 31 Jahren als Ranger im Nationalpark Bayerischer Wald gab es viele Begegnungen und lustige Geschichten, aber die wirklich prägenden Momente im Berufsleben sind jene, wenn Gäste nach einer längeren Diskussion oder Gespräch am Ende zu mir gekommen sind und sagten: 'Danke für die wunderbare Zeit und die vielen Informationen von ihnen, die meine Sicht auf die Zusammenhänge in der Natur und die Auswirkungen auf mich persönlich, als Teil dieser Natur haben werden.'“

Info
Im Nationalpark Bayerischer Wald gibt es zwei Ranger-Zentralen, eine befindet sich in Neuschönau, die andere in Scheuereck. Je nach Tagesplanung müssen die Ranger vor Dienstantritt noch dorthin. Der Verdienst eines Rangers im Nationalpark Bayerischer Wald, liegt je nach Qualifikation in der Gehaltsstufe E9 oder E6, nach TVöD.

Katharina Kremsreiter studiert in Passau Journalistik und strategische Kommunikation. Ihr Beitrag ist in einer Lehrredaktion entstanden, die in dem Studiengang integriert ist. Die Lehrredaktion wird von Redakteuren unserer Mediengruppe betreut.

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